In einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 14. November 2011 stellt das Oberlandesgericht Düsseldorf fest, dass eine von der Hamburger Kanzlei Rasch verschickte Abmahnung zu pauschal verfasst und daher unwirksam ist (Aktenzeichen I-20 W 132/11). Sie sei als „völlig unbrauchbare anwaltliche Dienstleistung“ anzusehen, für die keinerlei Abmahngebühr verlangt werden kann. Das hat Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke mitgeteilt.
In dem Verfahren entschied das Gericht über die Beschwerde der Beklagten gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Prozesskostenhilfe. Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe setzt unter anderem voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das Gericht musste daher prüfen, ob der Anspruch der Kläger (also der Hamburger Kanzlei Rasch und der von ihr vertrenen Rechteinhaber) auf Erstattung der Abmahnkosten hinreichende Erfolgsaussichten hat.
In ihrer Entscheidung bemängeln die Richter jedoch, dass in der Abmahnung die konkret getauschten Musikstücke hätten bezeichnet werden müssen. Zu den Mindestvoraussetzungen gehört nach ihrer Ansicht nach zudem, dass Beweise für die Rechteinhaberschaft vorgelegt werden: Es genügt nicht, lediglich das Anbieten von Musikwerken über eine Internet-Tauschbörse abzumahnen. Der Abmahnende muss vielmehr darlegen, dass ihm die entsprechenden Rechte an den abgemahnten Werken tatsächlich zustehen. Vertritt die abmahnende Kanzlei mehrere Rechteinhaber, muss eine eindeutige Zuordnung der Werke zu den Berechtigten erfolgen.
Das Gericht nimmt auch zu den Rechtsfolgen einer vorgefertigten, zu weitreichenden Unterlassungsverpflichtungserklärung Stellung: Bezieht sich die vorformulierte Unterlassungserklärung auf das gesamte Repertoire eines Rechteinhabers, muss er eine Liste dieser Werke beifügen. Ansonsten würde das Risiko, ob ein Werk tatsächlich zum Repertoire des Rechteinhabers gehört, auf den Abgemahnten abgewälzt. Dies ist nach dem auf vorformulierte Unterlassungserklärungen anwendbaren AGB-Recht unwirksam.
Im Übrigen erlauben die Richter dem Abgemahnten, sich damit zu verteidigen, dass er nicht gewusst habe, dass Musikdateien über seinen Internetanschluss getauscht wurden. „Dies stellt eine erhebliche Erleichterung für die spätere prozessuale Beweisführung dar. Bislang gingen die Gerichte davon aus, dass die Betroffenen detailliert beschreiben müssen, wer wann und wo Zugang zu ihrem Internetanschluss hatte. Teilweise gingen die Gerichte – etwa zuletzt das Amtsgericht München – sogar so weit, dass die Betroffenen nachweisen mussten, welche Fehler im Rückverfolgungsprozess aufgetreten sind beziehungsweise wie sie ins Visier der Ermittlungen gekommen sein können“, so Solmecke.
Nach Ansicht des Anwalts führt die Entscheidung dazu, dass mehrere tausend Filesharing-Abmahnungen unwirksam sind. Das Oberlandesgericht gehe in seiner Entscheidung so weit, selbst die unterzeichnete vorformulierte Unterlassungserklärung als unwirksam anzusehen, da sie Tauschbörsennutzer unangemessen benachteiligt.
„Theoretisch könnte diese Entscheidung auch dazu führen, dass jetzt einige Betroffene bereits gezahlte Abmahngebühren wieder zurückfordern können. Explizit äußert sich das Oberlandesgericht Düsseldorf zu dieser Frage allerdings nicht. Im Übrigen muss noch im Einzelfall geprüft werden, ob die Zahlung nicht im Wege der vergleichsweisen Einigung erfolgte. Zumindest ist jedoch klar, dass von denjenigen Tauschbörsennutzern, die bislang die Zahlung verweigert haben, jetzt keinerlei Abmahngebühren mehr verlangt werden können“, so Solmecke. Denn seit einiger Zeit nenne die Hamburger Kanzlei Rasch in ihren Abmahnungen die getauschten Titel, beziehe die vorgefertigte Unterlassungserklärung aber nach wie vor auf das gesamte Werkrepertoire des jeweiligen Rechteinhabers.
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