Der in Nordrhein-Westfalen aktive Arbeitgeberverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (AGAD) hat davor gewarnt, dass bei zunehmender Nutzung sozialer Netzwerke auch die arbeitsrechtlichen Probleme mehr werden. Als Arbeitgeberverband sorgt er sich vor allem um beleidigende, diffamierende oder den Arbeitgeber schädigende Facebook-Einträge. Um seinen Ausführungen Gewicht zu verleihen, schickt der Verband Nils Helmke in den Ring: Er ist Rechtsanwalt und externer Datenschutzbeauftragter der AGAD Service GmbH.
Laut Helmke könne mangels höchstrichterlicher Entscheidungen in Streitfällen auf allgemeine Prinzipien des Arbeitsrechts zurückgegriffen werden: „Unternehmensschädliche Äußerungen müssen keinesfalls durch den Arbeitgeber hingenommen werden und können sogar eine außerordentliche Kündigung begründen“. Allerdings können nicht alle Äußerungen bei Facebook, die der Arbeitgeber als unpassend oder störend empfindet, per se von ihm verboten werden. Schließlich werden sie häufig während des privaten Gebrauchs des Sozialen Netzwerks eingestellt und sind daher ein sogenanntes „außerdienstliches Verhalten“.
„Es bleibt aber ein Dilemma für den Arbeitgeber, dass häufig negative Eintragungen über das Unternehmen im Netz bleiben und auch Jahre nach dem Posting noch über eine Google-Suche gefunden werden können. Darüber hinaus wird die Beleidigung, Rufschädigung et cetera noch von einem sehr großen Empfängerkreis wahrgenommen, so dass kein Vergleich mit einem Lästern über den Chef im Freundes- oder Bekanntenkreis besteht, zumal das Posting schriftlich erfolgt und häufig von völlig unbeteiligten Nutzern im Web 2.0 als erste Unternehmensinfo wahrgenommen wird“, so Helmke weiter. Der AGAD und sein Datenschutzbeauftragter unterscheiden generell zwischen drei Arten von belastenden Postings:
Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen
„Lässt sich der Arbeitnehmer in sozialen Netzwerken über betriebliche Interna aus, wird er regelmäßig seinen Arbeitsvertrag verletzten. Ohne explizite Regelung lässt sich dies als Nebenpflichtverletzung des Arbeitsvertrages auslegen“, so der AGAD-Datenschutzbeauftragte. Jeder Arbeitnehmer sei im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Hierzu zählen nicht nur Kundenstämme und geheime Marketingstrategien, sondern auch Absprachen aus dem Personalbereich, zum Beispiel Gehälter.
Diese Punkte sind vielen Arbeitnehmern wahrscheinlich ohenhin bewusst. Außerdem sind sie auch eher selten Anlass für Diskussionen auf Facebook. Anders verhält es sich mit dem, was Anwälte als „persönliche Umstände“ bezeichnen. Darunter fallen Verhaltensweisen von Kollegen und Vorgesetzten. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Helmke können also auch Lästereien über Kollegen oder wie jüngst in Frankreich, die Veröffentlichung des Gehalts eines Vorgesetzten, je nach Schwere des Verstoßes, eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Unternehmensschädliche Äußerungen
Arbeitnehmer haben zudem eine aus Paragraf 241 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ableitbare Loyalitätspflicht. Der Arbeitnehmer darf demnach den Ruf seines Arbeitgebers in der Öffentlichkeit weder herabsetzen noch ihn bloßstellen. Auf ihre grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit (Artikel 5, Absatz 1 des Grundgesetzes) können sich Arbeitnehmer zwar berufen, aber Schmähkritik und Formalbeleidigungen sind davon ausgeschlossen.
Außerdem könne der Arbeitnehmer sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit im Bezug auf seinen Arbeitgeber nicht schrankenlos ausüben ohne in Konflikt mit Artikel 12 des Grundgesetzes zu geraten, der die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers schützt. Beleidigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, einen Kollegen oder Kunden grob in einem sozialen Netzwerk, so begründet dies für Helmke zweifelsfrei eine fristlose Kündigung.
Whistleblowing
Die öffentliche Meldung von gesetzlichen Verfehlungen des Arbeitgebers wird vom Bundesarbeitsgricht häufig als verhaltensbedingter oder gar wichtiger Kündigungsgrund angesehen. Denn auch hier trifft den Arbeitnehmer die Loyalitätspflicht, die von ihm verlangt, in zumutbarer Weise auf die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Die Grenzen der Zumutbarkeit sind dann überschritten, wenn der Arbeitnehmer sich durch eine Nichtanzeige selbst einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt sähe, oder wenn überragende Allgemeingüter wie Leib und Leben in Gefahr geraten – etwa bei Lebensmittel- oder Giftmüllskandalen.
Aber selbst da warnt Helmke vor übereiltem Aktionsimus: „Der Arbeitnehmer ist bei einem Posting in einem sozialen Netzwerk immer im Zugzwang, zu begründen, warum er nicht zuerst eine interne Klärung herbeigeführt hat, zumal ein soziales Netzwerk wie Facebook regelmäßig der falsche Ort sein dürfte, gesetzliche Verfehlungen seines Arbeitgebers publik zu machen“, so Rechtsanwalt Helmke.
Der Europarat hat sich dazu im Dezember anderslautend geäußert: Seiner Ansicht nach sind Whistleblower-Sites ein wichtiger Baustein für mehr Meinungsfreiheit. Wie diese Diskrepanz zwischen der Erklärung des Ministerkommitees und den nationalen Gesetzen aufgehoben wird, muss sich in Zukunft zeigen.
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