Kahlschlag bei IBM? „Sehr unwahrscheinlich“

IBM plant nach Informationen des Handelsblatts, in den nächsten Jahren in Deutschland Tausende von Arbeitsplätze abzubauen. „Am Ende kann es sein, dass nur noch 12.000 der derzeit 20.000 Jobs in der Landesgesellschaft übrig bleiben“, zitiert die Wirtschaftszeitung ein Mitglied der IBM-Führungsmannschaft in einem Beitrag, der sich auf das „IBM Liquid Challenge Program“ bezieht und als dessen Ziele die Einsparung von Personalkosten und damit Steigerung des Aktiengewinns und des daraus resultierend Aktienwertes nennt.

Das Unternehmen wollte die in dem Bericht genannten Zahlen nicht kommentieren. Es teilte lediglich mit: „Wir richten unser Geschäft ständig innovativ und wettbewerbsfähig aus. Transformation ist Teil unseres Geschäftsmodells. Entsprechend passt sich unsere Belegschaft an.“ Als unabhängige Analysten kommentieren wir diese Meldung kurz aus unserer Sicht, hat diese Nachricht doch für viel Verwirrung gesorgt, sowohl bei IBM intern als auch bei Partnern und Kunden.


Jürgen Brettel, einer der beiden Autoren dieses Gastbeitrags für ZDNet, ist Vorstandsvorsitzender der Experton Group (Bild: Experton Group).

IBM als Gesamtunternehmen weltweit ist sehr gut aufgestellt, was sich auch in den aktuellen Finanzkennzahlen zeigt. Diese sind grundsolide. Die IBM-Aktie stieg im Jahr 2011 um etwa 27 Prozent und in den letzten drei Jahren insgesamt um etwa 90 Prozent. Im Jahr 2010 hat IBM 15 Firmen aufgekauft, im Jahr 2011 waren es weitere 8 Firmen und in diesem Jahr hat auch bereits wieder ein Aufkauf stattgefunden.

IBM veröffentlicht keine länderspezifischen Kennzahlen, so dass keine direkte Aussage für Deutschland möglich ist. Die Marktstellung von IBM in Deutschland wird von der Experton Group als solide beurteilt, könnte von den Voraussetzungen und dem Marktumfeld her aber noch wesentlich besser sein.

Ist das ein Grund, in Deutschland 8.000 Mitarbeiter und damit 40 Prozent der Belegschaft zu entlassen? Mit Sicherheit nicht. Es gibt bei IBM und bei anderen (IT-)Unternehmen bestimmt Überlegungen, wie künftige Modelle der Zusammenarbeit aussehen können. Bei dem IBM Liquid Challenge Program geht es in erster Linie um das Thema Softwareentwicklung, und dabei um die Einbindung von „Nicht-IBM-Mitarbeitern“ in die Software-Development-Prozesse. Ein außerordentlich interessantes Konzept, welches aus Experton-Group-Sicht aber nichts mit einem möglichen Stellenabbau in Deutschland zu tun hat.


Andreas Zilch, einer der beiden Autoren dieses Gastkommentars für ZDNet, ist Vorstandsmitglied der Experton Group und verantwortet den Bereich Consulting und Advisory Services (Bild: Experton Group).

Wenn man grundsätzlich neue Modelle der Zusammenarbeit mit entsprechend drastischem Personalabbau testen möchte, ist Deutschland – neben Frankreich – auch eines der ungeeignetsten Länder der Welt. Das bestehende Arbeits- und Kündigungsrecht, entsprechende hohe Abfindungen und das Thema Scheinselbstständigkeit erschweren ein solches Verhalten enorm.

Aus Sicht der Experton Group hat die gesamte Meldung also kaum Substanz. Umso erstaunlicher ist, dass sich dazu bereits sehr viele Stimmen gemeldet haben und die Nachricht teilweise unkritisch weiter verbreitet wird.

IBM hat, wie auch andere IT-Unternehmen, die Herausforderung, die Mitarbeiter-Ressourcen ständig an das sehr dynamische Marktumfeld und die Nachfrage der Kunden anzupassen. Dies ist in Deutschland, unter anderem wegen der gesetzlichen Regelungen, eher schwierig, trotzdem für alle Anbieter eher „Business as usual“. Unter dem Strich halten wir die in den aktuellen Meldungen skizzierte Entwicklung bei IBM für sehr unwahrscheinlich.

AUTOR

Andreas Zilch und Jürgen Brettel ...

... sind beide im Vorstand des Analystenhauses Experton Group. Jürgen Brettel ist Vorstandsvorsitzender, Andreas Zilch verantwortet den Bereich Consulting und Advisory Services.


IBM-Anleger konnten im Gegensatz zu vielen anderen Anteilseignern von Technologiefirmen auch in den vergangenen zwölf Monaten mit der Kursentwicklung zufrieden sein (Screenshot: ZDNet.de bei Yahoo Finance).

ZDNet.de Redaktion

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