Thin Clients: Meister der Herzen des Computer-Arbeitsplatzes

Thin Clients habe ich immer gemocht. Und eigentlich mag ich sie auch immer noch. Aber sie haben mich schwer enttäuscht. Denn gleich mehrfach haben Sie die Chance auf den Durchbruch vertan: Als günstige Alternative zum PC in Citrix-Umgebungen, als ideale Lösung in der Green-IT-Diskussion, als Endgerät der Wahl in den Szenarien zur Desktop-Virtualisierung. Jetzt machen ihnen wahrscheinlich über kurz oder lang die Tablets den Garaus. Überleben werden sie – wie auch bisher- nur in kleinen Nischen. Das ist schade, aber wohl nicht mehr zu ändern.

Thin Clients waren in einer IT-Welt, die allzu oft von Pseudo-Leistungsparametern wie Megapixeln, Prozessortaktung oder „theoretischem Datendurchsatz“ getrieben wurde, immer so etwas wie die Stimme der Vernunft: „Lasst uns auf das besinnen, was im Büro wirklich wichtig ist“, schienen sie einem schon mit ihrem funktionalen Design zuzurufen: „Nämlich darauf, dass es einfach einen Haufen Arbeit zu erledigen gilt. Packen wir´s an!“

Aber vielleicht lag es ja gerade an diesem doch sehr am Wertekanon der Fünfzigerjahre ausgerichteten Zuruf, dass zumindest im Büro die Thin Clients keiner so richtig haben wollte. Na ja, fast keiner: An Terminals von Flughäfen, in der einen oder anderen Arztpraxis und in manchen Krankenhäuser, auch im Einzelhandel oder in Call-Center sieht man sie schon gelegentlich. Aber all das sind ja keine Orte, wo man wirklich gern hingeht. Und für die Leute, die dort arbeiten, ist der Computer am Arbeitsplatz eher lästig als nützlich, dient er doch als Nachschlagewerk, Dokumentationszentrum oder ist der Sklaventreiber, der ihnen mit aufdringlichem Blinken den nächsten Anruf anzeigt.

Kreative Menschen – zu denen sich in der Selbsteinschätzung wahrscheinlich die allermeisten zählen – haben dagegen ein Notebook auf dem Schreibtisch, natürlich ein schickes: Ein hässliches oder lediglich funktionales könnte ja schlechte Wellen aussenden, wegen denen ihnen dann womöglich die eine oder andere nobelpreisträchtige Idee entwischt.

Schön wär´s und in einer besseren Welt lebten wir, arbeiteten wir tatsächlich alle so. Die Wahrheit sieht aber anders aus: Die meisten füllen Excel-Tabellen so aus, damit sie vom Vorgesetzten für gut befunden werden, füllen SAP-Formulare so aus, dass sie vom System für gut befunden werden, setzen Verträge oder Dokumente so auf, dass sie die künftigen Unterzeichner akzeptieren können oder beantworten E-Mails, so dass die Empfänger zufriedengestellt werden. All das ist heute nichts mehr, was man nicht auch mit einem Thin Client erledigen könnte. Und Webkonferenzen oder Telefonie gibt es sogar noch als Gratiszugabe obendrauf.

Warum gibt es dann in den Büros so wenige davon? Dafür gibt es viele Gründe und man muss weit in die IT-Geschichte zurückgehen, um das zu erklären. Die Idee des Thin Clients ist eine logisch Antwort auf die Ende der neunziger Jahre immer „fetter“ werdenden PCs. Warum, so die Frage, kann man das Modell der Terminalservices nicht auch auf die neuen, dezentralen Umgebungen übertragen?

Vielversprechende Anfänge

Brauchte wirklich jeder einen PC auf dem Schreibtisch? Einen PC noch dazu, der mehr Rechenleistung hat als vor kurzem noch so manches Rechenzentrum, der mit Lizenzen vollgestopft ist – von der immer ausufernderen Office-Suite über Bildbearbeitungsprogramme, Standardsoftware bis hin zu firmenspezifischen Anwendungen? Und der mit dem immer weiter um sich greifenden, neumodischen Internetzugang auch noch anfällig ist für eine Vielzahl von simplen Angriffen, weil die größte Schwachstelle direkt vor dem Bildschirm sitzt und in den Pausen, wenn sie einmal nicht mit LAN-Spielen, Patiencen legen oder dem Weiterleiten von lustigen Mailanhängen beschäftigt ist, nahezu alles tut, wozu ihn eine E-Mail oder ein Pop-up auffordert?

Diese Überlegungen nahmen nach dem Ende der Dotcom-Blase, als die Entscheider wieder vernünftigen Argumente zugänglich wurden, allmählich konkretere Formen an. Aber sie wurden nur selten bis zu Ende gedacht und noch seltener dann auch konsequent umgesetzt. Mit dem Umstieg auf Fast-Ethernet stand zwar die notwendige Bandbreite zur Verfügung und viele Anwendungen wären auch schon via Thin Clients nutzbar gewesen wären, aber oft fehlten die wichtigsten für jede Abteilung: Die zwei oder drei speziellen, aber unverzichtbaren Programme.

Außerdem war zwar die Bandbreite in den Firmen mehr geworden, diese Infrastrukturen vernünftig und automatisiert zu verwalten war aber immer noch sehr aufwändig und sehr teuer. Was heute jeder Switch von der Stange kann, waren damals für Firmen wie 3Com, Cisco und Extreme Networks noch Alleinstellungsmerkmale.

Und da man damals trotz der neuen Bescheidenheit in der IT immer noch in großen Zusammenhängen dachte, kam ein Umstieg nicht in Frage: Entweder alle oder keiner – so die Devise in vielen Firmen. Nur wenige machten sich daran, die Lage abteilungsbezogen zu überprüfen und dann kleinteilig Thin-Client-Projekte umzusetzen. Außerdem hatte Citrix und damit auch die für Citrix-Umgebungen eigentlich prädestinierten Thin Clients noch ein Problem mit dem Drucken. Das verschaffte einerseits Firmen wie dem Berliner Unternehmen Thin Print (heute als Cortado mit einem weitaus breiterem Portfolio unterwegs) erst ihre Existenzberechtigung – schreckte aber andererseits auch viele erst recht von der Technologie ab.

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ZDNet.de Redaktion

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