„Metro, Metro, Metro“, war die Antwort von Microsoft-CEO Steve Ballmer auf die Frage nach dem großen Thema seines Konzerns im Jahr 2012. „Metro wird das verbindende Element zwischen unseren Nutzererlebnissen sein“, erklärte Ballmer. Dass die Designsprache in Redmond künftig eine wichtige Rolle spielt, ist kaum zu übersehen: Man findet sie mittlerweile nicht nur in Windows Phone 7, Xbox und Windows 8, sondern sogar in den Powerpoint-Präsentationen des Unternehmens.
Die weite Verbreitung ist angesichts der Tatsache, dass zumindest eine grobe Form von Metro Anfang 2009 in nur einem Monat entstand, doch überraschend. Nach dem Aus von Windows Mobile gab Microsoft einem Team hervorragender GUI-Designer die Aufgabe, etwas zu entwickeln, dass die Anziehungskraft der Produkte von Apple und Google hat, aber dennoch typisch Microsoft ist. Das Team hat aber nicht nur das Windows-Phone-Interface geschaffen, sondern Designprinzipien entwickelt, die die Basis für die wichtigsten Consumer-Produkte wurden. „Es ist eine Grundhaltung“, sagt Albert Shum, General Manager Windows Phone Brand and Design Studio.
Die Anfänge von Metro liegen in der mit Windows Vista ausgelieferten Version der fernbedienbaren Vollbild-Oberfläche Media Center. Anstatt eines Feuerwerks grafischer Effekte setzte Microsoft auf ein minimalistisches Design, bei dem Text die tragende Rolle spielt. Der nächste größere Anwendungsfall war der glücklose iPod-Konkurrent Zune HD, der im Herbst 2009 auf den Markt kam – aber nur in den USA. Einem breiteren Nutzerkreis wurden Metro-basierte Oberflächen erst mit dem im Oktober 2010 eingeführten Windows Phone 7 bekannt.
Der Metro-Look kam bei den Testern insgesamt gut an. „Er war frisch“, begründet Bill Flora die gute Resonanz. Er ist einer der Leiter des Teams, das die Metro-Interfaces kreiert hat. „Es war nicht Apple.“ Allerdings: Am Markt wird dies offenbar nicht honoriert. Windows Phone kommt gerade einmal auf einen Marktanteil im niederen, einstelligen Prozentbereich.
Die Inspiration für Metro kommt von den Beschilderungen in Verkehrsmitteln. Große Buchstaben und klare Icons sind wichtig, um Fahrgästen in U-Bahnen und Reisenden an Flughäfen den richtigen Weg zu weisen. Shum und Flora waren der Auffassung, dass Klarheit und gute Lesbarkeit wichtig für ein neues Interface sind.
Das Team ersann einen Look mit großen, weißen Flächen. Das Wirrwarr klassischer Nuteroberflächen verwirre den Anwender nur. Verschwunden ist auch der Rahmen, da er nach dem Verständnis des Teams nur vom eigentlichen Programminhalt ablenkt. Bei der Schrift handelt es sich um die von Microsoft entwickelte Segoe, die ohne Schnörkel daherkommt und auf Monitoren gut abzulesen ist. Entscheidend sind zudem Animationen, die Displayinhalte wegrollen, wenn der Nutzer durch die Anwendung navigiert.
„Für Anwender, die an iPhones und iPads gewöhnt sind, reicht eine unterdurchschnittliche Nutzererfahrung nicht aus“, sagt Michael Gartenberg, Research Director beim Analystenhaus Gartner. „Microsoft musste seinen Einsatz erhöhen und hat dies auch getan. Es hat ein extrem funktionales Design, das anders aussieht als das der übrigen Marktteilnehmer.“
Das ist ein großes Lob für ein Unternehmen, dessen Entwicklungskultur Design immer erst am Ende eines Prozesses beachtet hat. Aber die Marktdynamik hat sich in den letzten Jahren geändert. Apple und andere haben vorgemacht, dass Design einen hohen Stellenwert hat. „Um gute Produkte zu machen, muss man zu den Konsumeten eine Verbindung schaffen“, bestätigt Shum.
Metro ist eine Designrevolution bei Microsoft
Die Klarheit von Metro hat Microsoft einen Ansatz geliefert, um seine Consumer-Produkte zu überarbeiten. Manager haben das Design schnell als einen Weg identifiziert, um eine einheitliche Nutzererfahrung über mehrere Produkte hinweg zu schaffen. Dieser Punkt wird auch in dem Buch betont, dass das Designteam an andere Microsoft-Mitarbeiter und Partner ausgegeben hat.
„Was Du in den Händen hältst, stellt einen Neubeginn dar“, steht im dem Buch. „Es handelt sich um eine Designrevolution bei Microsoft. Das sind unsere Prinzipien, erstmals zusammengefasst an einem Ort.“
Manager in verschiedenen Produktgruppen von Microsoft haben die neue Designsprache unterstützt. „Sie haben sich Führung gewünscht“ so Flora, der nach 19 Jahren bei Microsoft die Designfirma Tectonic in Seattle gegründet hat.
Nach Windows Phone hatte Metro seinen Auftritt auf der neuen Oberfläche der Xbox 360, die im Dezember 2011 ausgeliefert wurde. Das Xbox-Team hat die Live Tiles übernommen, die die Funktion von Icons und Gadgets vereinen. Die unterschiedlichen Hubs wie Videos, Games und Music sind in Segoe beschriftet. Dank der Gestenerkennung Kinect ist auch das Interaktionsmodell der Xbox-Oberfläche nah an dem von Windows Phone.
Die größte Wette auf Metro geht Microsoft im Herbst diesen Jahres ein, wenn Windows 8 auf den Markt kommt. Erstmals seit der Einführung von Windows 95 vor mehr als 16 Jahren krempelt der Softwarehersteller die Oberfläche seines OS komplett um. Neben dem neuen Interface kommt auch ein neuer Anwendungstyp namens Metro-style-Applications.
Die Redmonder setzen darauf, so ihre bislang spärliche Präsenz auf dem Tablet-Markt vergrößern zu können. Angesichts des starken Wachstums in diesem Segment und den abflauenden PC-Verkäufen hat dieses Ziel höchste strategische Bedeutung. Microsoft benötigt Metro, um seinen Platz auf einem Zukunftsmarkt einnehmen zu können.
„Die Frage ist, wie gut es auf einem Tablet funktionieren wird“, so Gartner-Analyst Gartenberg. Die finale Antwort ist noch unklar, da bislang nur eine Developer Preview des OS vorliegt. Die ersten Anzeichen sind aber vielversprechend.
Mit der weiteren Verbreitung von Metro kommt aber auch eine zusätzliche Herausforderung: So besteht das Risiko, dass die klaren Designrichtlinien mit der Zeit aufgeweicht werden. Microsoft-intern gibt es vielleicht noch den notwendigen Druck, um sich genau daran zu halten. Aber spätestens externe Entwickler werden vermutlich eigene Interpretationen schaffen. Die Apps im Marketplace von Windows Phone zeigen dies schon eindeutig.
Microsoft hat aber allen Grund, bei der Zertifizierung der Optik nicht allzu streng vorzugehen. Denn bislang ist die Zahl der Apps deutlich geringer als bei Apple und Google.
In Redmond arbeitet man aber hart daran, die Designprinzipien deutlich zu kommunizieren. Dazu kommt, dass Metro nicht komplett festgelegt ist. „Wir sehen es als Philosophie“, so Sam Moreau, Director of User Experience für Windows, Windows Live und Internet Explorer. „Wir denken, dass wir am Beginn eines Weges stehen.“
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