Deutschland legt ACTA ad acta: Das Auswärtige Amt wird das umstrittene internationale Abkommen "vorerst" nicht unterschreiben. Nach Informationen der dpa hat das Außenministerium die bereits erteilte Weisung zur Unterzeichnung zurückgezogen.

Während einige Teile des Abkommens, etwa zur Bekämpfung von Produktfälschungen  physischer Güter, unstreitig sind, gibt es vor allem Proteste gegen die Durchführungsbestimmungen bei der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen. Demnach sollen Internet-Provider für Urheberrechtsfälschungen ihrer Kunden verantwortlich gemacht und als Störer in Haftung genommen werden. Um dies verhindern zu können, sollen die nationalen Regierungen die ISPs mit umfangreichen Befugnissen ausstatten. Dazu gehören die Überwachung des gesamten Internetverkehrs und die technische Verhinderung von Verschlüsselungs- und Anonymisierungstechniken wie TOR.

Der Musiker Bruno Kramm, dessen Interessen durch ACTA eigentlich geschützt werden sollen, hat als erklärter Gegner des Abkommens ein Video von Anonymous übersetzt, das eine Einführung in die Thematik bietet.

Kritiker befürchten, dass Datenverkehr dann nur noch anhand einer Positivliste erlaubt werde, etwa für die Dienste World Wide Web und E-Mail. An direkte verschlüsselte Kommunikation zwischen zwei Nutzern, wie es etwa IPv6 erlaube, sei nicht mehr zu denken. Das Internet in seiner heutigen Form werde es nicht mehr geben können.

In den meisten demokratischen Ländern sind die Forderungen von ACTA nicht mit geltendem Recht vereinbar. Es wären umfangreiche Gesetzesänderungen mit Einschränkungen von Grundrechten erforderlich. In Deutschland verbietet etwa § 88 Abs. 3 TKG den ISPs vom Inhalt der IP-Pakete Kenntnis zu nehmen, sofern es nicht nicht zum Schutz der technischen Systeme erforderlich ist.

Quelle: Anonymous via YouTube

Vor wenigen Tagen haben bereits Polen, Tschechien, die Slowakei und Lettland die Ratifizierung von ACTA ausgesetzt, obwohl einige der genannten Länder bereits ihre Unterschrift unter das Abkommen gesetzt hatten.

In Polen war es daraufhin zu massiven Protesten gekommen. Allein in Krakau demonstrierten mehr als 30.000 Bürger. Inzwischen entschuldigte sich Ministerpräsident Donald Tusk bei der Bevölkerung. Er räumte ein, das Abkommen zuvor aus einer Perspektive des 20. Jahrhunderts gesehen zu haben. Der slowakische Wirtschaftsminister Juraj Miskov versprach: „Ich werde kein Abkommen unterstützen, das grundlegende Menschenrechte in irgendeiner Weise einschränkt, insbesondere das Recht auf Freiheit und Privatsphäre, und das den Schutz von Urheberrechten über diese Rechte stellt.“

Die slowenische Botschafterin in Japan, Helena Drnovšek Zorko, bereut ihre Unterschrift in einem Blogbeitrag und rief ihre Landsleute zu Protesten gegen das Abkommen auf. Sie entschuldigte sich öffentlich bei ihren Kindern, dass sie ihren offiziellen Pflichten und nicht denen als Bürgerin nachgekommen sei und so deren Zukunft beeinträchtigt habe.

Für morgen sind europaweit Großdemonstrationen gegen ACTA geplant. Die Organisatoren haben die deutschen Veranstaltungsorte in einem Wiki zusammengestellt.


Quelle: stoppacta-protest.info, Kartenprovider: Google Maps

ZDNet.de Redaktion

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