EU droht Deutschland mit Sanktionen wegen fehlender Vorratsdatenspeicherung

Die EU-Kommission hat der Bundesrepublik mit Sanktionen gedroht, weil es die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung noch nicht umgesetzt hat. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ). Demnach will die Kommission der Regierung am Mittwoch eine Frist von vier Wochen setzen, „um einen vertragsgemäßen Zustand“ herzustellen.

Versäumt es die Regierung, der Aufforderung nachzukommen, droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Im ungünstigsten Fall bekommt Deutschland dann ein Zwangsgeld aufgebrummt. Schweden war vor zwei Jahren verurteilt worden (Az. C-185/09), kam aber zunächst vergleichsweise glimpflich davon: Es musste lediglich die Gerichtskosten tragen. Die dortige Regierung weigert sich ebenfalls, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in nationales Recht umzusetzen.

Ende Mai 2011 brachte die EU-Kommission Schweden erneut vor Gericht (Az. C-270/11). Sie fordert 9597 Euro pro Tag zwischen dem ersten und zweiten EuGH-Urteil und 40.947,20 Euro für jeden Tag der Nichtumsetzung nach dem zweiten Urteil. Das Verfahren ist noch anhängig.

Die Richtlinie (PDF) selbst stammt von 2006. Sie hätte eigentlich bis zum 15. September 2007 in innerstaatliches Recht umgesetzt werden sollen. Es bestand die Möglichkeit, Unternehmen die Speicherung erst ab dem 15. März 2009 zwingend vorzuschreiben.

Deutschland hatte der EU-Kommission im Januar 2008 ihre innerstaatlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie übermittelt. Derzeit ist das Gesetz aber ausgesetzt: Das Bundesverfassungsgericht erklärte es Anfang März 2010 für verfassungswidrig. Die Regelung verstieß nach Ansicht der Karlsruher Richter gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes – und damit gegen das Fernmeldegeheimnis. Alle gespeicherten Daten seien „unverzüglich zu löschen“. Das Gericht forderte zudem „anspruchsvolle und normenklare Regelungen“ hinsichtlich Datenschutz, Datensicherheit und Zugriffsrechte.

Mitte Januar 2011 sprachen sich die Innenminister der Länder noch für eine rasche Einigung bei der Vorratsdatenspeicherung aus. Weil aber offenbar keine erfolgte, übermittelte die EU Mitte Juni vergangenen Jahres ein Aufforderungsschreiben an Deutschland. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte damals, man stehe seit langem im Dialog mit der EU-Kommission. Eine schnelle Umsetzung einer neuen Regelung lehnte sie jedoch ab.

Zwar legte die Bundesjustizministerin laut SZ im Juni einen neuen Gesetzentwurf auf Basis des Karlsruher Urteils vor, dieser sei Datenschützern und der Netzgemeinde zu weit, CDU und CSU aber nicht weit genug gegangen. Seither konnten sich die Regierungsparteien nicht einigen.

Ende Oktober forderte die EU-Kommission Deutschland förmlich auf, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung binnen zwei Monaten vollständig umzusetzen. Damals hieß es, seit dem Urteil des deutschen Verfassungsgerichts hätte die deutsche Regierung keine Informationen zum Stand der Dinge mehr an die EU-Behörde übermittelt. Die Kommission befürchtete durch die Verzögerung nach eigenen Angaben „negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt für elektronische Kommunikation sowie auf die Fähigkeit von Justiz- und Polizeibehörden, schwere Straftaten aufzudecken, zu untersuchen und zu verfolgen“.

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Studie: Ein Drittel aller E-Mails an Unternehmen sind unerwünscht

Der Cybersecurity Report von Hornetsecurity stuft 2,3 Prozent der Inhalte gar als bösartig ein. Die…

2 Tagen ago

HubPhish: Phishing-Kampagne zielt auf europäische Unternehmen

Die Hintermänner haben es auf Zugangsdaten zu Microsoft Azure abgesehen. Die Kampagne ist bis mindestens…

3 Tagen ago

1. Januar 2025: Umstieg auf E-Rechnung im B2B-Geschäftsverkehr

Cloud-Plattform für elektronische Beschaffungsprozesse mit automatisierter Abwicklung elektronischer Rechnungen.

3 Tagen ago

Google schließt schwerwiegende Sicherheitslücken in Chrome 131

Mindestens eine Schwachstelle erlaubt eine Remotecodeausführung. Dem Entdecker zahlt Google eine besonders hohe Belohnung von…

3 Tagen ago

Erreichbarkeit im Weihnachtsurlaub weiterhin hoch

Nur rund die Hälfte schaltet während der Feiertage komplett vom Job ab. Die anderen sind…

4 Tagen ago

Hacker missbrauchen Google Calendar zum Angriff auf Postfächer

Security-Experten von Check Point sind einer neuen Angriffsart auf die Spur gekommen, die E-Mail-Schutzmaßnahmen umgehen…

5 Tagen ago