Am vierten Verhandlungstag des Java-Prozesses haben Oracles Anwälte Softwareentwickler von Google als Zeugen befragt. Dabei ging es um Lizenzen, Programmierschnittstellen und Klassenbibliotheken, nicht unbedingt leicht vermittelbar für eine Jury ohne Grundkenntnisse in Informatik. Die Fragen zielten aber auch darauf, wer eigentlich in welcher Funktion im Suchkonzern tätig war und andere persönlich kannte.
Der von Oracle angeheuerte Staranwalt David Boies bedrängte insbesondere Tim Lindholm, der vor seiner Zeit bei Google für Sun tätig war und dort zum ursprünglichen Entwicklungsteam von Java gehörte. Am Vortag hatte Google-CEO Larry Page in seiner Aussage erklärt, Lindholm eigentlich so gut wie nicht zu kennen.
An Lindholm war Boies besonders interessiert, da er im August 2010 eine aus Oracles Sicht verräterische E-Mail an Android-Chef Andy Rubin und andere geschrieben hatte: „Wir sind von Larry und Sergey [Brin] gebeten worden, zu untersuchen, ob es für Android und Chrome technische Alternativen zu Java gibt. Wir haben uns ein paar vorgenommen und glauben, dass sie alle nichts taugen. Wir kommen zu dem Schluss, dass wir eine Lizenz für Java zu den Bedingungen aushandeln müssen, die wir brauchen.“
Ob er damit eine Java-Lizenz von Sun gemeint habe, wollte Oracles Anwalt von Lindholm wissen. Dieser wich aus und erklärte schließlich, es sei „nicht explizit um eine Lizenz von einem bestimmten Anbieter“ gegangen. Er sei Softwareentwickler und kein Anwalt, aber es sei sein Verständnis, das APIs frei von anderen zu nutzen sind. Im Kreuzverhör der Anwälte erklärte er weiter, er habe zwar teilweise mit Android zu tun gehabt, aber dabei nie eine Codezeile geschrieben oder Entscheidungen über die Architektur getroffen.
Nachdem Lindholm eine Stunde lang ausgesagt hatte, waren sich die Anwälte beider Seiten einig, dass er nicht erneut in den Zeugenstand zurückkehren müsse. Der sichtlich erleichterte Lindholm verließ den Gerichtssaal lächelnd, hob dabei sogar die Hände und machte Peace-Zeichen – unter lautem Gelächter des Publikums. Ungeklärt blieb, wie gut Lindholm und Page sich eigentlich kannten.
Mark Reinhold, Chefarchitekt der Oracle Java Platform Group, gab in seiner Zeugenaussage eine ausführliche Lektion über Java. Die Fragen an ihn zielten insbesondere auf die 37 Java-APIs, die jetzt im Mittelpunkt des Verfahrens stehen, nachdem sich die von Oracle zunächst in den Vordergrund gestellten Patente als weniger relevant erwiesen. Reinhold versuchte zu vermitteln, dass diese Programmierschnittstellen ebenso wie Klassenbibliotheken nicht zwingend zur eigentlich freien Java-Sprache gehören. Auf Nachfrage von Google-Anwalt Dan Purcell musste er einräumen, dass zehn der fraglichen 37 APIs tatsächlich von Mitgliedern der Java-Community entwickelt wurden, die weder von Sun noch Oracle bezahlt worden waren.
Ebenfalls um APIs ging es bei der Befragung von Joshua Bloch, einem früheren Sun-Entwickler und „Java-Guru“, der 2004 zu Google wechselte. Er gab seine Einschätzung, dass die Java-Sprache ohne APIs kaum nutzbar sei. Auch andere objektorientierte Sprachen kämen nicht ohne sie aus.
Der Java-Prozess zwischen Oracle und Google befindet sich noch immer in seiner ersten Phase, in der urheberrechtliche Fragen im Mittelpunkt stehen. Laut Oracle verwendet Google in Android unerlaubt 37 geschützte APIs. Google hält seinerseits dagegen, dass Copyright nicht auf Programmierschnittstellen anwendbar sei. In späteren Prozessphasen soll es um Patente und Schadenersatz gehen.
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