Die Vereinten Nationen nehmen die Malware Flame zum Anlass, mehr Zuständigkeit für die Bekämpfung von Cybergefahren im Internet zu fordern. Die Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU) als UN-Sonderorganisation mit über 190 Mitgliedsländern müsse dabei eine herausragende Rolle spielen.

Die ITU mit Sitz in Genf hatte in der letzten Woche eine scharfe Warnung vor Flame ausgesprochen und dabei auch die Entdeckung des Cyberschädlings für sich in Anspruch genommen. Zwar ging Kaspersky Lab zuerst mit Flame an die Öffentlichkeit, aber die Sicherheitsfirma hatte die Malware „infolge einer von der ITU erbetenen technischen Analyse“ identifiziert. Die UN-Organisation hatte damit auf Berichte über einen Virus reagiert, der Computer im iranischen Ölministerium befiel. Sie betrafen zunächst eine als Wiper bezeichnete Malware, bei der es sich um eines der zahlreichen Module von Flame gehandelt haben könnte.

Laut ITU bestätigt das Auftauchen von Flame „die Notwendigkeit einer koordinierten Antwort“ durch „den Aufbau einer globalen Koalition“. Gegenüber News.com erklärte Sprecher Paul Conneally, das Mandat der ITU zur Cybersicherheit gehe auf den World Summit on the Information Society (WSIS) zurück, der 2005 in Tunesien stattfand. Die führenden Politiker der Welt hätten die ITU zur „alleinigen Anlaufstelle“ für Informationssicherheit und Kommunikationstechnologien bestimmt. Als eine der ältesten internationalen Organisationen geht die ITU auf den 1865 gegründeten Internationalen Telegraphenverein zurück und ist unter anderem für internationale Frequenzregulierung zuständig.

US-Politiker sind wenig begeistert von solchen Ansprüchen. Bei einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus lehnten Abgeordnete beider Parteien in der letzten Woche einhellig eine Vereinbarung ab, die der ITU mehr Kontrolle über das Internet geben könnte. Auch der gerne als „Vater des Internets“ bezeichnete Vint Cerf warnte davor, größere ITU-Befugnisse könnten zu einer von Regierungen diktierten Kontrolle führen und damit freie Meinungsäußerung, Sicherheit und mehr beeinträchtigen. Cerf, heute als „Chief Internet Evangelist“ bei Google tätig, sagte: „Das offene Internet war nie in größerer Gefahr als heute.“

Befürchtungen vor einer „UN-Übernahme des Internets“ löst der für Dezember vorgesehene ITU-Gipfel in Dubai aus. Bei der World Conference on International Telecommunications (WCIT) sollen Telekommunikationsvorschriften aus dem Jahr 1988 grundlegend überarbeitet werden. Von Ländern wie China, Russland, Iran und Saudi-Arabien vorangetriebene Vorschläge zielen nach Ansicht demokratischer wie republikanischer Abgeordneter auf eine „virtuelle Übernahme des Internets“.

Rund 30 Bürgerrechtsorganisationen haben die ITU aufgefordert, die Dokumente mit den Vorschlägen offenzulegen. Berin Szoka vom Thinktank TechFreedom hält das Flame-Argument der UN-Organisation für einen Vorwand: „Es ist theatralisches Gehabe. Es gehört eindeutig zu den Bemühungen der ITU, ihren gesamten Einfluss auf die Internet-Regulierung voranzutreiben.“

[mit Material von Declan McCullagh, News.com]

Hinweis: Artikel von ZDNet.de stehen auch in Google Currents zur Verfügung. Jetzt abonnieren.

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Google kündigt neue Sicherheitsfunktionen für Chrome an

Der Sicherheitscheck entzieht unsicheren Websites automatisch alle Berechtigungen. Zudem können Nutzer in Chrome künftig Websites…

7 Stunden ago

Cyberkriminelle nehmen Fertigungsbetriebe ins Visier

Ontinue registriert einen Anstieg beim Anteil am Gesamtangriffsvolumen um 105 Prozent. Das Angriffsvolumen auf den…

7 Stunden ago

o1: OpenAI stellt neues KI-Modell für komplexe Abfragen vor

Das o1 genannte Modell liegt als Preview vor. Bei einer Mathematikprüfung beantwortet es 83 Prozent…

3 Tagen ago

Zoom erhält IT-Sicherheits- kennzeichen des BSI

Das Kennzeichen erhalten Zoom Workplace Pro und Zoom Workplace Basic. Es bescheinigt unter anderem aktuelle…

4 Tagen ago

Google verbessert Tab-Verwaltung in Chrome

iOS und iPadOS erhalten Tab-Gruppen. Zudem unterstützt Chrome nun die Synchronisierung von Tab-Gruppen.

4 Tagen ago

Identitätsdiebstahl: 58 Prozent der Deutschen sorgen sich um digitales Erbe

Sie befürchten einen Missbrauch der Identitäten von Verstorbenen. 60 Prozent befürworten deswegen eine Klärung des…

4 Tagen ago