Das Landeszentrum für den Datenschutz Schleswig-Holstein weist auf eine in zweiter Lesung vom Bundestag beschlossene Gesetzesänderung (PDF) hin. Durch die Modifikation des „Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens“ könnten Firmen nun für „Zwecke der Werbung oder des Adresshandels“ Melderegisterauskünfte erhalten, selbst wenn die betroffene Person Widerspruch eingelegt hat, „wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden“.

Der Leiter des Zentrums, Thilo Weichert, kommentiert das Gesetz scharf: „Ich bin schockiert über Form und Inhalt der Gesetzgebung. An Kommunen und Datenschützern vorbei werden hier wirtschaftliche Lobbyinteressen bedient. Nach der Beschlussfassung zu einer Stiftung Datenschutz, die in der vorgesehenen Form nur einer Wirtschaft dient, die Datenschutz als Billigware haben möchte, ist dies innerhalb kürzester Zeit ein zweiter Sündenfall und ein weiterer Schlag ins Gesicht all derer, die dem Versprechen der Koalitionsvereinbarung vertraut haben, den Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Wir können nur hoffen, dass der Bundesrat diesen gefährlichen Unsinn stoppt.“

Nach seiner Darstellung profitieren von der Änderung private Auskunfteien und Adresshändler – auf Kosten der Kommunen, denen die Gebühren für Melderegisterauskünfte genommen würden. Ein Adresshändler müsste sich nur noch veraltete Datensätze beschaffen, die es zuhauf gebe, und könnte sich dann die neue Adresse der betroffenen Person verschaffen, um sie aufbereitet an Werbetreibende weiterzuverkaufen.

Bisher dienen Melderegister vorrangig als Adress- und Datenbeschaffer für die öffentliche Verwaltung und in Sonderfällen auch für private Interessenten, etwa für Gläubiger, die auf der Suche nach Schuldnern sind. Auch Adressbuchverleger können darauf zugreifen, wenn der Bürger der Eintragung nicht widersprochen hat. Eine solche Einwilligung der Betroffenen wäre nach dem Entwurf nicht mehr nötig. Allerdings kann der Bürger der Adressweitergabe erneut widersprechen (Opt-out).

Eine Gefahr für die Kommunen sieht dagegen der in Sachen Adressenhandel versierte Gutjahrs Blog nicht – im Gegenteil. Seine Interpretation der Gesetzesänderung lautet: „Entgegen der Versprechen für einen ‚besseren‘, ‚umfassenden‘ Datenschutz erlaubt die Bundesregierung neuerdings ausdrücklich, dass Einwohnermeldeämter die Privatadressen der Bundesbürger weiterverkaufen.“

Stimmen der Oppositionsparteien im Bundestag hat der Blog Netzpolitik gesammelt. Demzufolge prognostiziert etwa Jan Korte von der Linkspartei: „Die Versuche von Unternehmen, aber auch von Bundeswehr und Religionsgemeinschaften, eine noch einfachere Meldedatennutzung zu erreichen beziehungsweise Privilegierungen für die eigene Klientel durchzusetzen, werden zunehmen.“ Die SPD-Fraktion spricht laut Anhang zum Gesetzesentwurf von einer massiven Verschlechterung beim Datenschutz. Ihr behagt vor allem die Widerspruchslösung nicht.

Das Gesetz muss noch vom Bundesrat abgesegnet werden, bevor es in Kraft tritt.

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ZDNet.de Redaktion

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