Technologen sind es gewohnt, dass ihre Innovationen sich langsam durchsetzen. Nach einer Weile wurden in der Geschichte der Industrialisierung aber die meisten – Computer, Smartphones, Flugzeuge, Autos, Photovoltaik-Anlagen und vieles mehr – bejubelt und ihr Besitz oder ihre Nutzung zum Statussymbol. Doch inzwischen begehrt die Bevölkerung oft genug lautstark und manchmal auch erfolgreich auf, wenn aus dem technopolitischen Bereich der Ruf nach Infrastrukturmaßnahmen erschallt – handele es sich dabei nun um Stromleitungen, Endlager, Flughäfen, Tiefbahnhöfe oder Schnellstraßen.
IT und Telekommunikation dagegen werden von der Gesellschaft noch immer vorwiegend als positiv empfunden. Viele Fachleute mutmaßen sogar, sie könne einiges dazu beitragen, wichtige Zeitprobleme zu lösen, zum Beispiel im Bereich Nachhaltigkeit.
„Bis zu achtmal können die Einspareffekte durch IT deren eigenen Energieverbrauch – derzeit geschätzte acht Prozent der elektrischen Energie – übersteigen. Deswegen kann man Green-IT im Sinne innovativer Systeme und Anwendungen gar nicht überschätzen“, so Manfred Broy, Inhaber des Lehrstuhls für Software und System Engineering an der TU München, anlässlich der Tagung „Informatik & Nachhaltigkeit trotz Wandel: Wechselwirkungen einer vernetzten Gesellschaft“. Das Energiesparen in der IT dagegen, so der Professor weiter, werde oft überschätzt.
Eröffnet wurde die Münchner Tagung, ein Gemeinschaftsprojekt von Broys Lehrstuhl mit dem Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie der TU München vom Inhaber des letzteren, Prof. Dr. Klaus Mainzer. Mainzer ist zugleich Leiter des kürzlich gegründeten Munich Center for Technology & Society an der TUM. Dieses soll den Diskurs zwischen Human- und Natur- beziehungsweise Ingenieurwissenschaften in Gang setzen.
Vertreter der Themenbereiche Smart Grid, Architektur sowie Stadt- und Landschaftsplanung und Telekommunikation, also sattsam bekannten Einsatzfeldern von Informationstechnik, referierten auf der Tagung über die Gestaltungs- und damit verbundenen Effizienzpotenziale, die gezielter IT-Einsatz mit sich bringen kann. Im Smart Grid beispielsweise dadurch, dass IT überhaupt erst ermöglicht, die Nachfrage automatisiert so zu steuern, dass sich die diskontinuierlich liefernden erneuerbaren Kraftwerke ohne negative Effekte in die Infrastruktur integrieren lassen, aber auch durch die Verbindung und gezielte Steuerung unterschiedlicher Infrastrukturen, etwa für Gas und Strom.
In der Architektur ermöglicht IT innovative Planungsmechanismen von der Ebene einzelner Häuser bis hin zu Planung und Analyse ganzer Regionen. Die Stadt Nürnberg beispielsweise arbeitet gerade im Rahmen eines Projekts mit der TU München zusammen, von dem Professo Werner Lang, Fakultät für Architektur der TUM, berichtete. Dabei wird das verfügbare Datenmaterial zu einem mittlerweile größtenteils nicht mehr genutzten ehemaligen Industriegebiet mit teils denkmalgestützter Bebauung zusammengefasst und mit verfügbaren Karten und Luftbildern integriert. Am Ende ergeben sich so neue Auswertungsmöglichkeiten und Einsichten. Diese sollen dann die Planung eines möglichst nachhaltigen Viertels erleichtern.
So scheint es vielen schon garantiert, dass sich durch IT Nachhaltigkeitswirkungen einstellen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Professor Klaus Töpfer, der als Leiter des Instituts for Advanced Studies on Sustainability in München sprach, sagte: „Man kann sich durchaus fragen, ob IT, die auf Dynamik angelegt ist, und Nachhaltigkeit, ein Konzept, das eher auf Bewahren setzt, zusammenpassen.“
Deutlicher artikulierte seine Zweifel Dr. Thomas Schauer vom European Support Center des Club of Rome. Schauer wies darauf hin, dass er nur für sich spreche, da der Club of Rome als Netzwerk grundsätzlich keine Mehrheitsmeinungen bilde, die dann jedes Mitglied offiziell vertritt. Zunächst gelte es zu berücksichtigen, so Schauer, dass die gern und auch auf diesem Kongress als gleichberechtigt dargestellten Nachhaltigkeitsdimensionen Ökonomie, Gesellschaft und Ökologie keinesfalls gleichberechtigt seien.
„Natur diskutiert nicht“, sagte Schauer. Er meinte damit wohl, dass eine zerstörte Ökosphäre jede weitere Diskussion über gesellschaftliche oder ökonomische Nachhaltigkeit erübrigen würde, weshalb die Menschheit besser beraten wäre, deren Fortbestand ganz oben auf die Agenda zu setzen.
Dann kam er zur IT: „Bisher hat jede technologische Revolution am Ende die Menge der absolut produzierten und konsumierten Güter nur nach oben getrieben, und ich gehe nicht davon aus, dass das bei Informationstechnik anders ist“, sagte Schauer. Das aber könne auf Dauer nicht gutgehen, weil die Menschheit, insbesondere reichere, industrialisierte Länder und Bevölkerungsanteile, schon heute mehr verbraucht, als der Planet auf Dauer hergibt.
Zwar eröffne IT und Telekommunikation viele energiesparende und damit derzeit auch kohlendioxidsparende Möglichkeiten, meinte Schauer, zum Beispiel Videoconferencing als Ersatz für aufwändige Reisen. Allerdings werde die erwünschte segensreiche Wirkung nur dann eintreten, wenn sich flankierende Maßnahmen dazugesellten. Sie müssten sicherstellen, dass die via Videokonferenz oder durch andere IT-Effizienztechnologien eingesparte Kohlendioxidmenge nicht wieder durch neue Fahrten oder Konsumakte privater oder beruflicher Art kompensiert wird.
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