Firefox OS, das zunächst als „Boot To Gecko“ bezeichnete Betriebssystem für Smartphones der Mozilla Foundation, sorgte bei seiner Ankündigung im April für einigen Wirbel. Das OS basiert auf HTML5 und Mozilla behauptet, es sei schlanker und anspruchsloser als Android, zu dem es somit eine Alternative biete. Seit Anfang des Monats firmiert „Boot to Gecko“ als „Firefox OS“.
Die Telefonhersteller TCL und ZTE haben im Zuge der Umbennenung angekündigt, Smartphones mit Firefox OS auf den Markt bringen zu wollen. Der Mobilfunkbetreiber Telefónica will „Firephones“ in Brasilien ausliefern. Einen Prototyp hat das Unternehmen vor kurzem in London gezeigt. Jérôme Bouteiller, Redaktionsleiter Europa bei NetMediaEurope, hat für Silicon Frankreich mit Tristan Nitot, Gründer und jetzt Präsident von Mozilla in Europa darüber gesprochen, wie man Entwickler für das neue Betriebssystem gewinnen will.
Bouteiller: Die Mozilla Foundation hat ihr Projekt „Boot to Gecko“ gerade in „Firefox OS“ umbenannt. Aber kann man dabei wirklich von einem Betriebssystem sprechen?
Nitot: Selbstverständlich. Betrachtet man die Architektur, ist es genau so ein auf Linux basierendes Betriebssystem wie Android. Aber wir stützen uns auf Gecko, die Firefox Web Browser Layout Engine, um Anwendungen, die komplett in HTML5 geschrieben sind, laufen zu lassen.
Wir verzichten auf XUL, die XML User Interface Language, zugunsten von HTML5, einer Sprache, die alle Webentwickler kennen. Sogar native Anwendungen, etwa der Dialer oder das Adressbuch sind in HTML5 geschrieben, und Anwender werden sich den Quellcode anschauen können, um ihn zu prüfen.
Bouteiller: Mozilla wirbt für Firefox OS mit der schlanken Architektur und den geringen Anforderungen an die Hardware. Lässt sich das Betriebssystem auch für Tablets und günstige Laptops anpassen?
Nitot: Zu Beginn werden die Smartphones mit Firefox OS von Qualcomms handelsüblichen ARM-Prozessoren der Snapdragon-Reihe angetrieben. Technisch ist es daher möglich, Firefox OS für andere Displaygrößen anzupassen. Aber unser Hauptaugenmerk ist auf den Smartphone-Markt gerichtet, weil dort schneller mehr dieser Geräte verkauft werden können, als bei Computern.
Bouteiller: Microsoft und RIM tun sich mit ihrer Software schon sehr schwer, mit iOS und Android mitzuhalten. Denken Sie, der Markt braucht da wirklich noch ein weiteres Mobil-Betriebssystem?.
Nitot: Aber sicher. Die Frage bringt uns übrigens wieder an die Anfänge der Mozilla Foundation zurück: Wie Sie richtig sagen wird der Markt von Apple, dessen iOS komplett geschlossen ist und Google, dessen Android allmählich immer weniger offen ist, dominiert. Im Gegensatz zu den Herausfordern, die Sie genannt haben, geht es uns ja nicht darum, ein weiteres, geschlossenes System im Markt zu etablieren, sondern darum, mehr Offenheit ins Spiel zu bringen und am Ende das ganze Web auf Mobilgeräte zu bringen.
Firefox OS wird schon von einigen europäischen Mobilfunkbetreibern unterstützt – darunter die Deutsche Telekom, Smart, Sprint, Telecom Italia, Telefónica und Telenor – aber eben nur einigen. Werden „Firephones“ 2013 in weiteren Ländern erhältlich sein?
Nitot: In Frankreich kommen 2013 wohl keine Smartphones mit Firefox OS auf den Markt – wenngleich auch unsere Initiative von den französischen Mobilfunkbetreibern genau beobachtet wird. Unser engagiertestes Unterstützer ist derzeit Telefónica, mit dem wir planen, eine erste Smartphone-Linie der Hersteller ZTE und TCL in Lateinamerika, speziell in Brasilien, auf den Markt zu bringen.
Wir sprechen auch mit zahlreichen weiteren Netzwerkbetreibern und Carriern, aber noch nicht alle sind so weit, ihr Interesse auch öffentlich kundzutun. Daher kann auch ich dazu jetzt noch nicht mehr sagen.
Bouteiller: Firefox hat schon eine Application Store für seinen Browser. Wird man den zu einem echten App Store umbauen. Und wie will man Entwickler dafür gewinnen?
Nitot: Wir werden den Firefox Marketplace nutzen, um mobilen Nutzern Anwendungen für Firefox OS zur Verfügung zu stellen. Aber wir wollen dabei sehr offen vorgehen. Zum Beispiel können Anwendungen direkt von einer Website installiert werden, ohne den Umweg über den Marketplace zu gehen. Es wird mehrere App Stores geben und Anwendungen können dort kostenfrei eingestellt werden.
Natürlich werden wir auf der Basis von zehntausenden von Entwicklern für Firefox-Erweiterungen aufbauen. Aber unsere Ambitionen gehen weit darüber hinaus. Indem wir XUL aufgeben und auf Standards wie HTML5, CSS3 und JavaScript setzen, wollen wir hunderttausende von Web-Entwicklern dazu bringen, für Firefox OS zu entwickeln.
Sie brauchen sich dann nicht mit den Sprachen von Apple oder Google zu beschäftigen. Es reicht, eine Seite an das Format eines Smartphones anzupassen und sich möglicherweise zu überlegen, was man mit Funktionen wie GPS, Touchscreen und Beschleunigungssensor, die mit diesem Formfaktor einhergehen, alles anfangen kann.
Wir sind überzeugt, dass Developer unseren Ansatz überschwänglich begrüßen werden, den 75 Prozent der Anwendungen sind schon heute in HTML5 entworfen, es wurde lediglich eine Schicht darübergelegt, um sie an Smartphones von Apple oder Google anzupassen.
Bouteiller: Die Einnahmen der Mozilla Foundation stammen im Wesentlichen aus Vergütungen für Suchergebnisse von Google, der voreingestellten Suchmaschine im Firefox-Browser. Welches Geschäftsmodell will man für den App Store wählen?
Nitot: Das wissen wir noch nicht. Firefox-Add-ons sind kostenlos und solche für Firefox OS werden es ganz sicher auch sein. Die Kriegskasse, die wir uns mit den Einnahmen aus dem Firefox-Browser aufgebaut haben, erlaubt es uns, dass wir uns darüber derzeit noch keine Sorgen machen. Außerdem geht es jetzt gar nicht darum, Zahlen im Detail darzulegen: Firefox OS ist für Mozilla ein strategisches Projekt und wir hoffen, es wird bald eine ernstzunehmende Alternative in diesem Markt, indem sie ihm die Offenheit zurückgibt, die er braucht.
Jérôme Bouteiller ist Editorial Director von NetMediaEurope. Dieses Interview erschien zuerst in französischer Sprache bei Silicon.fr.
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