Am 29. August hat die deutsche Regierung den umstrittenen Gesetzentwurf zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger beschlossen. Er sieht vor, dass Suchmaschinenanbieter wie Google künftig für die Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen müssen, die wiederum die Urheber der Texte daran beteiligen sollen. Erwerben die Anbieter keine Nutzungslizenz, können die Verlage auf Unterlassung klagen.
Die Zahlungspflicht beschränkt sich nach dem Gesetzentwurf auf gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen und gewerbliche News-Aggregatoren, die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten. Die Neuregelung bringt damit keine Änderung der Nutzungsmöglichkeiten für andere Anwender und für Verbraucher. Blogger, Unternehmen der sonstigen gewerblichen Wirtschaft, Rechtsanwaltskanzleien, Verbände, private und ehrenamtliche Nutzer sollen auch in Zukunft online zugänglich gemachte Presseartikel nutzen können. Auch das Verlinken, Zitieren und das Lesen am Bildschirm ist weiterhin erlaubt.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte dazu: „Presseverleger sollen im Internet besser geschützt werden. Deswegen erhalten sie jetzt für ihre Online-Angebote ein eigenes Leistungsschutzrecht. Dieses gewährt Presseverlegern eine angemessene Teilhabe an den Gewinnen, die Suchmaschinenbetreiber und Anbieter von mit Suchmaschinen vergleichbaren Diensten erzielen, indem sie die Leistungen der Presseverleger nutzen.“
Die Internetwirtschaft sieht den Gesetzentwurf hingegen kritisch. Der Branchenverband Bitkom bemängelte vor allem die unscharfe Formulierung. So bleibe offen, was konkret mit den anderen Diensten gemeint sei, die „Inhalte entsprechend aufbereiten“. „Diese Rechtsunsicherheit wird dazu führen, dass innovative Online-Angebote im Bereich der Medienbeobachtung oder der Aggregation von Inhalten vom deutschen Markt vertrieben werden“, warnt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Es gebe weder einen gesellschaftlichen noch einen politischen Konsens über die Notwendigkeit dieses neuen Schutzrechtes sowie der sich daraus ableitenden Abgaben. „Die Diskussion darüber muss in der notwendigen Breite geführt werden, bevor ein von allen Seiten kritisiertes Gesetz durch den Bundestag gepaukt wird“, so Rohleder weiter.
Google selbst spricht von einem „schwarzen Tag für das Internet in Deutschland“. Unternehmenssprecher Kay Oberbeck sagte: „Das Suchen und Finden im deutschen Netz wird massiv gestört. Dieser Eingriff in das Internet ist weltweit ohne Beispiel.“ Das geplante Gesetz betreffe jeden Internetnutzer und bedeute weniger Informationen, höhere Kosten und massive Rechtsunsicherheit.
Inzwischen gibt es auch in Frankreich eine Initiative für ein Leistungsschutzrecht. Das berichtet die Wirtschaftszeitung Les Echos. In Deutschland sammelt hingegen die Piratenpartei Unterschriften gegen das Gesetz. ZDNet hat Ralf Bremer von Google zum Thema befragt.
ZDNet.de: Von den Initiatoren des Leistungsschutzrechts wird vorgebracht, dass es nicht möglich sei, bestimmte Inhalte von der Indexierung auszuschließen. Hierbei geht es vor allem um den Vorspann. Dessen Darstellung, so das Argument der Verleger, führe dazu, dass der Leser nicht mehr auf die Webseite des Anbieters klickt. Steht nicht mit dem tag „no-snippet“ genau dafür eine Möglichkeit zur Verfügung?
Ralf Bremer: Jeder Betreiber von Webseiten kann Snippets, wie in dem von Ihnen genannten Hilfe-Dokument beschrieben, abschalten. Es ist des Weiteren möglich, die Anzeige von Snippets nur für Google News auszuschließen, ohne die Anzeige von Snippets in der Web Suche auszuschließen. Der sogenannte „Nosnippet Tag“ erlaubt eine Differenzierung zwischen Google News und Google Web Search.
ZDNet.de: Wie beurteilen Sie den Sachverhalt, dass Dietrich von Klaeden, der beim Axel-Springer-Verlag die Leitung der Regierungsbeziehungen für Deutschland verantwortet und öffentlich vehement das Leistungsschutzrecht vorantreibt, über seinen Bruder Eckhart von Klaeden einen direkten Draht ins Kanzleramt unterhält. Ist Ihnen bekannt, wie groß der Anteil Eckart von Klaedens am Zustandekommen der Gesetzesinitiative in Sachen Leistungsschutzrecht ist?
Ralf Bremer: Kein Kommentar.
ZDNet.de: Wie beurteilen Sie die Entwicklung in Frankreich, wo die Union der nationalen Tagespresse (SPQN) den deutschen Gesetzesvorschlag in Sachen Leistungsschutzrecht begrüßt?
Ralf Bremer: Egal ob in Deutschland oder anderswo: Ein derartiges Gesetz träfe jeden Internetnutzer. Es bedeutet weniger Informationen, höhere Kosten und massive Rechtsunsicherheit. Die deutsche Internetgemeinde, Netzpolitiker aller Parteien, die gesamte deutsche Wirtschaft und führende Wissenschaftler lehnen dieses Unterfangen unisono ab.
ZDNet.de: Am 19. September veranstaltet das Bundesjustizministerium das „Zukunftsforum Urheberrecht“. Mit Dr. Arnd Haller, Leiter Recht Nordeuropa, ist Google dort auch vertreten. Was erhoffen Sie sich von dieser Veranstaltung?
Ralf Bremer: Google beteiligt sich wann immer möglich an Debatten zur Zukunft des Urheberrechts. Der Schutz des Urhebers von schöpferischen Werken muss auch im Internet erhalten bleiben. Das Urheberrecht sollte behutsam den Veränderungen der digitalen Welt angepasst werden, um auch denjenigen, die auf den Zugang zu Informationen angewiesen sind, gerecht zu werden. Ein modernes Urheberrecht schützt den Dichter und fördert den Denker. Damit Deutschland auch im Digitalen das Land der Dichter und Denker bleibt.
ZDNet.de: In Belgien hat Google Inhalte eines Anbieters aus seinem Index entfernt, da Strafzahlungen von 15.000 Euro pro Urheberrechtsverletzung drohten. Wird Google in Deutschland auf ähnliche Weise reagieren, sollte das Leistungsschutzrecht tatsächlich beschlossen werden?
Ralf Bremer: An derlei Spekulationen beteiligen wir uns nicht. Wir hoffen vielmehr, dass der deutsche Bundestag dieses Gesetz stoppen wird.
ZDNet.de: Wie beurteilen Sie die Auswirkung des Leistungsschutzrechts für die Internet-Wirtschaft am Standort Deutschland?
Ralf Bremer: Das Internet ist die “Dampfmaschine des 21. Jahrhunderts”, sagt das Institut der Deutschen Wirtschaft. Laut Bitkom sind schon heute elf Prozent der deutschen Arbeitsplätze vom Internet abhängig, also rund vier Millionen Jobs. Allerdings: Im gerade veröffentlichten Web-Index liegt Deutschland nur auf Rang 16, im Bereich Netzpolitik sogar nur auf Platz 23 von 61 Nationen. Durch das geplante Leistungsschutzrecht würde Deutschland auf diesem Zukunftsfeld noch weiter zurückfallen.
[Dieser Beitrag ist eine „Euro Story“ – eine ausgewählte Geschichte, die auf mehreren europäischen Sites von NetMediaEurope veröffentlicht wird.]
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