Ein Branchenverband von 41 europäischen Netzbetreibern verteidigt seinen umstrittenen Vorschlag, die Internet-Verwaltung der ITU zu übergeben. Zu den Mitgliedern der European Telecommunications Network Operators Association (ETNO) gehören unter anderem die Deutsche Telekom, Telefónica und Orange. Ihr schon im Juni eingereichter Vorschlag zielt vor allem darauf, die Anbieter von Inhalten für den Internet-Traffic bezahlen zu lassen.
Die Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU) ist eine UN-Sonderorganisation mit über 190 Mitgliedsländern. Kritikern gilt die vor 150 Jahren gegründete ITU als eine geschlossene Organisation: „Die Regeln und Abläufe der ITU mögen mit staatlich betriebenen Telekom-Monopolen funktioniert haben. Aber in einer Internet-Regulierung können sie nicht funktionieren.“
Schon Mitte des Jahres kam es zu Befürchtungen vor einer „UN-Übernahme des Internets“. Der Grund ist ein neues weltweites Telekommunikationsabkommen, über das während der World Conference on International Telecommunications (WCIT) verhandelt werden soll, die im Dezember in Dubai stattfindet. Dabei sollen Telekommunikationsvorschriften aus dem Jahr 1988 grundlegend überarbeitet werden. Länder wie China, Russland, Iran und Saudi-Arabien unterbreiteten dafür Vorschläge, die auf eine Zensur des Internets hinauslaufen.
Auch der Netzbetreiberverband ETNO sieht die Konferenz offenbar als Chance, seine eigenen Interessen durchzusetzen. Nach den Vorstellungen der Provider soll die ITU übernehmen und die gebührenfreie Gegenzugvereinbarung abschaffen, die bisher für den Datenverkehr zwischen den wichtigen Internet-Backbones gilt. Sie wollen das gebührenfreie Austauschmodell ersetzen durch das Prinzip „Sending Party Network Pays“ (SPNP). Das würde insbesondere die Anbieter von Internet-Inhalten mit hohem Datenvolumen – überwiegend keine EU-Unternehmen – mit entsprechend höheren Kosten belasten.
Die Provider argumentieren mit den zunehmenden Einnahmen, die Videoanbieter wie YouTube, Netflix und Hulu über ihre Netze erzielten – aber nicht zu den erforderlichen Netzwerkinvestitionen beitrügen. „ETNO fordert keine verstärkten Regierungsinterventionen“, verteidigt sich der Verband gegen Vorwürfe der Kritiker. Das widerspricht allerdings klar ihrem Vorschlagstext, der ein SPNP-Mandat vorsieht. Darin heißt es, dass die ITU-Mitgliedsländer „sicherstellen werden“, dass SPNP den gebührenfreien Austausch von Internet-Traffic ersetzt.
Kritik an diesem Vorhaben kommt nicht nur von bestehenden Internet-Organisationen, sondern auch aus der internationalen Politik. In den USA gibt es sogar während der heißen Wahlkampfphase einen überparteilichen Konsens, staatliche Eingriffe in die bestehende Internet-Verwaltung konsequent abzulehnen. Schon im Juni verabschiedete das Repräsentantenhaus eine einmütige Resolution. Sie bestätigte erneut „die klare Haltung der Vereinigten Staaten, ein weltweites Internet frei von Regierungskontrolle zu fördern und zu erhalten“.
Eine ähnliche Resolution steht zur Verabschiedung durch den US-Senat an. Der frühere demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry kritisierte dabei indirekt den ETNO-Vorstoß: „Wir stellen uns gegen diejenigen, die sich von der Welt genehmigen lassen wollen, das Internet in Länder zu balkanisieren, deren Regierungen die freie Meinungsäußerung zensieren oder Steuern auf die Übertragung von Daten über nationale Grenzen hinweg erheben können.“
Skeptisch verfolgen auch Vertreter der Entwicklungsländer die ETNO-Bestrebungen. Sie bezweifeln, dass die geforderten Gebühren wie behauptet der Finanzierung von Infrastruktur zugute kämen. Zu lange wurden extrem überhöhte Gebühren für internationale Telefongespräche berechnet, aber nur ein minimaler Teil der Einnahmen tatsächlich zur Verbesserung der Netze eingesetzt.
[mit Material von Larry Downes, News.com]
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