Tinkoff: Wie man Technologiefirmen in Russland gründet

Der mehrfache russische Unternehmensgründer Oleg Tinkov hat in London über seine neuesten Projekte berichtet, Tinkoff Credit Systems (TCS) und Tinkoff Digital (TD). Es sind noch relativ junge Unternehmen, aber ihr schnelles Wachstum beweist Chancen in der russischen Wirtschaft, die noch Bereiche ohne scharfen Wettbewerbsdruck kennt. Die Zahl der Internetnutzer in Russland soll bis 2016 auf 85,2 Millionen wachsen – das große Zielpublikum hat bereits heimische Internetriesen wie die Suchmaschine Yandex, Mail.ru und Ozon.ru hervorgebracht.

Oleg Tinkov in einem TV-InterviewZu Tinkovs Geldgebern gehört die Goldman Sachs Group. Im Gespräch mit Business Week dachte er vor Kurzem über einen Börsengang von TCS nach, der 350 bis 500 Millionen Dollar in die Kassen spülen könnte. Als Alternative nannte er einen möglichen Verkauf an Google, obwohl er nicht von Verhandlungen mit dem Suchkonzern berichten konnte.

Während seine neuen Firmen auf Informationstechnologie basieren, machte der auch im Radsport aktive Tinkov sein Geld in eher traditionellen Branchen, von Restaurants über Tiefkühlkost bis zu Unterhaltungselektronik. 1998 startete er mit einem Brauerei-Gasthaus in Petersburg, aus dem sich eine Gastronomiekette und eine Brauerei mit einem jährlichen Ausstoß von 2 Millionen Hektoliter Bier entwickelte. Er verkaufte mit Gewinn und sah sich nach neuen Gelegenheiten um.

Wie die Brauerei benannte er auch seine neuen Firmen mit „Tinkoff“, einer veränderten Schreibweise seines Namens. Tinkov sieht sich als wahrer Patriot. Er wurde in Sibirien als Sohn eines Bergmanns geboren und verdiente dank seines geschäftlichen Geschicks schon früh Geld durch den Import gefragter Produkte – von Jeans bis Tonerkartuschen. „Ich nutze gerne die Chancen, die wir in Russland haben“, sagte er. “ Es gibt keinen Wettbewerb, aber jede Menge Geld.“

Mit TCS gründete er 2007 eine Online-Bank, die sich auf Kreditkarten spezialisierte. Sie betrieb keine Filialen, erreichte aber 2,5 Millionen Kunden. Bezeichnend für das Unternehmen ist sein Umgang mit Informationen – drei von vier Mitarbeitern beschäftigen sich mit Analytics und IT, entwickeln Algorithmen und werten Zahlen aus. Tinkov hält offenbar nicht viel von Datenschutz – und er weiß zu nutzen, dass es in Russland noch lange kein Thema ist.

Tinkoff Digital (TD) gründete Tinkov vor vier Monaten und möchte es zum „führenden High-Tech-Player im russischen Werbemarkt“ ausbauen, wie CEO Anna Znamenskaya sagt. Laut Tinkov bietet der russische Markt Chancen im Display Advertising, da er nicht von einem einzigen großen Anbieter dominiert wird. Der noch junge und „unbearbeitete“ Markt war 2011 für Umsätze in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar gut und soll bis 2015 auf 4 Milliarden Dollar wachsen.

TD will über die wachsende Zahl der Mobilgeräte-Nutzer so viel Daten wie technisch und gesetzlich möglich sammeln, um sie mit Big-Data-Analytics für Marketingzwecke auszuwerten. Lernfähige Algorithmen sollen den Wert eines jeden Seitenaufrufs vorhersagen können. Anhand der Benutzerprofile sollen Inserenten in einem Auktionssystem auf die Chance bieten können, ihre Werbebotschaft zu zeigen – je wertvoller der Nutzer, desto höher das Gebot.

„Das sind in Wirklichkeit keine persönlichen Daten“, rechtfertigte Tinkov sein Vorgehen gegenüber TechWeekEurope. „Natürlich weiß Google, wonach Du suchst, es weiß, wer Deine Freunde sind. Aber es kennt Dich nicht als Person mit einem Vornamen und einem Nachnamen, du bist nur eine Nutzerkennung. Ich sehe darin kein großes Problem. Für mich ist es positiv, wenn Big Brother zu verstehen beginnt, wer wir sind, und uns nur die Werbung zeigt, die wir sehen sollten.“

[Mit Material von Max Smolaks, TechWeekEurope UK. Dieser Beitrag ist eine „Euro Story“ – eine ausgewählte Geschichte, die in mehreren europäischen Sites von NetMediaEurope veröffentlicht wird.]

ZDNet.de Redaktion

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