Anthropologin Kirsten Bell von der University of British Columbia hat in einem Bericht festgehalten, dass Apple ihrer Meinung nach alle Definitionspunkte für einen Kult oder eine Religion erfüllt. Als Material nutzte sie Videos von Produktvorstellungen und wohnte der Vorstellung des iPad Mini diese Woche im Auftrag von TechNewsDaily bei. Zuvor hatte die Wissenschaftlerin vor Ort über religiöse Bewegungen in Korea geforscht.
Bell arbeitet dabei drei Hauptpunkte ab. Erstens: Ein charismatischer Anführer wird nach und nach zum Gott erhoben. Zweitens: Die Anhänger durchlaufen einen Formungsprozess, während dem Überzeugungen erzwungen und Gehirnwäsche vorgenommen werden kann. Drittens: Anführer oder Herrscher nutzen die Gläubigen etwa ökonomisch oder sexuell aus. (Die meisten Religionswissenschaftler würden allerdings eine solche Definition höchstens auf Sekten anwenden.)
Den ersten Punkt sieht Bell durch die Apple-Manager während ihrer Keynotes erfüllt, die „sich an das Publikum wenden, um seinen Glauben wiederzuerwecken beziehungsweise zu stärken“. Außerdem könne eine Apple-Produktvorstellung nicht live übertragen werden (was auf die jüngste allerdings nicht zutrifft) – „wie viele heilige Zeremonien. Die Technik-Journalisten handeln als Zeugen und berichten über die von ihnen beobachteten Wunder in Liveblogs.“
Was Ausbeutung anbetrifft, so kommt hoffentlich nur ihr wirtschaftlicher Aspekt in Betracht. So hat Phil Schiller Mittwoch dieser Woche mit Bezug auf das iPad Mini gesagt, die Menschen seien bereit, Premium-Preise für ein Premium-Produkt zu bezahlen. Fragt sich allerdings, nach welcher Definition dies gleich Ausbeutung genannt werden kann – und was Bell mit der Andeutung bezweckt, Apple nehme Gehirnwäsche vor. Wer selbst glühende Apple-Fans (ebenso wie Linux-Jünger) kennt, weiß wahrscheinlich, dass diese Menschen sich selbst etwas eingeredet haben, was sie nun nach außen vertreten.
Inwiefern trifft Bells Analyse auf Apple zu, aber auf andere IT-Firmen nicht? Die Anthropologin dazu: „Apple verkauft mehr als ein Produkt. Wie seine Anzeigen zeigen, geht es vielmehr um eine vernetzte Lebenseinstellung.“ Falls das zutrifft, strebt allerdings Nokia mit seiner Devise „Connecting People“ ebenfalls Religionsstatus an, und Facebook ist dabei, einen virtuellen Tempel zu errichten.
Eine Ähnlichkeit von Apple und Religionen hatten übrigens schon 2011 Gehirnforscher nachzuweisen versucht. Laut ihrem Experiment regen Apple-Präsentationen ähnliche Gehirnbereiche an wie Gottesdienste.
[mit Material von Charlie Osborne, ZDNet.com]
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