ERP aus der Cloud: Anwender warten noch ab

In Deutschland wird sich bei den Investitionen in ERP-Systeme bis 2016 kaum etwas bewegen: 2013 erreichen die Ausgaben laut der Experton Group 256 Milliarden Euro. Das entspricht knapp elf Prozent der gesamten Aufwendungen von Unternehmen und Öffentlichem Dienst für Software. Dabei sind bei mittelständischen Unternehmen leicht ansteigende Investitionen zu erwarten, während sich die Ausgaben von Großunternehmen eher rückläufig entwickeln.

Wie ein Stimmungsbild unter 15 deutschen ERP-Anbietern anlässlich des ERP-Kongresses in Stuttgart ergab, zeichnen sich jedoch drei Trends deutlich ab: Big Data, Cloud-Lösungen und mobile Anwendungen. „Big Data steht für das stark ansteigende Volumen digitaler Datenmengen, die beispielsweise in der Telekommunikation, dem Energiesektor, der Wissenschaft oder auf den Finanzmärkten anfallen“, beschreibt die aktuelle ERP-Studie des Beratungsunternehmens Softselect das Problem.

Eine große Herausforderung für ERP-Entwickler, sagt Godelef Kühl, Vorstandsvorsitzender von Godesys, einem ERP-Anbieter für den Mittelstand: „Klassische Datenbanken und Analysewerkzeuge sind mit der Verarbeitung von unüberschaubaren und unstrukturierten Daten in den meisten Fällen überfordert.“ Es gelte, diese riesigen Datenmengen zu organisieren und darzustellen.

„Ein massiver Einsatz von Rechenleistung gepaart mit innovativen ERP-Systemen ist dazu nötig“, erläutert Kühl. Allerdings können Unternehmen diese Datenflut auch produktiv nützen. Das gilt etwa für die Daten, die in Sozialen Netzwerken anfallen, und vor allem für die Kommunikation über ihr Unternehmen, ihre Produkte und Marken. Diese können Unternehmen auswerten, um zeitnah und proaktiv auf Kritik und Wünsche der Konsumenten zu reagieren, wie die Softselect-Studie rät.

Cloud-ERP soll bis 2016 deutlich wachsen

Cloud-Lösungen bestimmen schon seit einigen Jahren die Diskussionen von ERP-Anbietern und –Anwendern. Die konkreten Nutzungszahlen geben allerdings das beträchtliche Interesse am Thema nicht her: „Im Vergleich zum ERP-on-Premise-Markt fallen die Investitionen in Software-as-a-Service-ERP (SaaS) noch relativ gering aus“, berichtet Frank Schmeiler, Analyst der Experton Group. „Sie stellen 2012 mit 83 Millionen Euro gerade einmal drei Prozent der ERP-Software-Investitionen dar.“

Das wird sich laut der Experton-Analyse jedoch schnell ändern: Bis 2016 soll dieser Anteil auf etwa 18 Prozent anwachsen. Allerdings steckten hinter so genannten Cloud-Lösungen im ERP-Bereich häufig einfache Hosting-Angebote. „Im Modell ERP-SaaS zahlt der Anwender einen Preis pro Anwender und Monat“, stellt Schmeiler richtig.

Die ERP-Anbieter sehen sich durch positive Perspektiven, wie sie etwa die Experton-Group aufzeigt, in ihrer Einschätzung von Cloud-Lösungen bestätigt: Cloud-basiertes ERP besteche vor allem durch Kostenersparnis und reduzierte Kapitalbindung, sagt etwa Godesys-Chef Kühl. Trotz dieser unbestreitbaren Vorteile von Cloud-Lösungen reagieren Anwender jedoch noch reserviert. Das zeigt der ERP-Trendreport, der am Center for Enterprise Research der Universität Potsdam von Professor Norbert Gronau und Corinna Fohrholz erstellt wurde: „Die Einstellung der Anwender kann insgesamt als sehr zurückhaltend und vorsichtig eingestuft werden, heißt es in der Studie, die in den nächsten Wochen veröffentlicht wird.

Wie aus einer Befragung von 106 ERP-Anwendern hervorgeht, wollen nahezu drei Viertel der Unternehmen die aktuellen Entwicklungen erst einmal abwarten. Mit zwei Prozent ist im Vergleich der Anteil der Anwender, die bereits Projekte realisiert haben, sehr gering.

Interesse an Cloud-ERP zeigen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, was auch die Anbieter registrieren: „Gerade im Mittelstand werden Cloud-Lösungen verlangt, mit denen die Betriebskosten und Wartungsaufwände reduziert und eine Immer und Überall-Verfügbarkeit erreicht werden können“, so die Einschätzung des ERP-Anbieters Wilken. Unterschiede in der Akzeptanz von Cloud-ERP zeigen sich nicht nur zwischen Unternehmen verschiedener Größe, sondern auch je nach Industriezweig: fertigungsnahe Branchen sind im Vergleich zu Handels- und Dienstleistungsunternehmen skeptischer gegenüber ERP-Anwendungen aus der Cloud, stellt der ERP-Trendreport fest.

Megatrend Mobility prägt auch ERP-Systeme

Angesichts einer gewissen Diskrepanz zwischen Anbietererwartung und Anwenderinteresse hinsichtlich Cloud ERP ist es verständlich, wenn etwa der Hersteller Mesonic Software kritisch bemerkt: „Zu diesem Zeitpunkt ist schwer vorhersehbar, ob dies nur ein weiterer Hype ist oder eine echte Alternative zur lokalen Datenhaltung.“ Über solche Zweifel ist der Megatrend Mobility, auch im Zusammenhang mit ERP-Software, erhaben.

„Der Wunsch, jederzeit ortsunabhängig auf seine Systeme zugreifen zu können, ist vor allem eine Folge der Veränderung hin zu einer flexiblen, den Bedürfnissen der Menschen angepassten Arbeitswelt“, erläutert Rüdiger Müller, Geschäftsführer von Diamant Software. Die ständig wachsende Verbreitung von Smartphones und Tablets zeigt längst Auswirkungen auf das professionelle Umfeld und den Umgang mit Business-Software. Mehr noch: Das mobile Arbeiten mit unternehmensweiten Anwendungen wird zum Überlebenskriterium für ERP-Anbieter. „ERP-Suites; auf die von mobilen Endgeräten nicht zugegriffen werden kann, werden sich langfristig nicht am Markt halten“, so Godesys-Chef Kühl.

Als bereits verbreitete Anwendungsbeispiele nennt Kühl die Erfassung von Betriebsdaten, das mobile Kommissionieren oder das Auslesen von Kunden- und Auftragsdaten per Smartphone durch den Vertriebsmitarbeiter. Der ERP-Trendreport zeigt, dass sich das Anwendungsspektrum darüber hinaus ausdehnt: Gefragt nach den Modulen, die sie für mobile Endgeräte anbieten, nennen die Hersteller mit 27 Prozent am häufigsten den Bereich Customer Relationship Management (CRM). Auf Vertriebsfunktionen entfallen 21 Prozent der Angaben. Finanzwesen und Lagerhaltung nennen elf beziehungsweise zehn Prozent der Befragten. Lediglich sechs Prozent der Anbieter verfügen über mobile Anwendungen für das Personalwesen.

Auch beim Thema Mobility fallen die Einschätzungen des Nutzerrinteresses zwischen Anbietern und Anwendern auseinander: Sehen rund ein Drittel der Anbieter ein hohes Interesse seitens der Anwender, zeigen nur gut ein Fünftel von diesen tatsächlich ein hohes Interesse, so der ERP-Trendreport. Als Gründe für diese Zurückhaltung gelten einerseits Sicherheitsbedenken, aber auch die Scheu davor, bestehende Abläufe und die ERP-Systemarchitektur zu ändern.

Wie der Report ebenfalls zeigt, kommen die Anwender von ERP-Systemen in Deutschland mit ihrer Standardsoftware gut zurecht. So gaben fast 90 Prozent der befragten Anwender an, mit dem aktuellen Systemanbieter oder Systemhaus zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. 67 Prozent halten das aktuell im Einsatz befindliche System für geeignet, um die Prozesse im Unternehmen abzubilden. Für die Wahl eines ERP-Anbieters kommt es den Anwendern vor allem auf die gebotene Funktionalität an. An zweiter Stelle liegen Durchgängigkeit und Übersichtlichkeit. Und als drittes Entscheidungs-kriterium werden die Erfahrungen mit dem Anbieter genannt.

Peter Marwan

Für ZDNet veröffentlicht Peter immer wieder Beiträge zum Thema IT Business.

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