ZDNet.de: Unser iPhone 5 hat schon nach einer Woche den Speed-Level im September 2012 von zweistelligen MBit/s-Werten auf zweistellige KBit/s-Werte, also auf ISDN-Niveau, herunter geschaltet, und zwar für den Rest des Monats. Am 1. Oktober 2012 kam dann der zweistellige MBit/s-Speed wieder zurück. Kann das so ähnlich auch einer ganzen Firma mit einem LTE-Router passieren?
Ralf Koenzen: Grundsätzlich ja. Gehen wir mal davon aus, dass der Router Ihnen bei optimaler LTE-Anbindung knapp 50 MBit/s nonstop netto aus dem Internet heranschafft. Nach einer Stunde Videostreaming oder Filesharing hätten Sie dann schon deutlich über 20 GByte heruntergeladen, nach etwa zweieinhalb Stunden über 50 GByte. Das übersteigt bereits das monatliche Volumen-Kontingent der teuersten LTE-Verträge für Endkunden. Je nach Provider werden Sie dann für den Rest des Monats entweder auf UMTS- oder auf ISDN-Geschwindigkeit herunter gedrosselt. Es empfiehlt sich also ein sehr bewusster und halbwegs sparsamer Umgang mit LTE. Gerade wegen der hohen LTE-Geschwindigkeiten können Sie sehr schnell an das Volumen-Limit Ihres LTE-Vertrages stoßen. Die nach wie vor recht teuren Tarife wirken einer vorschnellen Überlastung der LTE-Netze entgegen.
Speed ist nicht alles: Auch die Pingzeiten zählen
ZDNet.de: Wer mit dem iPhone 5 in einer optimalen LTE-Zelle surft, hat sofort ein zackiges Gefühl unter den Fingern. Gibt es dafür eine technische Erklärung?
Ralf Koenzen: Das zackige Gefühl kommt nicht zuletzt auch von den guten LTE-Pingzeiten. Die sind genauso wichtig wie die hohen Download- und Upload-Raten: Mit der Kombination von HSDPA und HSUPA, kurz HSPA, hat man die Pingzeiten, Latenzzeiten oder Round-Trip-Times der Datenpakete im Mobilfunk erstmals unter 100 Millisekunden gebracht. LTE bringt eine weitere Verbesserung auf 60 bis 20 Millisekunden. Letzteres taugt sogar für schnelles Online-Gaming. Doch auch das ganz normale Surfen fühlt sich mit so rasanten Reaktionszeiten sehr flüssig an. Voraussetzung ist natürlich ein guter Funk-Kontakt zur nächsten LTE-Basisstation.
Entfernung von der LTE-Basis-Station
ZDNet.de: Die vollen 100 MBit/s Download bei 20 Millisekunden Pingzeit bekommt man aber sicher nur in unmittelbarer Nähe zur Basis-Station?
Ralf Koenzen: So perfekte Werte bekommen Sie am ehesten bei einer direkten Sichtverbindung und bei einer kurzen Entfernung von wenigen hundert Metern zwischen Endgerät und Basisstation. Mit zunehmender Entfernung sinkt der Datendurchsatz und die Pingzeiten steigen. Am Rande der Funkzelle reißt die Verbindung irgendwann ganz ab. In einer völlig flachen Gegend kann eine LTE-800-Zelle einen Radius von 10 Kilometern oder mehr versorgen, eine LTE-1800-Zelle endet nicht selten bei 5 und eine LTE-2600-Zelle etwa bei einem Kilometer Radius. Die Netzbetreiber entscheiden je nach Topografie des Geländes und je nach erwarteter Verkehrsdichte in einer LTE-Zelle, wann und in welcher Entfernung ein LTE-Gerät eine Zelle verläßt und in eine benachbarte Zelle aufgeschaltet wird.
LTE von 800 bis 2600 MHz
ZDNet.de: Wozu braucht man drei verschiedene LTE-Frequenz-Bänder?
Ralf Koenzen: Die drei Bänder haben sehr unterschiedliche Eigenschaften, die sich gegenseitig gut ergänzen: Bei 800 MHz strahlt LTE sehr weit: Damit können die Netzbetreiber sehr große Funkzellen bis über 20 Kilometer Durchmesser bauen. Damit kann man dünn besiedelte Gebiete auf dem flachen Lande mit einer relativ kleinen Zahl von LTE-800-Basisstationen versorgen. Somit eignet sich diese niedrige LTE-Frequenz vor allem als stationärer DSL-Kabel-Ersatz mittels stationären LTE-Routern in den „weißen Flecken“ der Internet-Diaspora. Zudem dringen die tiefen Frequenzen bei 800 MHz besonders gut in Gebäude hinein. Insofern sind sie auch für die Indoor-Versorgung von Gebäuden in dicht bebauten Städten gut geeignet.
Je höher die Frequenz wird, desto kürzer wird die Reichweite der Funkwellen. Deshalb überzieht beispielsweise Vodafone das Land erst einmal mit 800-MHz-Funkzellen und plant den Rollout von 2600-MHz-Zellen erst im zweiten Schritt, wenn es in den 800-MHz-Zellen eng wird. Eine Vollversorgung von ganz Deutschland mit kleinen 2600-MHz-LTE-Zellen ist aus heutiger Sicht schlicht unbezahlbar. Man wird LTE-2600-Zellen im ersten Schritt nur an stark bevölkerten Hotspots wie Messen, Bahnhöfen und Flughäfen ausrollen. Momentan gibt es LTE-2600 von Vodafone nur vereinzelt in Düsseldorf, Berlin und Heiligendamm. Auch die zwei weiteren LTE-Provider haben es mit LTE-2600 noch nicht eilig.
LTE-1800 ist ein guter Kompromiss zwischen LTE-800 und LTE-2600. Bis Ende 2012 will die Telekom LTE-1800 in über 100 Städten ausrollen.
Bei allen Frequenzen gilt: Je näher sich der User an der Basisstation befindet, desto höher sind die Datenraten und desto flotter sind die Pingzeiten. Am Rande der Zellen dagegen tendiert der Datendurchsatz gegen Null. Bei einem lückenlosen LTE-Ausbau wird der Verbraucher aber rechtzeitig aus der „schlechter werdenden“ Zelle „in die nunmehr „bessere“ Zelle übernommen. Im besten Falle merkt der LTE-User beim Hand-Over nichts von diesen Zellwechseln.
ZDNet.de: Wie fügt sich Ihr LTE-Router in diese deutsche Frequenz-Landschaft ein?
Ralf Koenzen: Unser Router „LANCOM 1781-4G“ bedient alle in Deutschland relevanten Mobilfunkarten, insbesondere LTE bei 800, 1800 und 2600 MHz. Er ist ein so genanntes „User Equipment“ der Gattung „3GPP Release 8 Categorie 3“, schafft unter optimalen Messbedingungen also nominal 100 MBit/s im Download und 50 MBit/s im Upload, sofern die nationalen Netzbetreiber die dazu nötige Kanalbandbreite von 20 MHz nutzen: Das dürfen sie in Deutschland tatsächlich bei LTE-1800 und bei LTE-2600. Im 800-MHz-Bereich dagegen haben sie im Frühling 2010 bei der Bundesnetzbehörde nur Kanalbreiten von 10 MHz ersteigert. Diese schmäleren Kanäle ermöglichen mit den aktuellen LTE-Cat3-Endgeräten maximal circa 50 MBit/s im Downstream. Auf 800 MHz können wir den offiziellen LTE-Speed von 100 MBit/s also gleich wieder vergessen, da sind es eher 50 Mbit/s.
ZDNet.de: Aber zumindest bei 1800 und bei 2600 MHz sind die aktuellen LTE-Cat3-Geräte doch im Download mit 100 MBit/s fast doppelt so schnell wie VDSL-50? Und im Upload mit 50 MBit/s fast fünfmal so schnell wie VDSL-50?
Ralf Koenzen: Im Prinzip schon, falls Sie aktuell irgendwo noch eine völlig leere LTE-Funkzelle finden sollten, die zudem optimal per Glasfaser an das Internet angebunden ist.
LTE-800 für große Flächen
ZDNet.de: Welche Bedeutung hat LTE-800 in Deutschland?
Ralf Koenzen: Das ist vorerst das wichtigste Frequenzband. Es wird von allen drei LTE-Netzbetreibern großflächig ausgebaut, von Telefonica o2, Telekom und Vodafone. In zwölf von dreizehn mit Breitband unterversorgten Bundesländern ist die Ausbau-Verpflichtung der Bundesnetzagentur mit LTE-800 seit Oktober 2012 bereits erfüllt. Dort können die drei Netzbetreiber ihre ersteigerten LTE-800-Frequenzen jetzt frei nutzen, also auch in den großen Städten. Das war politisch so gewollt und völlig richtig: Zuerst das Land, danach die großen Städte mit LTE-800 zu versorgen! Auch im letzten der dreizehn mit Breitband unterversorgten Bundesländer, in Brandenburg, wird die Versorgungsauflage bald erfüllt sein.
ZDNet.de: Mit diesem raschen Ausbau von LTE-800 kann sich Deutschland doch auch international gut sehen lassen?
Ralf Koenzen: Durchaus! Es war sogar ein echter Glücksfall, dass durch die Umstellung auf das digitale, terrestrische Fernsehen namens DVB-T entsprechende Frequenzbereiche in Deutschland genau zum richtigen Zeitpunkt für das neue LTE frei wurden. Die können nun sehr sinnvoll für die Internet-Versorgung auf dem Land eingesetzt werden. Deshalb nennt man das 800-MHz-Band ja auch gerne die „Digitale Dividende“. Ansonsten wäre es nicht leicht gewesen, überhaupt noch genug freie Frequenzbereiche für LTE zu finden. Fast alle Frequenz-Bereiche sind in Deutschland ja schon anderweitig fest vergeben, etwa für Funk, Richtfunk, Radio, Fernsehen, Radar, Rettungsdienste und vieles mehr.
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