Jim Zemlin: Proprietäre Software ist zum Scheitern verurteilt

Jim Zemlin: Proprietäre Software ist zum Scheitern verurteilt (Bild: Jim Zemlin)

Anders als Linux-Gründer Linus Torvalds und dem Chef von Canonical Mark Shuttleworth, die beide ziemlich radikale Meinungen in Sachen Open Source vertreten, ist Jim Zemlin bekannt für seine moderaten Töne. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, markige Thesen zu formulieren. So sieht er zum Beispiel Geschäftsmodelle, die auf proprietärer Software basieren, zum Scheitern verurteilt.

Seine Arbeit in der 2007 gegründeten Linux Foundation umfassen Fördermaßnahmen für die Einführung von Linux in Unternehmen sowie die Unterstützung von Entwicklern. Ein Teil seiner Arbeit besteht darin, sicherzustellen, dass der freie und innovative Charakter von Open-Source-Software unverändert bleibt.

Zemlin glaubt an eine 100-Prozent-Open-Source-Welt, obwohl er zugibt, dass es noch eine lange Zeit dauern wird, dieses Ziel zu erreichen. Seine Vision für die Zukunft des Computing besteht im Kern in der Nutzung von freier Software. Er ist sich sicher, dass dies das Standard-Modell für Unternehmen sein wird, in einer Welt, die den Fokus von Produkten auf Dienstleistungen verschiebt. Anlässlich der LinuxCon, die Anfang November in Barcelona stattfand, sprachen die Kollegen von siliconNews.es mit dem Chef der Linux Foundation.


Fast alle Google-Produkte, von Android OS bis zur Suchmaschine, basieren auf Linux.

Die Linux Foundation hat mehr als 100 Mitglieder, darunter auch einige der führenden IKT-Unternehmen. Was ist der Hauptgrund für Unternehmen, der Linux Foundation beizutreten?
Einer der wichtigsten Gründe ist, dass für die überwiegende Mehrheit dieser Unternehmen der geschäftliche Erfolg von Linux abhängt. Zum Beispiel basieren fast alle Produkte von Google, von Android OS bis zur Suchmaschine, auf Linux. Jedes Jahr verkauft IBM Dienstleistungen in Höhe von mehreren Millionen Dollar, die auf dem freien Betriebssystem basieren. Ein großer Anteil der HP-Server-Infrastruktur, Geräte und Drucker basieren auf Linux. Für diese Unternehmen ist es wichtig, eine Organisation zu haben, die die Entwicklung von freier Software überwacht.

Wie sehen Sie die Zukunft des Computing?
Die Zukunft des Computing wird weg von Produkten hin zu Dienstleistungen gehen. In der Vergangenheit waren für Unternehmen der PC und die Softwarelizenzen Produkte. Letzteres ist der Fall bei Microsoft, die Produkte über Lizenzierung verkaufen. Wir bewegen uns jedoch zu einer Service-orientierten Welt, in der Hardware kein Produkt sein wird, das man kauft, sondern umsonst bekommt, wenn Sie einen Dienst abonnieren.

Können Sie uns ein Beispiel geben?
Amazon verliert Geld mit dem Verkauf des Kindle. Sie verdienen Geld mit Dienstleistungen. Google verschenkt Android und macht Geld aus Suche und Werbung. Statt eigene Hardware zu kaufen oder eigene Rechenzentren zu entwickeln, werden Dienste abonniert. Open Source sieht sich als ein Teil der Consumerization der IT.

Open Source bietet auch mehr Flexibilität.
Richtig, weil Sie es ändern können. Eine Linux-Modifikation treibt die Google-Suche an, eine andere Android. Wenn Google Microsoft-Produkte gewählt hätte, wären sie nicht in der Lage, Anpassungen vorzunehmen – zumindest nicht so schnell wie mit Open Source.

Die Open-Source-Bewegung und Linux im Besonderen zeigen, dass es einen schnelleren und besseren Weg gibt, um innovativ zu sein. Im Linux-Kernel ändert sich ein einzelnes Projekt bis zu 8 mal pro Stunde. Bis zu 10.000 Zeilen Code werden jeden Tag zum Kernel hinzugefügt. Kein anderer Entwickler kann dieses Tempo mitgehen.

Freie Software ist außerdem sehr günstig, und in einer Welt, wo Tablets verschenkt werden, ist es wichtig, dass die Entwicklung von Software kostengünstig ist

Können Sie sich eine 100-Prozent-Open-Source Welt vorstellen?
Wir kommen der Sache näher, zum Teil dank der Fortschritte von Linux. Ich denke, das Geschäftsmodell, das auf den Verkauf von proprietärer Software-Lizenzen basiert, wird scheitern. Es wird zwar eine Zeit dauern, bis es komplett verschwunden ist, aber wir sollten bald einen Rückgang sehen.

Wie passt Microsoft in diese Welt? Neben der Herstellung von proprietärer Software, hat das Unternehmen gerade seine Hardware-Strategie angekündigt?
Wenn Ihre Konkurrenten Software verschenken oder die Kombination von Software und Hardware, ist eine Lizenzgebühr von 75 Dollar schwer durchzusetzen. In vielerlei Hinsicht hatten sie keine andere Wahl, mit dem Verkauf von Hardware zu beginnen. Aber ich denke, das ist nur ein kleiner Aspekt einer großen Veränderung: Microsoft hat bereits einen eigenen App Store und plant zweifellos auch einen eigene Musik-Service …. kurz gesagt: Bald werden sie ein Ökosystem haben. Und wenn wir über Ökosysteme sprechen, sprechen wir über Dienstleistungen.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen für die Linux Foundation und deren Mitgliedsunternehmen?
Die größte Herausforderung besteht darin, kollaborative Geschäftsprozesse zu entwickeln. Wir sehen Unternehmen wie Toyota, Twitter und HP, wie sie Gruppen innerhalb ihrer Organisation schaffen, die spezialisiert auf die Verwaltung externer Entwicklungsressourcen sind. Ich denke, die größte Herausforderung ist es, überzeugend darzulegen, dass eine kollaborative Entwicklung der beste Weg ist, um Produkte und Dienstleistungen zu schaffen.

Wie sieht der Status von Linux in Spanien aus?
Schauen Sie sich um: Es ist schwer aus dem Konferenzraum zu kommen, bei all den Leuten hier. Es gibt in Spanien eine sehr begeisterte Entwickler-Community. Darüber hinaus hat Spanien Linux in seinem Bildungssystem eingeführt, und es könnte ein Early Adopter im Hinblick auf einen weit verbreiteten Einsatz in der öffentlichen Infrastruktur werden.

Aber es gibt noch viel zu tun.
Mitglieder der Stiftung haben eine Vielzahl neuer Dienste in den vergangenen zwei Wochen entwickelt, und die Unternehmen finden nicht genügend qualifiziertes Personal, um Veränderungen so schnell durchzuführen. Das Problem ist nicht, die richtige Infrastruktur zu finden, sondern die richtigen Leute. Die Zukunft von Spanien wäre besser mit Open Source. Wir möchten gerne dabei helfen, dass Menschen Teil des größten R&D-Netzwerks der Welt zu werden, damit sie neue Dienste und Lösungen entwickeln können. Ich denke, das könnte Tausende von Arbeitsplätzen schaffen.

[Mit Material von Max Smolaks, TechWeekEurope UK. Dieser Beitrag ist eine „Euro Story“ – eine ausgewählte Geschichte, die auf mehreren europäischen Sites von NetMediaEurope veröffentlicht wird.]

Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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