Grafikprozessoren sollen die Lücke zwischen Automobiltechnik und IT überbrücken

Es lenkt für uns, es hält uns in der Spur, es spricht sogar mit uns. Die technologische Entwicklung im Auto schreitet rasant voran, und im gleichen Tempo hält auch die Computertechnik immer stärker Einzug in das Fahrzeug. Innovative Technologien verbessern dabei die Sicherheit und steigern gleichzeitig das Fahrerlebnis. Satte Grafiken und Audio-Verarbeitung führen zu besseren 3D-Navigationssystemen. Leistungsstarke computergestützte Sicht- und Sensor-Systeme führen zu höherer Fahrsicherheit. Der Deutschen liebstes Kind wird immer mehr zum ultimativen PC auf vier Rädern.

Fahrzeug und Lenker sind online und vernetzen sich mit ihrer Umwelt. Dabei ist die Industrie sehr darauf bedacht, die Lücke zwischen der traditionellen Automobil-Elektronik und den neuesten Innovationen der Unterhaltungselektronik zu schließen. Denn Verbraucher stellen sehr hohe Erwartungen an die Technologie, die sie in ihren Autos nutzen möchten: Sie sollte genauso schnell, leistungsstark und grafisch ansprechend sein wie sie es von ihren PCs, Smartphones und Tablets kennen.

Das Visual Computing Module (VCM) mit Tegra-Prozessor von Nvidia, dass den Umgang mit IT im Auto grundlegend verändern soll (Bild: Nvidia).

Das Tempo der IT auf den Automobilbau übertragen

Das ist allerdings schwer, denn die Verbraucher sind in der Unterhaltungselektronik ein rasantes Entwicklungstempo gewöhnt und wollen daher auch keine veraltete Technologie in ihrem Auto. Genau in diese Lücke stößt Nvidia und schließt die Lücke zwischen Automobil- und Computerindustrie. Die Technologieschmiede ist das einzige Unternehmen, das mobile Prozessoren anbietet, die auch in Fahrzeugen eingesetzt werden können. Alle anderen bieten entweder Produkte an, die nicht für das Automobil geeignet sind oder sind Fahrzeug-Zulieferer, die nicht auf mobile Technologien fokussiert sind.

„Für die Automobil-Lösungen wählen wir die gleichen Produkte aus und passen diese entsprechend an – zum Beispiel für extreme Temperaturen, Vibrationen und Stöße – und liefern sie dem Automobilmarkt. Dadurch ermöglichen wir eine jährliche Aktualisierung der im Auto verbauten Technologie, die Hand in Hand mit den Neuvorstellungen in der Unterhaltungselektronik geht“, sagt Danny Shapiro, Director of Marketing Automotive bei Nvidia.

Um ein sichereres und komfortableres Fahrerlebnis zu schaffen, braucht es eine Computing-Plattform, die über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt und gleichzeitig energieeffizient arbeitet. Das Zauberwort heißt hier Visual Computing Module (VCM). Dieses Modul ist ein hochleistungsfähiges „Plug-in“-System mit einem Tegra-Prozessor. Automobilhersteller können so Infotainment-Systeme für das VCM und den Prozessor entwickeln, die am Beginn eines Design-Zyklus erhältlich sind und sie später während der Entwicklung mit dem neuesten Prozessor aufrüsten, ohne das gesamte System von Grund auf anpassen zu müssen.

Die VCM-Plattform kann für eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen genutzt werden: Infotainment- und Rückbank-Entertainment-Systeme mit realistischen 3D-Karten und -Terrains, Videos und Sound, fortgeschrittene Fahrassistenz-Systeme mit Augmented Reality zur Erkennung von Verkehrsschildern und toten Winkeln oder dem Erkennen von Hindernissen sowie Armaturenbretter mit präzisen digitalen, gerenderten Anzeigen.

Dieses Modul vereinfacht und beschleunigt die Entwicklung, die Logistik und den Einkauf der Automobilhersteller. Und VCM unterstützt verschiedene Betriebssysteme. Es können Microsoft Windows, Android, Linux, Genivi oder QNX genutzt werden – also alle, die im Automobilbau Rang und Namen haben. Alles Faktoren, die das Nvidia-System interessant für die Automobilindustrie machen.

15 Millionen Fahrzeugen fahren mit Nvidia

Danny Shapiro, Director of Marketing Automotive bei Nvidia (Bild: Nvidia).

Laut der Chip-Schmiede werkeln ihre Prozessoren weltweit bereits in mehr als 15 Millionen Fahrzeugen. Seit 2008 hat Nvidia Lösungen für 21 Autohersteller und 106 Modelle ausgeliefert. Zu den Partnern gehören alle großen Automobilhersteller, von Aston Martin, Audi, BMW, Citroën, Lamborghini über Maserati, Mini, Peugeot, Porsche und Rolls Royce bis hin zu Seat, Skoda, Tesla Motors, Volkswagen und vielen mehr.

„Wir sind die Partnerschaften mit den Automobilherstellern nicht nur wegen der Infotainment-Systeme eingegangen. Wir liefern Technologien, die das Fahrerlebnis durch intuitiv überschaubare sichtbare Displays und Advanced Driver Assistance Systems (ADAS) verbessern. Darunter befinden sich Technologien wie Fußgänger- und Tempolimit-Erkennung, Fahrspurwechsel-Warnung und Kollisionsvermeidung. Das Ziel ist es, den Fahrer bewusster und sicherer zu machen“, so Shapiro.

Aktuell wird in Fahrzeugen der Tegra-3-Prozessor verbaut, ein komplettes System-on-a-Chip (SoC), das man auch von Smartphones und Tablets kennt. Der Tegra 3 besteht aus einer Vierkern-ARM-CPU, einer Nvidia-GeForce-GPU und dedizierten Audio-, Video- und Bild-Recheneinheiten. Das heißt: Schnelle Anwendungssteuerung und hervorragende 3D-Grafik in Fahrzeugen bei gleichzeitig geringerm Stromverbrauch.

Bei Audi kommt der Chip ab 2013 in sämtlichen Infotainment-Systemen sowie digitalen Kombiinstrumenten zum Einsatz. Eine einfache Bedienung und realistische Grafikdarstellung sollen eine sicherere und intuitivere Fahrweise ermöglichen und dem Fahrer helfen, entscheidende Informationen mit einem kurzen Blick zu erfassen. In seinem Tesla S integriert der Elektroauto-Spezialist das mit 17 Zoll (43 Zentimeter) aktuell größte jemals in einem Auto verbaute Infotainment- und Navigationssystem, betrieben mit Nvidias VCM. Ein zweites Tegra-Modul arbeitet dort in der digitalen Instrumententafel.

Nächstes Ziel: das vernetzte Auto

Die Internetverbindung kommt noch über ein separates System im Auto. Allerdings hat Nvidia im Juni 2011 das Unternehmen Icera, einen Hersteller für Softmodem-Chipsätze, für 367 Millionen Dollar gekauft. Dessen Technik soll es im kommenden Jahr ermöglichen, Internetverbindungen direkt über den Tegra-Chipsatz aufzubauen.

Ein voll gerenderter Tacho und die 3D-Navigation werden vom Tegra unterstützt (Bild: Nvidia).

Aber Nvidia plant bereits weiter und denkt dabei an ein vernetztes Verkehrssystem. Shapiro: „Wir stehen an der Schwelle, dass aufregende Technologien Einzug in Autos und ihre unmittelbare Umgebung halten. Alle Autos werden zukünftig vernetzt sein, um Informationen zwischen dem Fahrer und der Außenwelt auszutauschen und um Informationen der Umwelt dazu zu nutzen, das Fahrerlebnis zu verbessern. Nvidia bietet momentan eine diskrete Modem-Lösung an, um das vernetzte Auto zu ermöglichen. In naher Zukunft wird diese Technologie in unserem SoC (System-on-a-Chip) integriert werden und Fahrzeugen ermöglichen, sich mit der Cloud, anderen Fahrzeugen und sonstigen Einrichtungen zu verbinden.“

Die Chipschmiede erwartet deutlich mehr Online-Angebote und entscheidenden Bedarf, Apps sicher zu integrieren. Es werden Apps kommen, die für die Anwendung im Auto und zum Fahren entwickelt sind, sprach- und gestengesteuert, sogar mit Gesichtserkennungsfunktionen. Dazu müssen Prozessoren allerdings Sprachantworten analysieren können und über eine extrem leistungsstarke Grafikberechnung verfügen. Aus Windschutzscheiben werden Head-up-Displays, die Augmented-Reality-Szenarien darstellen.

Derzeit arbeiten die Kalifornier zusammen mit Automobilherstellern an einer Vielzahl von Projekten für Fahrassistenz-System, die in Richtung autonomes Fahren gehen. Laut Shapiro wird die Einführung autonomer Fahrfunktionen allerdings schrittweise erfolgen. Die Prozessorleistung der Nvidia-Lösungen könne in Verbindung mit der steigenden Anzahl im Auto verbauter Kameras mittlerweile nicht nur „sehen“, sondern auch die Umgebung analysieren.

Noch ein Traum: autonome Fahrzeuge

Komplettes autonomes Fahren, so wie es Google mit Roboterauto in der Wüste und deutsche Wissenschaftler in Berlin schon in demonstriert haben, sei in der Praxis allerdings immer noch viele Jahre entfernt, so der Manager.

Seiner Ansicht nach werden jedoch zahlreiche Funktionen automatisiert werden. Zunächst können das Einparkhilfen, Spurhalte-Assistenten oder adaptive Geschwindigkeitsregelungen sein. Da aber Prozessoren immer leistungsfähiger werden, wird verstärkt visuelle Analyse stattfinden und weitere Funktionen ermöglichen. Man darf gespannt sein …

Auch im Infotainment-System des neuen VW Golf werkelt ein Tegra-Chip (Bild: Nvidia).
Peter Marwan

Für ZDNet veröffentlicht Peter immer wieder Beiträge zum Thema IT Business.

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