Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gestern entschieden (Az. III ZR 98/12), dass Telekommunikationsunternehmen bei Ausfall eines von ihnen bereitgestellten Internetanschlusses grundsätzlich Schadenersatz leisten müssen, sofern sie dafür verantwortlich sind. Ein Internetzugang sei für die Lebensgestaltung von zentraler Bedeutung, argumentierten die Karlsruher Richter. Ein Ausfall dieses Mediums mache sich im Alltag negativ bemerkbar – ähnlich wie ein kaputtes Auto.
Damit stellte sich der Bundesgerichtshof im Streit zwischen einem Kunden und einem Telekommunikationsunternehmen auf die Seite des Verbrauchers. Allerdings sprach er dem Kunden nicht den vollen Schadenersatz zu, den er wegen des Ausfalls von Telefon, Fax und Internet gefordert hatte.
Dem Telekommunikationsunternehmen war bei einer Tarifumstellung ein Fehler unterlaufen. Dadurch konnte der Kunde seinen DSL-Anschluss von Dezember 2008 bis Februar 2009 nicht nutzen. Der Anschluss wurde auch für Telefon- und Faxverkehr per Voice- und Fax-over-IP verwendet. Der Kunde hatte wegen Mehrkosten, die ihm durch den Wechsel zu einem anderen, teureren Anbieter und für die Nutzung seines Mobiltelefons entstanden, auf Schadensersatz geklagt. Dafür verlangte er 50 Euro pro Tag.
Dem Bundesgerichtshof zufolge muss „Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.“ Auf Deutsch: Schadensersatz gibt es nur für Wichtiges.
Dass der Kunde während des Ausfalls kein Fax versenden konnte, findet der BGH nicht wichtig. Ein Faxgerät vermittle „lediglich die Möglichkeit, Texte oder Abbildungen bequemer und schneller als auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden“. Im privaten Bereich, um den es in dem Verfahren ging, werde das Fax zunehmend durch den Versand von E-Mails mit angehängten Text- und Bilddateien verdrängt. Also steht dem Nutzer auch kein Schadensersatz zu.
Auch den Schadensersatzanspruch für den Ausfall des Festnetztelefons hat der BGH abgelehnt. Zwar sei die ständige Verfügbarkeit eines Telefons für die Lebensgestaltung von zentraler Wichtigkeit, die Verpflichtung, Schadensersatz zu zahlen, falle aber weg, wenn ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung stehe und der dafür anfallende Mehraufwand ersetzt werde. Im verhandelten Fall nutzte der Kläger ein Mobiltelefon und konnte so nur verlangen, dass ihm die dafür angefallenen zusätzlichen Kosten ersetzt werden.
Die Karlsruher Richter sehen lediglich für die über Telefon- und Faxverkehr hinausgehende Nutzung des Internetzugangs einen Anspruch auf Schadensersatz: „Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. … Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“
Der Kläger könne also Schadensersatz in Höhe der marktüblichen, durchschnittlichen Kosten verlangen, die in dem betreffenden Zeitraum für die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses mit der vereinbarten Kapazität ohne Telefon- und Faxnutzung angefallen wären. Die exakte Höhe muss jetzt das Berufungsgericht ermitteln, an das das Verfahren zurückverwiesen wurde.
[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]
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