HP-Chef: „Keine Innovation ohne Standardisierung“

IT wird bei den Innovationen der Zukunft die entscheidende Rolle spielen, ist der deutsche HP-Chef Volker Smid überzeugt. Doch Erfindungsreichtum, so warnte der Top-Manager anlässlich des Münchner Innovationsgipfels im Vorfeld der CeBIT, reiche nicht aus, um bei den kommenden Technologiewellen wie Smart Grid, E-Mobility, Cloud oder Big Data mitzuhalten. Das zeige der Erfolg des Internet und der sozialen Netze. „Der Masseneffekt ist hier nicht durch technologische Überlegenheit, sondern durch Standardisierung auf wenige, einfache Protokolle entstanden“, so Smid.

Davon allerdings sei beispielsweise bei E-Mobility wenig zu spüren. Hier rühre jeder Hersteller sein eigenes Süppchen. Das, so Smid, könne für die Industrie als Ganzes langfristig negative Folgen haben. „Wenn der Personenverkehr bis 2025 um 20 und der Güterverkehr um 70 Prozent zunimmt, brauchen wir dringend neue Modelle, die auf dem Einsatz standardisierter ITK-und und E-Mobility-Technologien beruhen und Mobilität als Dienstleistung begreifen.“ Hersteller, die das nicht verstünden, hätten, wenn Menschen das Auto nur noch als disponibles Fortbewegungsmittel verstehen, möglicherweise schlechte Karten.

„Wir müssen das Innovationstempo beschleunigen und standardisieren, um auf den Weltmärkten Erfolg zu haben“, sagte Volker Smid, Vorsitzender der Geschäftsführung bei HP Deutschland anlässlich des Innovationsgipfel 2013 in München (Bild: Ariane Rüdiger).

Im Energiemarkt verspreche hochstandardisierte IT, etwa in Form von Smart Metern, die intelligente Hausgeräte steuern, erhebliche Einsparungen. Bei einem Pilotprojekt mit normalen Haushalten, das ebenfalls auf dem Innovationsgipfel vorgestellt wurde, bezifferte ein Vertreter des Messstellendienstleisters ISTA die Einsparungen der Teilnehmer auf 14 Prozent. Eine Kontrollgruppe ohne intelligente Zähler und Steuerungsmöglichkeiten verbrauchte im selben Zeitraum zwei Prozent mehr.

Im Zusammenhang mit der Energiewende bemängelte Smid allerdings die Verteilung von Forschungsgeldern: „Wenn wir das mit der damaligen Förderung der Atomenergie vergleichen, wird der ITK-getragene Umbau zur Energiewende 2.0 nicht ausreichend finanziert.“

Als weitere Beispiele für notwendige, aber in Deutschland ins Schneckenhafte verzögerte ITK-Innovationseffekte nannte Smid bei seiner Ansprache in München Gesundheitswesen und Verwaltung. Durch ITK könnten, so Smid die Kosten des Gesundheitswesen um 30 bis 40 Prozent des Gesamtaufwandes von derzeit rund 270 Milliarden Euro sinken. Freilich geht es kaum voran.

„Die elektronische Gesundheitskarte wurde 2005 offiziell eingeführt, aber die ersten Versicherten bekommen sie jetzt“, nannte Smid ein Beispeil. Und schimpfte weiter: Die Verwaltung gebe 80 Milliarden jährlich für IT aus und unterhalte beispielsweise 16 Landes- und fünf Bundesnetze sowie zahlreiche Insellösungen. „Webfähige Cloud-Lösungen und Standardisierung könnten hier zwei Milliarden jährlich einsparen.“

Der Industrie stehe, so Smid, der in München auch als Vizepräsident des Branchenverbandes Bitkom auftrat, ein rasanter, von ITK getriebener Wandel zur „Industrie 4.0“ bevor. Kennzeichnend dafür sei einerseits das Internet der Dinge, in dem Sensoren, Maschinen und Fahrzeuge selbständig Informationen untereinander und mit Menschen austauschen, andererseits ein verändertes wirtschaftliches Umfeld: Produktzyklen werden verkürzt, die Varianz der einzelnen Produkte erhöht sich und statt hierarchischer Netzwerke aus Herstellern und Zulieferern entstehen firmen- und grenzübergreifende Wertschöpfungsnetze aus mehr oder weniger gleichberechtigten Partnern, die im Alltag vorwiegend über das Internet kommunizieren.

Damit der Wandel auch hierzulande schnell genug vonstatten gehe, um auf den Weltmärkten mithalten zu können, brauche man mehr Kooperation zwischen Industrie und Forschung. Derzeit gelte es vor allem, die Basis für das Internet der Dinge zu legen, und gerade hier seien die postulierte Zusammenarbeit und Standardisierung besonders dringend.

Wer nur auf offene Schnittstellen zwischen ansonsten unterschiedlichen, nicht standardisierten Systemen setze, befinde sich auf dem Holzweg: „Schnittstellen funktionieren meist nur zu 90 Prozent.“ M2M-Technologie biete große Effizienzpotenziale, beispielsweise bei der energetischen Optimierung von Logistikketten. Damit das Realität werden könne, sei in Deutschland unbedingt Breitband in der Fläche nötig – eine immer wieder erhobene Forderung, die nichtsdestotrotz nur äußerst zögerlich und inkonsequent umgesetzt wird.

Ob sich das mit Smids Brandrede ändert, darf getrost bezweifelt werden. Denn in einem anschließenden Workshop im kleinen Kreis zeigte sich, wo nach Ansicht von Industrievertretern wichtigsten Innovationshemmnisse liegen: In der fehlenden Bereitschaft potenzieller Kunden, für sinnvollere oder nachhaltigere Produkte tatsächlich mehr Geld auszugeben und in der gleichfalls fehlenden Bereitschaft industrieller Hersteller und Anwender, für langfristig überaus sinnvolle Innovations- oder Technologieprojekte, seien sie nun IT-getrieben oder nicht, längere Amortisationszeiträume in Kauf zu nehmen.

Peter Marwan

Für ZDNet veröffentlicht Peter immer wieder Beiträge zum Thema IT Business.

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