Mobile ERP: Der einzelne Nutzer steht im Mittelpunkt

„Das Smartphone oder Tablet immer mit dabei zu haben und geschäftlich zu nutzen, ist für Entscheider aus dem Mittelstand heute selbstverständlich. Der zunehmende Bedarf an Flexibilität macht dies erforderlich“, sagt Volker Edelhoff, Leiter des Produktmanagements im Geschäftsbereich kleine Unternehmen und Anwender bei Sage Deutschland. „Daher steigt auch die Nachfrage, wichtige Daten wie Geschäftszahlen oder Kundeninformationen aus dem ERP-System mobil abrufen zu können.“

Die durch eine Bitkom-Umfrage ermittelten Trendthemen des Jahres 2013 (Bild: Bitkom).

Eine ganze Reihe von Studien beliegt dieses Interesse an der mobilen Nutzung von Geschäftsanwendungen wie ERP- und CRM- Systemen auch bei kleinen und mittleren Unternehmen. „Aber die mobile Realität in mittelständischen Unternehmen ist durch eine gewisse Unübersichtlichkeit gekennzeichnet“, stellt Heiko Henkes fest, Leiter des Analysten-Teams des Beratungsunternehmens Techconsult. Das betreffe natürlich das Thema Sicherheit, aber auch die Art und Weise des Einsatzes von Apps und den Umgang mit Endgeräten.

„Interne Studien der Techconsult im deutschen Mittelstand belegen, dass Smartphones im Geschäftsalltag angekommen sind, aber selten zum wirklich produktiven Umgang mit Business Software genutzt werden“, berichtet Henkes. „Tablets sind noch wesentlich weniger stark ausgeprägt, haben aber eine enorme Wachstumsquote – speziell unter leitenden Angestellten und Führungskräften.“ Die Anwender in den Unternehmen seien sich jedoch nicht wirklich darüber im Klaren, welche Prozesse mobil verfügbar sein sollten, und welche nicht. Henkes kommt zu dem Ergebnis: „Mobile ERP ist noch nicht wirklich stark ausgeprägt.“

Wer auf Mobile-Strategie verzichtet, zahlt drauf

Was Henkes bei den Mittelständlern auf dem deutschen Markt feststellt, bestätigt eine aktuelle Studie der Marktforscher von Gartner mit Blick auf Unternehmen weltweit: Viele Firmen übereilen den Einstieg in mobile ERP-Nutzung ohne klare Zielsetzung und umfassende Mobility-Strategie. Der Grund sei die mangelnden Einsicht von Unternehmen, dass es sich bei Mobility um eine Geschäftsstrategie handelt und nicht nur um punktuelle Initiativen für mobilen ERP-Zugriff. Gartner sagt 60 Prozent der Fortune-1000-Unternehmen voraus, dass sie es bis 2014 nicht schaffen, eine umfassende Mobility-Strategie einzuführen. Das wiederum bedeutet: deutlich zu hohe Ausgaben für mobile Initiativen.

Bestandteil, oder vielmehr Voraussetzung einer umfassenden Strategie ist es laut Gartner, die existierenden Geschäftsprozesse und die IT-Architektur zu überdenken, um mobilen ERP-Zugriff zu unterstützen. Darüber hinaus empfiehlt Gartner, den Schwerpunkt auf die Nutzerfreundlichkeit der mobilen ERP-Lösung zu legen. Aus Sicht von Sage Software geht der Trend hier zu mobilen Endgeräten mit neuen und einfachen Bedienkonzepten, die den klassischen PC ersetzen – mit Touch, Stift, Bewegung und Sprache, die Maus und Tastatur ablösen.

Apps sind auch im Business-Einsaz beliebt

Peter Dewald, Geschäftsführer von Sage Software in Deutschland (Bild: Sage Software)

Auch die Art und Weise des Zugriffs auf Geschäftsanwendungen orientiert sich an der Nutzung mobiler Endgeräte im privaten Bereich: „Anwender von mobilen ERP-Systemen erwarten ganz ähnliche Bedienkonzepte wie von den Apps, die sie sonst verwenden“, berichtet Stefan Stille, Manager Solution Design des ERP-Anbieters Infor. Daher setze sein Unternehmen bei der Entwicklung von mobilen ERP-Anwendungen konsequent auf Apps, die die nativen Bedienkonzepte der mobilen Betriebssysteme nutzen. „Notebooks, auf denen herkömmliche Betriebssysteme laufen und die gegebenenfalls über einen Browser auf das ERP-System einer Firma zugreifen, sehen wir in diesem Zusammenhang aufgrund des Feedbacks unserer Kunden nicht als primäre Basis für mobile ERP-Anwendungen“, so Stille.

Auch für Sage sind Apps für mobile ERP-Anwendungen ein Thema, aber nicht ausschließlich: „Je nach Bedarf und Abhängigkeit vom Anwenderfall haben sowohl umfassende komplexe Programme wie auch im Funktionsumfang drastisch reduzierte Apps ihre Daseinsberechtigung“, sagt Peter Dewald, Geschäftsführer von Sage Software in Deutschland. „Kunden fordern leicht zu bedienende Systeme, egal ob sie eine App oder eine fest installierte Software nutzen. Diesen Anforderungen müssen moderne IT-Systeme Rechnung tragen.“

Eine One-Size-fits-all-App wird allerdings den unterschiedlichen Nutzerbedürfnissen nicht gerecht. „Rollenbasierte und dabei individualisierte Informationsbereitstellung ist ein Trend, der auch bei mobilen Anwendungen zu beachten ist“, fordert Stille. Sein Unternehmen Infor arbeite daran, mit seiner Bereitstellungs- und Management-Plattform Infor Motion vordefinierte Applikationen mit besonderem Zuschnitt auf industriespezifische Anforderungen auf beliebigen Endgeräten zur Verfügung zu stellen.

Auch der deutsche ERP-Anbieter Godesys hat in seinem neuesten Release Godesys ERP 5.5 auf individuelle Nutzerbedürfnisse reagiert: Durch die integrierte Open-Source-Anwendung Phonegap lassen sich die mobilen Anwendungen direkt auf die unterschidlcihen gängigen mobilen Betriebssysteme ausrollen.

Godelef Kühl, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Godesys (Bild: Godesys)

Trotz aller Überlegungen zur Nutzerfreundlichkeit mobiler ERP-Lösungen bleibt ein Thema so aktuell wie eh und je: die Sicherheit. Gartner empfiehlt in seiner aktuellen Studie nicht nur, Sicherheit zum Bestandteil der umfassenden Mobility-Strategie zu machen. Die Unternehmen sollten vielmehr auch die Unterscheidung zwischen der Datensicherheit und der Anwendungssicherheit treffen: Haben die Daten erst einmal die Unternehmens-Firewall überwunden und die mobilen Applikationen auf den Endgeräten erreicht, besäßen diese die volle Kontrolle über die Informationen, einschließlich Weitergabe an unautorisierte Nutzer.

Für Godesys bleibt unter dem Stichwort Sicherheit das Thema Cloud Computing ein anhaltender Trend, auch für die mobile Nutzung von ERP-Systemen: „Das Cloud-Modell ist besonders für den Mittelstand attraktiv“, betont Godesys-Geschäftsführer Godelef Kühl. „So erreichen Anwender das Maß an Sicherheit eines ausfallsicheren Rechenzentrums, was ansonsten für kaum einen Mittelständler bezahlbar wäre.“

Während bei diesen Szenarien der mobilen ERP-Nutzung die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens im Mittelpunkt stehen, denken mache Analysten schon über diese Grenzen hinaus. „In Zukunft werden unter dem Stichwort Mobile ERP auch Prozesse der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit per Smartphone oder Tablet gesteuert“, sagt Henkes. Ein Beispiel dafür sei die Vertragsgestaltung mit einem Rohstofflieferanten, die auch von den jeweiligen Marktentwicklungen- und preisen abhänge. „Solche Lösungen werden auch im Mittelstand eine große Rolle spielen.“

Peter Marwan

Für ZDNet veröffentlicht Peter immer wieder Beiträge zum Thema IT Business.

Recent Posts

Microsoft nennt weitere Details zu kostenpflichtigen Patches für Windows 10

Erstmals liegen Preise für Verbraucher vor. Sie zahlen weniger als Geschäftskunden. Dafür beschränkt Microsoft den…

15 Stunden ago

Microsoft verschiebt erneut Copilot Recall

Die Entwickler arbeiten noch an weiteren „Verfeinerungen“. Windows Insider erhalten nun wohl eine erste Vorschau…

1 Tag ago

GenKI im Job: Mitarbeitende schaffen Tatsachen

Laut Bitkom-Umfrage werden in jedem dritten Unternehmen in Deutschland private KI-Zugänge genutzt. Tendenz steigend.

1 Tag ago

97 Prozent der Großunternehmen melden Cyber-Vorfälle

2023 erlitten neun von zehn Unternehmen in der DACH-Region Umsatzverluste und Kurseinbrüche in Folge von…

1 Tag ago

„Pacific Rim“-Report: riesiges, gegnerisches Angriffs-Ökosystem

Der Report „Pacific Rim“ von Sophos beschreibt Katz-und-Maus-Spiel aus Angriffs- und Verteidigungsoperationen mit staatlich unterstützten…

2 Tagen ago

DeepL setzt erstmals auf NVIDIA DGX SuperPOD mit DGX GB200-Systemen

NVIDIA DGX SuperPOD soll voraussichtlich Mitte 2025 in Betrieb genommen und für Forschungsberechnungen genutzt werden.

2 Tagen ago