Die Bundestagsfraktion der Grünen hat bei der ARGE REGIO Stadt- und Regionalentwicklung GmbH ein Gutachten zu dem in den vergangenen Monaten verstärkt diskutiertem Thema geplante Obsoleszenz in Auftrag gegeben. Das Gutachten mit dem Titel „Gekauft, gebraucht, kaputt – vom viel zu kurzen Leben vieler Produkte“ wurde gestern in Berlin diskutiert.
In dem 100-seitigen Dokument, das ZDNet vorliegt, werden die wirtschaftlichen Voraussetzungen untersucht, die geplanten Verschleiß für Hersteller attraktiv und in der Praxis anwendbar machen. Außerdem führen die Autoren viele Beispiele auf, die angeblich geplanten Verschleiß zeigen. Zudem enthält das Gutachten Empfehlungen, wie die Politik Verbraucher davor schützen könnte.
Die Autoren des Gutachtens sind mit der Diskussion Vertrauten nicht unbekannt. Neben dem Studenten Janis Winzer und Professor Christian Kreis, der an der Hochschule Aalen Finanzierung und Wirtschaftspolitik lehrt, gehört dazu auch Stefan Schridde. Der Betriebswirt ist vor allem als Initiator der Initiative Murks? Nein Danke! in Erscheinung getreten und hat durch Interviews und Auftritte in den Medien die Diskussion maßgeblich ins Rollen gebracht.
In dem Gutachten wird der Begriff „geplante Obsoleszenz“ sehr weit gefasst: Neben technischen Tricks, um die Lebensdauer von Produkten zu begrenzen, subsumieren die Autoren zum Beispiel vor allem in der IT- und Elektrobranche auch den durch geschicktes Marketing geförderten Austausch von eigentlich noch funktionsfähigen Produkten darunter. Das geht vielleicht ein bisschen weit, schließlich ist niemand verpflichtet, neue Produkte zu erwerben.
Auch manche der Schlussfolgerungen stehen auf wackeligen Füßen: So ist es zumindest mit den im Gutachten gelieferten Material etwas vermessen, die durchschnittlichen Ausgaben eines Vier-Personen-Haushalts von 1964 für Rundfunk-, Fernseh-, und Phonogerate auf (61,36 Euro) mit den Ausgaben von 2010 für (Rundfunkempfangsgeräte, Fernseher, Videogeräte, TV-Antennen, Datenverarbeitungsgeräte und Software, Foto-, Filmausrüstung und optische Geräte) in Höhe von 384 Euro pro zu vergleichen und daraus indirekt den Schluss zu ziehen, dass die Versechsfachung zu einem guten Teil auch auf geplante Obsoleszenz zurückzuführen ist.
Das verkennt völlig die gewandelte Bedeutung dieses Bereichs für die Verbraucher: Während 1964 viele gerade mal ein Radio aber noch nicht mal ein Festnetztelefon hatten, kann bei einem durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt heute von mindestens einem Fernseher, mehreren Mobiltelefonen, und Digitalkameras, mindestens einem PC und unter Umständen einer Spielkonsole mit dazugehöriger Software ausgegangen werden. Der Vergleich hinkt in der Form also.
Strategien der Hersteller bei Design und Architektur
Interessant sind dagegen die aufgezeigten Strategien, mit denen Hersteller in Design und Architektur ihrer Produkte dafür sorgen, dass ihnen einen begrenzte Lebensdauer beschieden ist. Schade ist allerdings, dass die Autoren des Gutachtens in den allermeisten Fällen keine stichhaltigen Beweise dafür liefern können, dass es sich nicht um Schlamperei oder unsachgemäße Produktentwicklung handelt, sondern um gezielt und von langer Hand vorbereitete „Sabotage“ am Produkt: Denn belegter Vorsatz würde ein rechtliches Vorgehen sicher erheblich erleichtern.
Die sehr kritisch eingestellten Autoren des Gutachtens kommen zwar zu dem Schluss: „Insgesamt dürfte die Verbreitung von geplanter, gewollter oder billigend in Kauf genommener Obsoleszenz erheblich sein. Es handelt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um ein Massenphänomen. Ein sehr großer Teil der Produkte unseres alltäglichen Lebens durfte davon betroffen sein.“ Allerdings müssen sie auch einräumen: „nach Auskunft von Ingenieuren mit jahrzehntelanger Praxiserfahrung ist wirklich absichtlich geplanter, bewusst gewollter vorzeitiger Verschleiß von Produkten durch Einbau von Schwachstellen sehr selten.“
Als weiteres Negativbeispiel nennt das Gutachten Apples MacBook Pro, weil dessen Gehäuse beziehungsweise die eingebauten Komponenten verklebt sind. Ein Austausch von Komponenten oder eine Reparatur werde dadurch erheblich erschwert oder verteuert, weil selbst für kleine Arbeiten eine Fachwerkstatt in Anspruch genommen werden müsse. Dasselbe gilt laut den Experten von iFixit übrigens auch für den neuen iMac sowie für Microsofts aktuelles Tablet Surface Pro.
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