Das Europaparlament hat heute über eine Resolution zu den Spähaktionen amerikanischer und britischer Geheimdienste abgestimmt. Obwohl sie scharf formuliert ist, fällt die insgesamte Reaktion der Europäischen Union relativ verhalten aus. Die Abgeordneten verurteilten die Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA und verlangten die Einstellung der Überwachungsprogramme, konnten sich aber nicht zu klaren Maßnahmen durchringen.

Sie entschieden sich nicht einmal zur Einsetzung des vielfach geforderten Sonderausschusses. Lediglich eine Arbeitsgruppe des bestehenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten und Justiz soll sich eingehender mit dem Thema beschäftigen und zum Jahresende einen Bericht abliefern. Auch einen Aufschub der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, wie von Grünen und Linken gefordert, soll es nicht geben.

Während sich sozialdemokratische Vertreter dieser Forderung teilweise anschlossen, wollten konservative und liberale Abgeordnete die europäischen Wirtschaftsinteressen keinesfalls mit dem Geheimdienstskandal vermengen. Auch die holländische Abgeordnete Sophie In’t Veld sprach sich für die ab kommenden Montag angesetzten Verhandlungen aus – aber die EU solle dabei „absolut klar machen, dass wir kein Abkommen mit einem Partner unterzeichnen können, dem wir nicht völlig vertrauen können.“

„Ich will keine Argumente mehr über nationale Sicherheit hören“, sagte sie zu den Rechtfertigungen für PRISM und die umfangreichen Überwachungs- und Spähprogramme des US-Geheimdienstes NSA. „Soll es vielleicht eine Frage ’nationaler Sicherheit‘ sein, wenn die EU-Büros in Washington verwanzt werden? Umfassende Überwachung von Millionen unschuldigen Bürgern dient der ’nationalen Sicherheit‘? Ich akzeptiere das einfach nicht mehr.“

„Die USA dringen systematisch in unsere Wohnungen, unsere Botschaften und unsere Institutionen ein“, sagte der italienische Abgeordnete Salvatore Iacolino. „Aber es wäre falsch, die Verhandlungen zwischen der EU und den USA zu blockieren, die gerade auf den Weg gebracht wurden, da es die Bürger der Europäischen Union doppelt bestrafen würde.“ Er schlug stattdessen vor, den intensiven Datenaustausch mit den USA einzuschränken, der beispielsweise Passagierdaten im Flugverkehr betrifft.

Fast noch größere Empörung löste bei vielen Abgeordneten die Überwachung des Internetverkehrs durch die britische geheimdienstliche Abhörzentrale GCHQ (Government Communications Headquarters) aus. „Die Auslandsspionage der USA ist unschön, aber nicht illegal“, sagte der FDP-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff gegeüber dem Tagesspiegel. „Die Briten dagegen haben europäisches Recht gebrochen.“

Mit dem britischen Spähprogramm Tempora beschäftigt sich laut Reuters auch die EU-Kommission. Einer anonymen EU-Quelle zufolge versuche sie „einzuschätzen, ob Tempora unter europäisches Recht fällt.“ Die britischen Aktivitäten könnten demnach gegen die Datenschutzrichtlinie der Europäischen Union verstoßen. Kommt die Kommission zu dieser Feststellung, kann sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien einleiten.

Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat den britischen Außenminister aufgefordert, den Umfang des Programms zu erläutern. „Die Tatsache, dass die Programme angeblich der nationalen Sicherheit dienen, bedeutet nicht, dass alles erlaubt ist“, sagte sie. „Es muss ein Gleichgewicht geben zwischen den verfolgten Zielen und den Auswirkungen auf grundlegende Rechte, insbesondere das Recht auf Privatsphäre.“

[mit Material von Zack Whittaker, News.com]

ZDNet.de Redaktion

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