Edward Snowden: NSA spioniert auch mit deutscher Hilfe

Auch deutsche Behörden und Telekomfirmen beteiligen sich offenbar intensiv an den Überwachungs- und Spähprogrammen des US-Geheimdienstes NSA. Das erklärte PRISM-Enthüller Edward Snowden in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. „Ja natürlich“, antwortete er auf die Frage nach der Beteiligung deutscher Politiker oder Behörden. „Die stecken unter einer Decke mit den Deutschen, genauso wie mit den meisten anderen westlichen Staaten.“

Das Interview führten Dokumentarfilmerin Laura Poitras und Verschlüsselungsexperte Jacob Appelbaum, bevor Snowden mit seinen Enthüllungen an die Öffentlichkeit ging. Der Whistleblower führte dabei aus, dass der amerikanische Auslandsgeheimdienst und der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) enger als bislang bekannt zusammenarbeiten. Die NSA habe dem BND beispielsweise Programme für das Ausspähen ausländischer Datenströme geliefert, wobei insbesondere der Nahe Osten im Visier sei.

Laut Snowden wurde bei dieser Zusammenarbeit darauf geachtet, dass die Politiker der mit der NSA kooperierenden Länder nicht allzuviele Einzelheiten kennen. Das „Foreign Affairs Directorate“ der NSA organisiere die Zusammenarbeit so, dass Behörden anderer Länder „ihr politisches Führungspersonal vor dem Backlash schützen“ können, wenn die massive Missachtung der Privatsphäre von Menschen herauskomme. Personen werden Snowden zufolge meist „aufgrund etwa des Facebook-Profils oder der eigenen E-Mails als Zielobjekt markiert“.

Die deutsche Mitwirkung hat zudem historische Dimensionen und geht offenbar auf Geheimverträge mit den westlichen Siegermächten zurück. Edward Snowden beschreibt eine noch intensivere Überwachungspraxis durch die britische geheimdienstliche Abhörzentrale GCHQ (Government Communications Headquarters). Der britische Geheimdienst strebe mit seinem Programm Tempora eine Komplettdatenspeicherung an, bei der Verbindungsdaten bis zu 30 Tage und auch alle Kommunikationsinhalte bis zu drei Tage lang gespeichert werden: „Dieser Zwischenspeicher macht nachträgliche Überwachung möglich, ihm entgeht kein einziges Bit.“ Der Whistleblower nannte es den ersten „Ich speichere alles“-Ansatz („full take“) in der Geheimdienstwelt.

Edward Snowden sitzt offenbar noch immer im Transitbereich des Moskauer Flughafens fest. Nachdem er sich bei insgesamt 27 Staaten um Asyl bewarb, boten ihm die südamerikanischen Staaten Bolivien, Nicaragua und Venezuela Schutz an. Venezuelas Präsident versprach ihm „humanitäres Asyl“ und Schutz vor der Verfolgung durch das „mächtigste Imperium der Welt“ – die nur erfolge, weil er die Wahrheit ausgesprochen habe.

Die Asylangebote sind auch ein ausdrücklicher Protest gegen die erzwungene Flugumleitung für die Maschine des bolivianischen Präsidenten beim kürzlichen Rückflug aus Moskau. Er wurde zur Landung in Wien gezwungen, weil Frankreich, Portugal und Italien die Überflugerlaubnis verweigerten. Spanien distanzierte sich von dieser Aktion, obwohl es offenbar ebenfalls dazu gedrängt wurde, weil angeblich Whistleblower Snowden an Bord sei. „Sie sagten uns, dass sie sicher seien … dass er an Bord war“, erklärte Spaniens Außenminister José Manuel García-Margallo. Er gab dabei keinen Hinweis, wen er mit „sie“ meinte.

ZDNet.de Redaktion

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