Gebrauchte Software: Bundesgerichtshof lässt klare Worte vermissen

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich im Streit zwischen Oracle und Usedsoft erneut mit der Zulässigkeit des Vertriebs von gebrauchter Software befasst. Die Richter haben gestern das von USedsoft angefochtene Urteil des Oberlandesgerichts München aufgehoben und das Verfahren an das Gericht zurückverwiesen. Dieses soll nun prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen der Weiterverkauf von Softwarlizenzen erlaubt ist, in dem umstrittenen Fall erfüllt sind.

Usedsoft-Geschäftsführer Peter Schneider (Bild: Usedsoft)

Da das Urteil gegen Usedsoft aufgehoben wurde, sieht sich das Unternehmen selbstverständlich als klarer Sieger. „Die Liberalisierung des Softwarehandels ist von enormer Bedeutung für die gesamte europäische Wirtschaft“, so Usedsoft-Geschäftsführer Peter Schneider in einer Pressemitteilung. „Dass wir dieses Ziel nun erreichen können, ist deshalb nicht nur ein Erfolg für Usedsoft, sondern für alle Unternehmen in der EU, die nun rechtssicher von geringeren Softwarepreisen profitieren können.“

Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass die zum Weiterverkauf erforderliche Erschöpfung des Verbreitungsrechts des Urheberrechtsinhabers nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig ist. Dazu gehöre unter anderem, dass der Softwarehersteller dem Käufer das Recht eingeräumt hat, die Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen. Ferner kann sich der zweite Käufer der Kopie eines Computerprogramms nur dann zu Recht auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts berufen, wenn der Ersterwerber seine Kopie unbrauchbar gemacht hat. Alle vom EuGH formulierten Bedingungen würden laut Schneider allerdings von Usedsoft von Anfang an erfüllt.

Usedsoft gewinnt – aber Rückzugsgefechte werden nicht ausbleiben

Aus der Entscheidung des Europäische Gerichtshof geht – so der Bundesgerichtshof weiter – hervor, dass der Käufer einer Lizenz für gebrauchte Software rechtmäßiger Käufer einer Programmkopie ist, der vom Vervielfältigungsrecht Gebrauch machen darf, wenn zwei weitere Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muss das Recht zur Verbreitung der Programmkopie erschöpft sein, zweitens der Weiterverkauf der Lizenz mit dem Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden sein.

Der Weiterverkauf der Programmkopie setzt allerdings nicht voraus, dass ein Datenträger übergeben wird. Ein solcher Weiterverkauf könne auch vorliegen, wenn der Kunde die ihm verkaufte Kopie der Software von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers herunterlädt. Dieser Punkt ist eine eindeutige Niederlage für Oracle, sah man sich doch gerade dadurch in einer Sonderposition im Vergleich zu den meisten anderen Anbietern.

Laut Bundesgerichtshof greifen die Usedsoft-Kunden jedoch durch den Download in das ausschließlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung der Computerprogramme ein. Da Usedsoft seine Kunden durch das Angebot von Lizenzen aus zweiter Hand zu diesem Eingriff veranlasst, könne das Unternehmen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls seine Kunden nicht zur Vervielfältigung der Programme berechtigt sind.

Die Usedsoft-Kunden können sich allerdings laut Bundesgerichtshof „möglicherweise“ auf eine Regelung im Urheberrechtsgesetz berufen, die Artikel 5, Absatz 1 der Richtlinie 2009/24/EG in deutsches Recht umsetzt und daher richtlinienkonform auszulegen ist. Demnach bedarf die Vervielfältigung eines Computerprogramms – solange nichts anderes vereinbart ist – nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist.

Die Folgen des kleinen Wörtchens „möglicherweise“

Auf Anfrage von ZDNet wollte Oracle zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine Stellungnahme abgeben. Begründung: Man nehme zu einem laufenden Verfahren grundsätzlich keine Stellung. Das ist eine, bei großen, börsennotierten Unternehmen, häufig geübte Praxis.

Allerdings weist sie in diesem Fall auch auf die weitere Strategie hin: Da das Oberlandesgericht jetzt noch einmal mit der Beweisaufnahme beginnen muss, kann sich das Verfahren hinziehen. So lange es läuft, besteht für Oracle und andere Anbieter, die sich gegen den Weiterverkauf ihrer Software sperren, die Möglichkeit, im Einzelfall mit dem Totschlagargument „ungeklärte Rechtslage“ zu drohen.

Letztendlich wird zwar auch das Münchner Urteil zugunsten von Usedsoft ausfallen. Aber die Softwarhersteller haben noch einmal Zeit gewonnen, um wie bisher Kunden zu verunsichern: Das Wörtchen „möglicherweise“ in der BGH-Entscheidung liefert ihnen dazu die Steilvorlage. Der kann zwar aus formalen Gründen keine Tatsachenentscheidungen fällen und muss deshalb das Verfahren an die Münchner Richter zurückverwiesen. Etwas klarere Worte durfte man sich aber aus Karlsruhe doch wünschen.

Peter Marwan

Für ZDNet veröffentlicht Peter immer wieder Beiträge zum Thema IT Business.

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