NSA überwacht US-Bürger durch „geheime Hintertür“

Ein weiteres von Edward Snowden enthülltes Geheimdokument zieht die Beteuerungen von Präsident Barack Obama und anderen Regierungsvertretern in Zweifel, wonach der US-Geheimdienst NSA nur Ausländer und nicht auch die Kommunikation im Inland überwacht. Tatsächlich habe die National Security Agency eine „geheime Hintertür“ geschaffen, um auch ohne richterliche Anordnung vertrauliche Telefongespräche und E-Mails von US-Bürgern durchsuchen zu können, die laufend in ihren massiven Datenbanken gespeichert werden, berichtet der britische Guardian.

Gemeint ist eine rechtliche Hintertür, mit der die gesetzliche Vorgabe für den Auslandsgeheimdienst NSA umgangen wird, keine US-Bürger oder andere Personen auszuspionieren, die sich in den Vereinigten Staaten aufhalten. Zu finden ist sie in einem geheimen Glossar für Agenten der NSA-Abteilung Special Source Operations (SSO), die von PRISM-Whistleblower Snowden als „Kronjuwel“ der Behörde bezeichnet wird. Sie soll für alle Überwachungs- und Spähprogramme wie PRISM zuständig sein, die in Zusammenarbeit mit Partnerfirmen auf US-Kommunikationssysteme zielen.

In diesem Dokument ist die Rede von „am 3. Oktober 2011 genehmigten Vorgehensweisen, die jetzt den Einsatz der Namen und anderer Identifikatoren von US-Personen als Suchbegriffe erlauben, wenn FAA-702-Daten gesichtet werden“. FAA 702 bezieht sich auf das Spionagegesetz FISA Amendments Act (FAA) und seine Ermächtigungen im Abschnitt 702. Es regelt unter anderem den Umgang mit umfangreichen Daten von US-Bürgern und sich in den Staaten aufhaltenden Personen, die durch die Überwachungsprogramme der NSA angeblich „beiläufig“ und nicht absichtlich eingesammelt werden.

Die US-Behörden haben sich offenbar durch geheime Interpretationen von FAA 702 Schlupflöcher geschaffen, um die vorgeblich strikten Regelungen zum Schutz der Privatsphäre auszuhebeln. Identifikatoren bezeichnen im NSA-Jargon Informationen, die sich einzelnen Personen zuordnen lassen, also beispielsweise Benutzernamen Telefonnummern, E-Mail-Adressen, IP-Adressen sowie ihre Namen.

Der gegenüber dem „überwachungsindustriellen Komplex“ kritisch eingestellte US-Senator Ron Wyden erklärte dazu gegenüber dem Guardian: „Wenn die Kommunikationsinhalte von Amerikanern einmal gesammelt sind, dann erlaubt eine Gesetzeslücke, die ich das „‚Hintertür-Suche-Schlupfloch‘ nenne, der Regierung das potenzielle Durchforsten dieser Inhalte und ohne richterliche Anordnung die Suche nach Telefonanrufen und E-Mails von gesetzestreuen Amerikanern.“

Ein Bericht der New York Times deutet darauf hin, dass mehr Inhalte als bisher angenommen in die Datensammlung der NSA gelangen. Die Zeitung beruft sich auf hochrangige Geheimdienstmitarbeiter. Demnach erfasst der Auslandsgeheimdienst nicht nur Kommunikation, an der mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein ausländischer Teilnehmer beteiligt ist, sondern kann darüber hinaus jegliche Kommunikation erfassen, in der von bestimmten ausländischen Zielbegriffen die Rede ist.

Anlässlich dieser Berichte setzt sich die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation mit solchem Fintieren und irreführenden Wortspielen der US-Behörden auseinander. Vor den Folgen einer „Schleppnetz-Überwachung“ warnen die Bürgerrechtler der ACLU (American Civil Liberties Union), da es das Verhalten der Menschen verändere, wenn sie mit einer Durchsuchung ihrer Kommunikation rechnen müssen. „Sie werden zögern, bevor sie umstrittene Websites besuchen, über strittige Themen diskutieren oder politisch heiklen Fragen nachgehen“, sagte ACLU-Anwalt Jameel Jaffer. „Die einzelne Zurückhaltung mag wenig folgenreich erscheinen, aber in der Summe und im Lauf der Zeit wird es die Beziehung zwischen den Bürgern und zur Regierung verändern.“

[mit Material von Declan McCullagh, News.com]

ZDNet.de Redaktion

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