US-Heimatschutz plant Gesichtserkennung mit Überwachungskameras

Das US-Heimatschutzministerium hat ein Überwachungssystem entwickeln lassen, das Computer mit Videokameras verbindet, um durch automatische Gesichtserkennung einzelne Personen in einer Menschenmenge zu erkennen. Das geht aus Dokumenten hervor, die die Bürgerrechtlerin Ginger McCall durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz Freedom of Information Act (FOIA) erhalten und an die New York Times weitergegeben hat. Nach bisherigen Tests soll das System noch nicht für den polizeilichen Einsatz geeignet sein. Experten rechnen mit seiner Umsetzung erst in fünf Jahren, abhängig von den Entwicklungszielen wäre sie aber auch früher möglich.

Das Projekt läuft unter dem Namen Biometric Optical Surveillance System (BOSS). Es geht dabei darum, Gesichter in einer Menschenmenge mit einer Beobachtungsliste abzugleichen – beispielsweise mit Terrorverdächtigen bei großen Veranstaltungen wie der Parade zur Amtseinführung des Präsidenten. Das System könnte auch zur Verbrecherfahndung an öffentlichen Orten oder zur Identifizierung von Kartenbetrügern in Spielkasinos dienen.

Das System besteht aus zwei Türmen mit „robotischen Kameraaufbauten“, die über Infrarot- und Entfernungssensoren verfügen und Objekte aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln aufnehmen. Ein Computer verarbeitet die Bilder zu einer „3D-Signatur“, die zur Abgleichung mit Bildern aus einer Datenbank dient, wie aus den Dokumenten hervorgeht.

Das Rüstungsunternehmen Electronic Warfare Associates erhielt einen zweijährigen Entwicklungsauftrag, für den 5,2 Millionen Dollar aus dem US-Bundeshaushalt zugesagt wurden. Die Auftragsvergabe fädelte der einflussreiche republikanische Politiker Mitch McConnell ein – das Unternehmen hat eine Niederlassung in Kentucky, das er als Senator vertritt.

Die Entwicklung von BOSS begann ursprünglich als militärisches Projekt, bei dem es unter anderem darum ging, potenzielle Selbstmordattentäter bei Wahllokalen in Afghanistan und im Irak zu identifizieren. 2010 übernahm der Heimatschutz das Projekt mit der Absicht, es für den polizeilichen Einsatz in den Vereinigten Staaten weiterzuentwickeln.

Nach zweijähriger Entwicklung ließ das Heimatschutzministerium die Erkennungsleistung durch unabhängige Experten in einer Sportarena mit 30 Freiwilligen testen. Sie befanden, dass die Erkennung noch bei weitem zu unsicher und zu langsam erfolgte. Das Entwicklungsziel einer Erkennung mit 80 bis 90 Prozent Gewissheit aus einer Entfernung von bis zu 100 Metern wurde nicht erreicht. Die Verarbeitungszeit von rund 30 Sekunden erwies sich als ungeeignet für Sicherheitszwecke. Das Ministerium befand, das System sei noch nicht einsatzbereit für Polizeibehörden.

Die beauftragte Firma „arbeitet weiterhin an der Entwicklung von BOSS“, erklärte ein Ministeriumssprecher. Beteiligte Forscher berichteten gegenüber der New York Times von Fortschritten. Ein Biometrie-Spezialist der Michigan State University rechnet aber nicht mit einer schnellen Umsetzung: „Ich würde sagen, wir sind noch mindestens fünf Jahre davon entfernt, aber es hängt alles davon ab, welche Ziele sie sich gesetzt haben.“

Ginger McCall kam an die BOSS-Dokumente, während sie für die Bürgerrechtsorganisation EPIC (Electronic Privacy Information Center) tätig war. „Diese Technologie wird immer mit Anti-Terror-Maßnahmen begründet, aber dann läuft es auf andere Anwendungsszenarios hinaus“, sagte sie gegenüber der Times. „Wir brauchen eine echte Debatte darüber, ob und wie wir diese Technologie genutzt sehen wollen, und diese Debatte muss jetzt geführt werden.“

[mit Material von Nick Farrell, TechEye.net]

ZDNet.de Redaktion

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