vmworld 2013: VMware holt zum Rundumschlag aus

VMware hat noch Großes vor. Unter dem Slogan „Defy Convention“ – sinngemäß: Weg mit dem Gewohnten! – stimmte VMware-CEO Pat Gelsinger die Besucher der US-VMworld und, über Telekonferenz verbunden, die Teilnehmer einer Pressekonferenz in München, auf die Zukunft von Virtualisierung und IT ein. „Wir stehen erst am Anfang rasanter Veränderungen“, ist Gelsinger überzeugt – sein Unternehmen sieht er naturgemäß als Motor von vielem, was noch kommen soll. Schließlich habe VMware in seiner 15jährigen Geschichte schon oft genug erfolgreich technische Revolutionen angezettelt, erinnerte Robin Matlock, Vice President Corporate Marketing des Virtualisierungspioniers.

Die derzeit laufende Initiative heißt SDDC (Software Defined Datacenter) und soll Rechenzentren in voll automatisierte, lückenlos in die Public Cloud vernetzte Serviceproduktionsmaschinen verwandeln – alles mit Hilfe von VMwares Virtualisierungs- und mittlerweile auch Managementlösungen. Das SDDC-Konzept propagiert VMware schon seit geraumer Zeit, nun sind weitere Komponenten hinzugekommen.

Dazu gehören auf der Managementebene mit vCAC ein Selbstbedienungskatalog mit Lebenszyklusmanagement und ein mit Brocade realisiertes erweitertes Betriebsmanagement (vC Ops), das jetzt auch Log-Informationen in die Bewertung des Zustands der Infrastruktur einbezieht. Die neue IT Business Management Suite IT-Manager zu Servicebrokern machen, die alle Infrastrukturparameter aus der Vogelperspektive betrachten, sich die nötigen Dienste nach Bedarf aus allen möglichen in- oder externen Clouds zusammenklauben und auch wieder abbestellen.

Diverse Verbesserungen gibt es an Version 5.5 von vSphere, die in der ersten Hälfte 2014 zu erwarten ist. Die Leistung steigt, Hochverfügbarkeitsfunktionen lassen sich nun gezielt auf einzelne Applikationen anwenden. Mit Flash Cache können Anwendungen auf virtuellen Maschinen die im Server vorhandenen Flash-Ressourcen für ihre eigenen Zwecke nutzen. Ferner wurden Big-Data-Erweiterungen integriert, mit denen Big-Data-Applikationen direkt auf vSphere laufen können.

Jetzt auch Storage-Virtualisierung und SDN

Weitere Ankündigungen betreffen eine Beta-Version der Storage-Virtualisierungslösung VSAN und schließlich den Schwerpunkt der diesjährigen Ankündigungen: die Netzwerkvirtualisierungslösung NSX, die vor allem auf den Produkten der Akquise Nicira basiert. „Wir wollen dieselben Prinzipien, die wir bei Servern erfolgreich einsetzen, jetzt auch auf Storage und Netzwerke ausdehnen, wobei im Moment die Netzwerke im Vordergrund stehen“, erklärte Erwin Breneis, Lead Systems Engineer, Strategic Partner Accounts bei VMware. Dabei baue man auf die Kooperation mit rund 20 Partnern wie Brocade, F5, Arista und HP. Mittel dazu ist NSX, das man als VMwares Implementierung des SDN (Software Defined Networking)-Gedankens auffassen kann. Im Rahmen von NSX wird die Nicira-Lösung entweder als NSX-Switch oder als SDN-Controller im Rahmen einer SDN-Implementierung eingesetzt, dazu kommen Applikationen, die alle möglichen bisher gerätegebundenen Funktionen nachbilden: Switching, Routing, Loadbalancing, Firewalling, den Aufbau von VPNs und so weiter.

NSX lässt sich als VMwares Implementierung von SDN (Software Defined Networking) verstehen (Bild: VMware).

Während sich die NSX-Lösung in dem gerade entstehenden SDN-Markt etablieren soll, wildert VMware mit VSAN (Virtual SAN) direkt in den Märkten diverser großer und kleiner Wettbewerber. VSAN ordnet SSD- und Festplattenressourcen, die direkt an mit VMware virtualisierten Servern hängen, in vorher definierten anwendungsspezifischen Speicherpools, sogenannten Data Stores, zu. Deren Eigenschaften (Kapazität, Verfügbarkeit, Leistung ) kann man mit drei Schiebereglern per Wizard einstellen. Sie sind jeweils auf die Applikation zugeschnitten, die dort gespeichert werden soll.

„Zum ersten Mal kann der Administrator nun im Handumdrehen von der Applikation ausgehend Speicherressourcen konfigurieren“, erklärt Breneis. Auf die einzelnen Data Stores lassen sich ebenfalls applikationsspezifisch und regelbasiert Services wie Deduplizierung, Snaps, Replikation oder Verschlüsselung anwenden. Ab dem dritten Quartal gibt es VSAN als Public Beta, die volle Produktion läuft zusammen mit der Auslieferung von vSphere 5.5 an. Mutterunternehmen EMC und VMware wollen gemeinsam massiv in Software-definierte Speicherlösungen für kleine und mittlere Unternehmen auf Basis von VSAN und vCenter Server investieren, wofür auch gemeinsam Entwicklungslaboratorien und Testeinrichtungen aufgebaut werden.

VSAN virtualisiert direkt an Serverhardware angebundene SSDs und Festplatten und ordnet sie auf spezifische Applikationen ausgerichteten Data Stores zu (Bild: VMware).

Zusammen mit VMware haben eine ganze Reihe von Partnern in San Francisco neue Lösungen angekündigt, die sich direkt auf die neuen VMware-Produkte beziehen. Eine Auswahl:

  • Dell präsentiert seinen neuen, NSX-kompatiblen Switch S6000. Das 75000 Dollar teure Gerät soll als VXLAN-Gateway zwischen physikalischen Servern und mit NSX virtualisierten Netzwerkfunktionen dienen. Es eignet sich für die Montage am Ende oder in der Mitte einer Serverschrankreihe genau wie zur Top-of-Rack-Implementierung, bietet 2,56 TBit/s Durchsatz und maximal 32 40-GBit/s- Ports respektive 96 10-GBit/s- und acht 40-GBit/s-Ports.
  • Der SSD-Spezialist Fusion IO präsentierte in San Francisco ioVDI, eine Software, die mit Hilfe von Flash die Vorteile von Stateless Desktops auf persistente Desktops ausdehnen soll.
  • Nexenta, ein Anbieter von Speichersoftware, präsentierte VSA for VMware Horizon View. Horizon View ist eine Lösung, die Enterprise-Software auf virtuellen Desktops als App bereitstellt. Damit können Administratoren die Eigenschaften des Speichers für ihre VDI-Umgebung von einem zentralen Punkt aus anhand von Profilen definieren.
  • Der WAN-Optimierungsspezialist Silver Peak integriert seine Lösung Agility in NSX. Mit Agility lassen sich Verkehrsströme über eine einfach zu bedienende Schnittstelle steuern und Workloads über NSX optimal auf virtuelle Maschinen verteilen.
  • Citrix bietet mit Citrix NetScaler Control Center eine Implementierung seiner Skalierungslösung für VMware NSX an. Die Software sichert Cloud-Services und skaliert sie laut Hersteller im laufenden Betrieb auf bis zu fünffache Geschwindigkeit und 32fache Kapazität.

Trotz seines großen Erfolges hat wohl auch VMware verstanden, dass in der Cloud-Welt, die das Unternehmen durch seine Technologie selbst mit erschaffen hat, zukünftig eher die Serviceprovider als die Technologielieferanten den Ton angeben werden. Die logische Schlussfolgerung, die vor VMware schon Anbieter wie HP und IBM gezogen haben: VMware wird selbst Serviceprovider. In den USA betreibt man bereits drei Service-Rechenzentren, aus denen heraus Kunden von allem mit Burst-Services im Rahmen von Hybrid-Cloud-Implementierungen beliefert werden. Mit ähnlichen Angeboten will VMware im kommenden Jahr in Europa nachziehen. Wo allerdings die europäischen Rechenzentren stehen werden, ist noch nicht entschieden. Daran wird sich angesichts des gegenwärtig herrschenden Misstrauens gegen amerikanische Schnüffelei aufgrund der NSA-Enthüllungen möglicherweise entscheiden, wie erfolgreich VMware seinen Einstieg ins IT-Servicegeschäft zumindest in Deutschland gestalten kann.

Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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