Warum Apple jetzt wieder Google braucht

Einst waren sie Freunde, die sich gegenseitig auf die Schulter klopften. Dann wurde das Verhältnis zwischen Apple und Google durch den Aufstieg von Android torpediert. Eric Schmidt zog sich aus dem Aufsichtsrat von Apple zurück, während Steve Jobs Android den „thermonuklearen Krieg“ erklärte und Apple zum Gegenschlag ausholte, indem sie sukzessive Google-Dienste aus ihren Produkten entfernten.

Gerade diesen letzten Schritt muss Apple nun neu überdenken. Eine Erneuerung der Partnerschaft mit Google basierend auf den Diensten des Unternehmens würde dem Apple-Ökosystem ebenso sehr neue Energie verleihen, wie es die Produktankündigungen in dieser Woche tun. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines solchen Schrittes werden ambivalente Signale ausgesendet. Aber es ist ein Szenario denkbar, in dem eine Wiederbelebung der Beziehungen beiden Unternehmen zugutekommen würde und diese dennoch weiterhin als Repräsentanten der weltgrößten mobilen Geräteplattformen konkurrieren könnten.

Wenn man in dieser Woche den Hype um die neuesten iPhone-Meldungen verfolgt, sollte bedacht werden, dass Apple-Geräte nicht nur größere Displays, moderne Hardware und niedrigere Preise benötigen, um neue Märkte zu erobern. Nein, das was Apple-Geräte vor allen Dingen brauchen, sind Daten und Dienste. Das sind keine Angelegenheiten, die das Unternehmen von heute auf morgen entwickeln kann und sie gehören auch nicht zu dessen Kernkompetenzen. Dennoch ist Apple nun in einer Situation, in der sie clever kooperieren und den Partner zeitnah mit einbeziehen müssen. Darüber hinaus muss Apple Entwicklern tiefere Eingriffe in seine Plattform erlauben.

Das Business-Magazin Fast Company stellte in seiner „Oral History of Apple Design“ kürzlich fest: „Daten zählen zu den Hauptbestandteilen der Firmen Amazon, Facebook und Google. Diese Unternehmen wurden auf der Basis eines tiefen technischen Verständnisses über den Umgang mit riesigen Datenmengen aufgebaut. Apple besitzt nicht dieses Know-How.“

Seit Anfang 2010 benutze ich ein iPhone und ein Android-Smartphone täglich Seite an Seite. Im Verlauf des vergangenen Jahres habe ich dann immer mehr Zeit mit dem Android-Gerät verbracht, denn dieses System kennt mich einfach besser, es antizipiert regelmäßig meine Bedürfnisse und sorgt für eine reibungslosere Integration der Dienste, die mir wichtig sind.

Im Zentrum dieser Erfahrungen befindet sich Google Now – eine der ersten Anwendungen, die den Verbrauchern den Wert von Big Data vor Augen geführt hat. Apple kann das nicht kopieren. Sie verfügen nicht über die Datenmengen und die Fachkompetenz, um so etwas für sich einzufordern. Auch Google selbst könnte das zurzeit nicht auf das iOS-System replizieren. Es gibt zwar bereits eine iPhone-Version von Google Now, diese versteckt sich jedoch unauffällig in der Google Search App, sodass sie in ihrer Brauchbarkeit durch das mittelmäßige iOS-Benachrichtigungssystem eingeschränkt wird.

Das Problem besteht eben darin, dass sich Apple, aufgrund größerer geschäftlicher Differenzen, strafend gegenüber Partnern wie Google und Amazon verhält, indem es deren Dienste im iOS-Ökosystem in ihrer Funktionalität limitiert. In beiden Fällen hat Apple damit jedoch iOS und seinen Nutzern mehr geschadet als Google oder Amazon selbst.

Im Hinblick auf Google hat Apple jede Menge Aufwand betrieben, um die tiefe Verankerung der Google-Dienste -und Apps zu lösen. Das Unternehmen eliminierte beispielsweise die bereits in iOS integrierte YouTube-App und stoppte außerdem den Gebrauch von Google Maps. Mit jener Maßnahme beabsichtigten sie, ihre native Maps-App zu stärken und diese mit ihren eigenen Apple-Maps zu füttern. Die Aktion wurde jedoch zu einem funktionellen und PR-technischen Desaster. Google hat mittlerweile seine eigenen Drittanbieterversionen beider Apps veröffentlicht. Diese gehören zu den am meisten heruntergeladenen Gratis-Apps für das iPhone und das iPad. In beiden Fällen haben sie jedoch die tiefe Integration in iOS selbst verloren.

Im Fall von Amazon untersagte Apple bestimmten Anbietern, den E-Commerce-Händler in ihre iOS-Apps zu integrieren oder auch nur auf diesen zu verlinken – es sei denn, sie teilen ihren Umsatz mit Apple. Daraufhin mussten Internet-Unternehmen, die genau wie Amazon ohnehin mit geringen Gewinnmargen operieren, effektiv die Shopping-Funktionalität aus ihren Apps entfernen.

Für Amazon bedeutete dies, dass sie die Funktionalität zum Finden und Kaufen von E-Books aus ihrer Kindle-App entfernen mussten und darüber hinaus auch die Option zum Suchen und Erwerben von Hörbüchern innerhalb der Audible-App. Genau aus diesem Grund müssen Sie für entsprechende Online-Käufe nun den Umweg über den Browser gehen und diese dann über die App herunterladen. Das führt dann natürlich zu einer unangenehmen Nutzererfahrung.

Infolgedessen hat iOS auf dem Gebiet der tiefen Integration Boden an Android verloren. Auch die Thematik des umständlichen Erwerbs von Amazon-E-Books -und Hörbüchern in iOS ist problematisch (Bei Android ist es immer noch möglich, Kindle-E-Books und Audible-Hörbücher direkt über die jeweiligen Apps zu kaufen). Das größere Problem stellt jedoch die Tatsache dar, dass Android Entwicklern tiefere Eingriffe in das System gewährt als es Apple tut. Dies hat dann zwar gewisse Auswirkungen auf die Sicherheit und die Privatsphäre, allerdings gibt es dadurch auch bedeutende Funktionalitätsgewinne.

Ich selbst habe viele der erwähnten Apps und Dienste sowohl auf meinem iPhone als auch auf meinem Android-System installiert. In den allermeisten Fällen sind die iPhone-Versionen dieser Apps nicht nur besser konzipiert und werden regelmäßiger aktualisiert, sondern sind auch schöner anzuschauen. Dennoch tendierte ich im vergangenen Jahr immer mehr zu Android, da mir diese Plattform den Zugriff auf hervorragende Dienste, wie Evernote, Dropbox, Google Drive, Pocket, Twitter, Facebook, Google+, Flickr und so weiter, ermöglichte. In Android gibt es bereits Menü-Optionen zum Hochladen und Teilen von Dateien. Man kann außerdem problemlos von praktisch jeder Webseite, jeder App und jedem Dienst aus Dateien speichern. Man braucht also nicht für alles eine App, wie es beim iPhone der Fall ist. Die Android-Plattform beseitigt diese Umwege und bietet somit eine Reihe mächtiger Tools.

Daher ist es an der Zeit, dass Apple seine Partner nicht mehr davon abhält, leistungsfähige Funktionalitäten in iOS zu integrieren. Das Unternehmen sollte stattdessen mehr Firmen einen tieferen Eingriff in seine iOS-Plattform erlauben. Apple muss hierbei überzeugt werden, dass Google von diesen Firmen als erstes an der Reihe ist.

Google hat immer wieder erklärt, dass es vor allem einen größeren Gebrauch des Internets fördern will. Darüber hinaus produziert das Unternehmen kontinuierlich qualitativ hochwertige iOS-Apps – von Gmail über Google+ und Chrome bis hin zur Google Search App, die mit einer herausragenden Spracherkennung aufwarten kann. Aus diesen Gründen wird bei Google nicht viel Überzeugungsarbeit im Hinblick auf eine tiefere Verankerung in iOS vonnöten sein.

Außerdem kann sich Apple immer noch von Android abheben. Hierzu müsste sich das Unternehmen mit Microsoft und Yahoo darauf verständigen, dass diese ihr großes Publikum, ihre beliebten Dienste und ihre gewaltigen Datenmengen wirksamer und tiefgreifender für das iPhone einsetzen. Beide Firmen produzieren ebenfalls herausragende Apps. Wenn Apple Microsoft und Yahoo einen tieferen Einblick in ihre iOS-Möglichkeiten hinsichtlich der Verwendung ihrer Datenmengen gewährt, damit diese bessere Nutzererfahrungen produzieren, dann dürfte auch hier nicht viel Überzeugungsarbeit nötig sein.

Als Apple das iPhone im Jahr 2007 zum ersten Mal veröffentlichte, war es – abgesehen von einigen ausgewählten Partnern – für Fremdanbieter und deren Apps gesperrt. Erst als Apple seine Plattform ein Jahr später in höherem Maße für Entwickler öffnete, explodierte der Verkauf mobiler Apps und das iPhone setzte sich auf dem Markt deutlich von seinen Smartphone-Rivalen ab. Auch jetzt wäre es für Apple eine günstige Gelegenheit, seine Plattform für Entwickler zugänglicher zu machen. Dadurch wäre der Weg für weitere Innovationen frei und Apple könnte erneut einen großen Schritt nach vorne gehen. In dieser Hinsicht sollte der Silicon-Valley-Nachbar aus Mountain View der erste Ansprechpartner sein.

Das lange Auftauen des eisigen Verhältnisses zwischen Google und Apple war – gelinde ausgedrückt – von Unregelmäßigkeiten geprägt. Steve Jobs und Eric Schmidt trafen sich 2010 in einem Café. Larry Page besuchte Jobs 2011, als dieser auf dem Sterbebett lag. Tim Cook und Larry Page trafen sich angeblich im Jahr 2012, um über die Beilegung des Patentstreits zwischen den beiden Unternehmen zu sprechen.

Im Juli 2013 sagte Schmidt, er habe „jede Menge Respekt vor Apple“. Er deutete außerdem an, dass Google und Apple „mehr oder weniger konstante geschäftliche Gespräche über eine lange Liste von Themen“ führten und bezeichnete die beiden Firmen als „zwei stolze und gut geführte, aber unterschiedliche Unternehmen“.

Als Apple im Januar 2007 das iPhone ankündigte, bat Jobs ein paar besondere Gäste auf die Bühne. Damit wollte er zeigen, dass einige bedeutende Apple-Partner am iPhone beteiligt waren. Einer von ihnen war Googles damaliger CEO Eric Schmidt.

Bei der Vorstellung Schmidts sagte Jobs: „[Das iPhone bringt] das Internet zum allerersten Mal in Ihre Hosentasche. Natürlich assoziieren Sie das Internet sofort mit Google… Mit ihnen arbeiten wir an der Google-Suche… und an Google Maps. Wir haben sehr eng mit ihnen kooperiert, um das alles in die Tat umzusetzen und wir sind von den Resultaten begeistert.“

Ist in der Zwischenzeit zuvieles passiert, was eine erneute konstruktive Zusammenarbeit der beiden Unternehmen verhindert? Es ist für niemanden überraschend, dass Google immer noch bereit für eine Kooperation ist. Allerdings benötigt Apple Googles Partnerschaft nun mehr denn je. Das bereitet die Bühne für eine erneute Kollaboration, von der beide Firmen profitieren würden, ebenso wie Hunderte Millionen Nutzer.

[Der Beitrag erschien ursprünglich auf ZDNet.com, Übersetzung: Rainer Schneider]

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Rainer Schneider

Seit September 2013 ist Rainer hauptsächlich für ITespresso im Einsatz, schreibt aber gerne auch mal hintergründige Artikel für ZDNet und springt ebenso gerne für silicon ein. Er interessiert sich insbesondere für die Themen IT-Security und Mobile. Sein beständiges Ziel ist es, die komplexe IT-Welt so durchsichtig und verständlich wie möglich abzubilden.

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