EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hat für die nächsten Wochen eine Entscheidung angekündigt, ob es einen Kompromiss mit Google oder ein offizielles Kartellverfahren der Union geben wird. Vergangene Woche hatte Google sein Angebot an die EU nachgebessert. In einem offiziellen Verfahren drohen ihm bis zu 5 Milliarden Euro Strafe. Die Kommission ist aber selbst in solchen Fällen stets um eine Einigung bemüht, denn ein Verfahren kann sich Jahre hinziehen, und für Wettbewerber des beklagten Unternehmens kommt die Entscheidung oft zu spät.
Bei einer Rede in Florenz sagte Almunia, in der Tat hätten viele Start-ups schon von Googles Rolle als Hauptzugangspunkt für das Internet profitiert. „Gleichzeitig liegt es in meiner Verantwortung, sicherzustellen, dass Google seine Türsteherrolle in Europa nicht missbraucht, um eigene Dienste gegenüber Wettbewerbern zu begünstigen, die vielleicht ebenso innovativ sind. Die Zeit spielt eine wichtige Rolle, und ich werde in den nächsten Wochen eine Entscheidung treffen.“
Almunia ist Vizepräsident der europäischen Kommission und darin für den Wettbewerb zuständig. Er sieht für das weitere Vorgehen zwei Möglichkeiten. Zum einen könnte er Artikel 9 der EU-Antikartellregeln zur Anwendung bringen, um Googles Vorschläge rechtlich bindend zu machen. Zum anderen wäre eine offizielle Kartelluntersuchung gegen Google nach Artikel 7 möglich. Vorher ist aber noch eine Antwort mit Einwendungen vorgesehen, auf die zu reagieren Google Zeit eingeräumt werden muss. Google kann außerdem eine Anhörung beantragen.
Die EU hatte Googles erste Vorschläge Ende April veröffentlicht und Konkurrenten um Rückmeldungen gebeten. Mitte Juli sagte EU-Kommissar Joaquín Almunia dann, er erwartet weitere Zugeständnisse. Die bisherigen Vorschläge „sind nicht ausreichend, um unsere Bedenken zu zerstreuen“.
Googles Vorschläge vom April sehen vor, dass Anwender Googles eigene Dienste – beispielsweise Shopping oder Reisen – von den Suchergebnissen ausschließen können. Mindestens drei Konkurrenzfirmen würden außerdem stets in der Nähe von Google-Einträgen angeführt. Verlage sollen die Möglichkeit erhalten, Artikel als für Google News geeignet oder nicht einzustufen. Was andere Suchdienste angeht, will Google sie künftig nicht mehr indizieren. Schließlich soll es noch Erleichterungen für Werbetreibende geben, deren Kampagnen Google-Anzeigen und Angebote anderer Anzeigennetzwerke umspannen. Alle diese Maßnahmen verspricht das Unternehmen auf fünf Jahre in allen EU-Mitgliedsstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen einzuhalten, um so dem seit Jahren drohenden Kartellverfahren zu entgehen.
Obwohl Google sich selbst „ziemlich gute Arbeit“ attestierte, nannte die EU die Vorschläge „nicht ausreichend“. Und einer der vertikalen Konkurrenten von Google, der britische Preisvergleichsdienst Foundem, stufte die Maßnahmen als „ungeeignet“ ein. Er forderte die Kommission auf, sie abzulehnen.
Google kontrolliert nahezu 90 Prozent des Suchmarkts. Seit drei Jahren versucht die EU zu klären, wie sich dies insbesondere auf Konkurrenten in Nischenmärkten wie Reisedienste oder Preisvergleiche auswirkt und welche Maßnahmen dem Problem abhelfen können. Sollten die Verpflichtungszusagen von Google die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission zufriedenstellend ausräumen, kann die Kommission eine Entscheidung nach Artikel 9 der EU-Kartellverordnung 1/2003 erlassen und die Zusagen damit für Google für rechtlich bindend erklären.
Mit einer solchen Entscheidung nach Artikel 9 wird nicht festgestellt, dass ein Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften vorliegt, sondern Google wird damit rechtlich dazu verpflichtet, den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtungen kann die Kommission gegen das Unternehmen eine Geldbuße von bis zu 10 Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen die Kartellvorschriften feststellen zu müssen.
Bei der Strafverfolgung von nicht eingehaltenen Verpflichtungen zeigt sich die Kommission wenig zimperlich, wie die kürzlich ausgesprochende Strafe in Höhe von 561 Millionen Euro an Microsoft zeigt. Der Softwarekonzern hatte monatelang die Browserauswahlbox in Windows, zu der er sich selbst verpflichtet hat, „vergessen“ anzuzeigen.
Weitere Informationen:
i) – die Links zu seinen eigenen spezialisierten Suchdiensten zu kennzeichnen, damit die Nutzer sie von natürlichen Online-Suchergebnissen unterscheiden können;
– diese Links durch bestimmte grafische Elemente (z. B. mit einem Rahmen) deutlich von den anderen Online-Suchergebnissen abzusetzen;
– Links zu drei konkurrierenden spezialisierten Suchdiensten an einer für den Nutzer gut sichtbaren Stelle in der Nähe der Links zu den Google-eigenen Diensten zu platzieren;
ii) – allen Betreibern von Webseiten eine Opt-out Möglichkeit anzubieten, über die diese die Verwendung ihrer Inhalte in den spezialisierten Suchdiensten von Google ausschließen können, wobei Google sicherstellen wird, dass sich dieses Opt-out nicht nachteilig auf das Ranking der betroffenen Webseiten in den allgemeinen Google-Suchergebnissen auswirken wird;
– allen spezialisierten Suchdiensten, die sich auf die Produktsuche oder lokale Suche konzentrieren, die Möglichkeit zu bieten, bestimmte Kategorien von Informationen zu kennzeichnen, so dass sie nicht von Google indexiert oder verwendet werden;
– Zeitungsverlegern einen Mechanismus zur Verfügung zu stellen, mit dem sie Webseite für Webseite die Anzeige ihrer Inhalte in Google News kontrollieren können;
iii) – in seinen Vereinbarungen mit Verlegern diesen keine schriftlichen oder mündlichen Verpflichtungen mehr aufzuerlegen, die diese dazu zwingen würden, ihren Bedarf an Suchmaschinenwerbung ausschließlich über Google zu decken;
iv) – Werbetreibenden keine Verpflichtungen mehr aufzuerlegen, die diese vom plattformübergreifenden Management von Suchmaschinen-Werbekampagnen abhalten würden.
Quelle: EU-Kommission
[mit Material von Toby Wolpe, ZDNet.com]
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