Proofpoint hat für 23 Millionen Dollar in bar die Firma Sendmail und damit auch deren weit verbreiteten Mail Transfer Agent übernommen. Der Übernahme wurde bereits auf beiden Seiten von allen zuständigen Firmenvertretern zugestimmt, sie bedarf auch keiner weiteren Zustimmung der Aufsichtsbehörden, sondern tritt sofort in Kraft.
Mit dem Kauf von Sendmail bekommt der im E-Mail-Umfeld aktive US-Anbieter Proofpoint vor allem Zugriff auf das Sendmail-Entwicklerteam. Außerdem kauft er sich die Rechte an einer von ihm und anderen Firmen genutzten Technologie. Die als Sendmail bekannte Software ist zwar Open Source, das Unternehmen hat aber inzwischen einige zusätzliche Module entwickelt, die die regelbasierte Verteilung von automatisch generierten sowie auch von Menschen geschriebenen E-Mails und die Nutzung in Cloud-Szenarien sowie hybriden Cloud-On-Premise-Szenarien erlauben.
„Mit dem Kauf von Sendmail kommt Proofpoint in den Besitz dessen sicherlich zum Industriestandard gewordener Technologie und versetzt uns in die Lage die Lösung weiter zu verbessern, um die sich entwickelnde Nachfrage für Public- und Private-Cloud-Architekturen und die jeweils damit einhergehenden Sicherheitsanforderungen zu erfüllen“, erklärt Proofpoint-CEO Gary Steele in einer Pressemitteilung.
Die Wurzeln des an der University of Califonia in Berkeley entwickelten Sendmail MTA reichen bis 1980 zurück. Heute ist die Software neben Postfix und qmail in seiner Open-Source- und seiner kommerziellen Variante immer noch einer der am weitesten verbreitet MTAs, also in den meisten Mailservern für das Entgegennehmen und Versenden der Mails zuständig. Zahlreiche große IT-Unternehmen setzen die Software in ihren Produkten ein, viele andere Programme werben mit ihrer Kompatibilität zu Sendmail.
Proofpoint sagt zu, die Open-Source-Distribution von Sendmail weiterhin zu pflegen. Nach der Übernahme möchte das Unternehmen jedoch das Geschäftsmodell für die Sendmail-Plattform Sentrion, die man weiterentwickeln will, gründlich ändern. Bisher verkaufte Sendmail Appliances und Lizenzen. Proofpoint möchte nun für die Sentrion-Plattform ein Subskriptionsmodell einführen.
Man erhofft sich so einerseits, neue Kunden für Sendmail gewinnen zu können, andererseits aber auch die darauf aufbauenden Proofpoint-Angebote weiteren Kunden zu verkaufen. Der von Sendmail bisher betriebene Hardware-Verkauf wird dagegen offenbar so schnell wie möglich eingestellt.
Proofpoint wird von Branchenbeobachtern regelmäßig sehr positiv eingeschätzt. Das Unternehmen hat es seit Jahren in die begehrte rechte obere Ecke des Magic Quadrant von Gartner geschafft. Dieser Erfolg war ihm sowohl in seinem angestammten Tätigkeitsfeld Secure E-Mail Gatways beschieden, als auch im Bereich Enterprise Information Archiving. In dieser Gartner-Studie – die allerdings ein sehr heterogenes Anbieterfeld berücksichtigte – wird Proofpoint neben Symantec und IBM als einziger der untersuchten Anbieter als führend in dem Segment bezeichnet.
Diesen Erfolg verdankt das US-Unternehmen sicher auch seiner Konzentration auf das Thema E-Mail – und der Tatsache, dass ihm die schärften Wettbewerber in der Vergangenheit von Branchengrößen weggekauft wurden. So ging beispielsweise Ironport in Cisco auf, Brightmail wurde von Symantec übernommen und Postini von Google – dass damit aber nicht glücklich wurde und den Dienst derzeit gerade einstellt.
Bei Cisco und Symantec wurden die Zukäufe besser integriert und deren Kundschaft besser betreut. Wie so oft bei Übernahmen ging aber der Fokus etwas verloren, in einem großen, breit aufgestellten Unternehmen hat eine auf eine schmale Anwendung gerichtete Technologie traditionsgemäß wenig Chancen.
Davon profitierten in Deutschland neben Proofpoint vor allem regionale Anbieter, insbesondere der Münchner Anbieter Retarus und die Berliner Firma Eleven. Beide sind zwar in der stets stark US-geprägten Sicht der Gartner-Analysten nicht berücksichtigt, sollten aber auf dem deutschen Markt nicht unterschätzt werden – auch wenn offen ist, wie sich das Geschäft bei Eleven nach der Übernahme durch das amerikanische Unternehmen Commtouch mittelfristig weiterentwickelt.
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