CDU/CSU und SPD wollen gegen den Routerzwang durch Netzbetreiber vorgehen und die sogenannte Störerhaftung bei öffentlichen WLAN-Netzen beseitigen. Darauf haben sich die Netzpolitiker der Parteien in der Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“ im Rahmen der Berliner Koalitionsverhandlungen verständigt.
Die von Ex-Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und der Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU) geleitete Unterarbeitsgruppe spricht sich für eine gesetzliche Klarstellung hinsichtlich des sogenannten Netzabschlusspunkts aus. Auch die Bundesnetzagentur will Klarheit in der Frage, wo genau sich der Netzabschlusspunkt befindet. Bis heute konnten Verbraucher, Anwender, Verbände und Industrie sich zu der Thematik äußern.
Die Klärung der Frage ist vor allem für DSL-Kunden wichtig, denen von ihren Anbietern zunehmend vorgeschrieben wird, welche Routermodelle sie zu Hause nutzen dürfen. Manche Provider geben auch keine Zugangsinformationen mehr heraus, sodass sich alternative Geräte nicht korrekt konfigurieren lassen. Die Bundesnetzagentur reagierte Anfang des Jahres auf Kundenbeschwerden mit der Aussage, man habe dagegen aufgrund der aktuellen Gesetzeslage keine Handhabe. Nach dem Willen von Union und SPD soll sich die Gesetzeslage aber bald ändern.
Das wäre auch ganz im Sinne von Organisationen wie dem Chaos Computer Club (CCC), der Free Software Foundation Europe (FSFE) oder dem Bundesverband Initiative gegen digitale Spaltung (geteilt.de) sowie einer Allianz von mittlerweile 19 ITK-Endgeräteherstellern, die gemeinsam gegen den Routerzwang vorgehen. Sie alle haben bei der Bundesnetzagentur eine Stellungnahme zu dem Thema eingereicht.
So fürchtet die Herstellergruppe, der unter anderem AVM, Buffalo Technologies, D-Link und Lancom angehören, durch den Routerzwang gravierende Folgen für Kunden, Handel und Hersteller. Ihrer Ansicht nach gibt es keinerlei technische Gründe, die eine Neuauslegung des Netzabschlusspunktes erforderlich machen. Das etablierte Modell in Form der TAE-Dose mit einem liberalisierten Endgerätemarkt sei technisch wie wirtschaftlich erfolgreich und im Markt akzeptiert. Der Allianz zufolge steht der Routerzwang im Widerspruch zu geltendem deutschen und europäischen Recht. Außerdem werfe er ungeklärte Fragen in Sachen Datenschutz sowie Haftung auf und schaffe Monokulturen, die ein Risiko für die Cybersicherheit darstellten, heißt es in der Stellungnahme (PDF).
Auch der CCC sieht eine Gefahr in der Entstehung von Monokulturen, in denen eine große Anzahl von Anwendern den gleichen Endgerätetyp verwenden. „Angreifer könnten diese Strukturen übernehmen und zum Aufbau von Botnetzen nutzen, die ihrerseits für kriminelle Aktivitäten verwendet werden können“, schreibt der Club in seiner Mitteilung (PDF) an die Bundesnetzagentur. Ähnliche Nachteile führen auch die FSFE und der Verband geteilt.de in ihren Stellungnahmen an.
„Die von den Providern ins Feld geführten Vorteile heben die Nachteile bei Weitem nicht auf. Insbesondere sehen wir Verbraucherrechte und die Sicherheit persönlicher Daten gefährdet“, sagte Bernd Rudolph, 2. Vorsitzender des Bundesverbands. Sein Fazit lautet daher: „Die im Anhörungsverfahren als Modell A benannte Lösung, wonach der Netzabschlusspunkt vor dem Leitungsabschlussgerät liegt, ist die aus Verbrauchersicht einzig akzeptable Lösung. Alle anderen Modelle sind abzulehnen.“
Die Pläne der Koalitionsparteien, Rechtssicherheit hinsichtlich der Störerhaftung bei Bereitstellung öffentlich zugänglicher WLAN-Netze zu schaffen, wurden von Netzaktivisten ebenfalls positiv aufgenommen. Aktuell haftet nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Mai 2010 derjenige, der einen Internetanschluss zur Verfügung stellt, auch für Missbrauch durch Dritte – etwa bei illegalen Downloads. Union und SPD wollen Anbieter frei zugänglicher WLANs nun in dieser Hinsicht mit kommerziellen Internetprovidern gleichstellen, die nicht für Vergehen ihrer Nutzer haftbar gemacht werden. Dies könnte beispielsweise durch eine Änderung im Telemediengesetz erreicht werden.
Der Verein Digitale Gesellschaft begrüßte den Entschluss der künftigen Großen Koalition, die Störerhaftung zu beseitigen. „Damit könnten auch die ‚Mini-Provider‘ von der Haftungsfreiheit profitieren, die derzeit bereits für große Provider wie etwa T-Online gilt“, sagte Volker Tripp, Politischer Referent des Vereins Digitale Gesellschaft. Allerdings werde man genau hinschauen, wie die Koalition die Problematik der Störerhaftung lösen will, denn der Teufel steck im Detail. „Die Störerhaftung zu beseitigen, und dabei gleichzeitig Identifikations- und Dokumentationspflichten für den WLAN-Betreiber einzuführen, wie dies vom Bundesrat vorgeschlagen wurde, würde dem Ziel eines flächendeckenden offenen Internetzugangs einen Bärendienst erweisen“, stellte Tripp klar. „Eine solche Lösung wäre kontraproduktiv und würde die gegenwärtige, wenig zufriedenstellende Lage keineswegs verbessern.“
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