Redtube-Abmahnungen: Staatsanwaltschaft Köln leitet Ermittlungsverfahren ein

Die Staatsanwaltschaft Köln hat im Zusammenhang mit den massenhaften Abmahnungenen von Nutzern des Porno-Streaming-Portals Redtube wegen des Verdachts auf Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Das bestätigte ein Sprecher unter anderem gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Bisher hatte die Behörde diesen Schritt lediglich geprüft. Laut der hinter dem Angebot Abmahnhelfer.de stehenden Rechtsanwaltskanzlei Werdermann von Rüden wurde das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen mit den weiteren Ermittlungen betraut.

Es soll nun prüfen, ob gegenüber dem Landgericht Köln falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben wurden. Diese waren Teil der Auskunftsersuchen, um an zehntausende Anschlussinhaberdaten zu gelangen. Abmahnhelfer.de hat bereits vor einigen Tagen eine solche eidesstattliche Versicherung eines Mitarbeiters der von Rechtsanwalt Daniel Sebastian mit der Feststellung der IP-Adresse beauftragten Firma itGuards veröffentlicht (PDF).

Darin bestätigt ein Andreas R., dass die IP-Adressen mehrerer tausend Telekom-Kunden mit einer Software namens „GLADII 1.1.3.“ beweissicher dokumentiert wurden. Von den Adressen wurde angeblich auf urheberrechtlich geschützte Filme auf Redtube zugegriffen. Die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt kann laut Paragraph 156 des Strafgesetzbuches mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden.

„Dass die Staatsanwaltschaft nun von Amts wegen in dem Fall ermittelt, reicht aber nicht. Es müssen nun alle Verbindungen zwischen den Beteiligten offengelegt werden, denn hier ist möglicherweise ein gewerbsmäßiger und bandenmäßiger Betrug aufzudecken, wobei das Landgericht Köln missbraucht wurde“, erklärt Rechtsanwalt Johannes von Rüden in einer Pressemitteilung. „Merkwürdig“ findet er zudem, dass die Kanzlei Diehl & Partner nur einen Tag nach der Gründung der itGuards Inc ein Gutachten über die richtige Funktionsweise der Software erstellt haben will.

„Nach allem was wir jetzt wissen, hat sich Herr R. mit dieser eidesstattlichen Versicherung klar strafbar gemacht. Die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Köln sind daher nur konsequent. Dass in dem Dokument ‚Redtube.com‘ als Download-Portal bezeichnet wird, ist mehr als nur eine Frechheit“, so von Rüden weiter.

Hier setzen auch andere Kritiker an: Rechtsanwalt Malte Dedden schreibt beispielsweise, dass es sich bei der Diskussion um die Seriosität der Abmahnenden eigentlich um Nebenschauplätze handelt: „Es ist egal, ob die Filme aufgerufen wurden oder nicht, der Anspruch ist aus Rechtsgründen bereits nicht gegeben.“ In Schreiben für seine Klienten stelle er auf drei Seiten dar, wieso die angeblichen Ansprüche schon aus Rechtsgründen unabhängig von einem eventuellen Besuch der Site Redtube.com nicht bestehen können – wobei der Unterschied zwischen Download und Streaming im Mittelpunkt steht.

Dieselbe Ansicht vertritt auch Rechtsanwalt Niko Härting. Er schreibt: „Zahlreiche Aspekte und Randaspekte der ‚Abmahnwelle‘ werden an vielerlei Orten diskutiert. Die Kernfrage gerät dabei leicht in Vergessenheit: Muss sich der Nutzer einer Streaming-Plattform darüber Gedanken machen, ob ein Video legal oder illegal auf die Plattform geladen wurde? Die Antwort lautet Nein.“ Härting zufolge ist der Konsum eines urheberrechtlich geschützten Werks keine Nutzungshandlung und daher vom Urheberrecht nicht erfasst. Sein Fazit: „Der Rechteinhaber hat keine Handhabe gegen den (reinen) Konsumenten eines Werks.“

Allerdings könnte für die Abmahner die – mehr oder weniger gelungene – Täuschung der Richter des Landgerichts Köln noch ein Nachspiel haben. So hat die Kanzlei Werdermann von Rüden bereits am 10. Dezember Strafanzeige gegen den Anwalt Daniel Sebastian erstattet. Er hatte im Auftrag des Rechteninhabers The Archive AG die Auskunftsersuche beim Landgericht Köln gestellt.

Und gestern hat die in Mainz und Berlin ansässige Kanzlei Müller Müller Rößner gegen den Regensburger Anwalt Thomas Urmann, der den massenhaften Versand der Abmahnungen besorgt hatte, Strafanzeige eingereicht. Darin wird Urmann „besonders schwere Erpressung oder besonders schwerer Betrug“ vorgeworfen – was von Gerichten mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft wird. Von der Kanzlei Urmann + Collegen werde „gegenüber juristischen Laien in rechtlich unzutreffender Weise aber gleichwohl apodiktisch eine rechtswidrige Vervielfältigungshandlung behauptet. Mit der Abmahnung wird ein Sachverhalt vorgetragen, in dem keine Urheberrechtsverletzung zu sehen ist, da der Abruf eines Streams über die Plattform Redtube jedenfalls nach § 53 Abs. 1 UrhG zulässig ist“.

Gegenüber Verbrauchern werde auf anwaltlichem Briefpapier jedoch das Gegenteil behauptet und angedroht, „weitere staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, einstweilige Verfügungen zu beantragen und den Sachverhalt unter strafrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Wenn juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen eines mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgestatteten Rechtsanwaltes veranlasst werden sollen, von diesem geltend gemachte Ansprüche zu erfüllen, die nicht bestehen, ist das nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung strafbar“, begründet Rechtsanwalt Carl Christian Müller die Strafanzeige.

Außerdem hat der Kölner Anwalt Christian Solmecke, dessen Kanzlei Wilde Beuger Solmecke rund 600 Abgemahnte vertritt, angekündigt, eine Strafanzeige gegen Thomas Urmann vorzubereiten. Darin geht es um „mögliche illegale Erfolgsvereinbarungen zwischen der abmahnenden Kanzlei und den Rechteinhabern“. Solmecke hatte vergangene Woche ein im Auftrag der Pirratenpartei erstelltes Gutachten zu einer Abmahnwelle aus dem Jahr 2010 präsentiert. In der nun in Vorbereitung befindlichen Strafanzeige will er „detailliert alle juristischen und technischen Fakten so aufbereiten, dass der Staatsanwalt leicht überblicken kann, worum es im Einzelnen geht. Wir sind zuversichtlich, dass darauf eine positive Reaktion folgen wird und die entsprechenden Ermittlungen eingeleitet werden, um den Fall aufzuklären.“

[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]

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ZDNet.de Redaktion

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