Edward Snowden: „Nicht jegliche Spionage ist schlecht“

PRISM-Enthüller Edward Snowden hat in einem rund zweistündigen Webchat Fragen beantwortet, die ihm von Nutzern via Twitter gestellt wurden. Eine Rückkehr in die USA schloss er aus, da er keinen fairen Prozess erwarten könne. Er verurteilte nicht alle Spionageaktivitäten, argumentierte aber entschieden gegen grundlose Massenüberwachung.

„Nicht jegliche Spionage ist schlecht“, sagte er auf die Frage nach dem angemessenen Umfang des US-Geheimdienstapparates. „Wir stehen jetzt als größtem Problem der neuen Methode wahlloser flächendeckender Überwachung gegenüber, bei der Regierungen täglich milliardenfach die Kommunikation unschuldiger Menschen abfangen.“ Diese in der US-Geschichte beispiellosen Programme erfolgten nicht aus Notwendigkeit, sondern weil neue Technologien es einfach und billig machten.

Seine früheren NSA-Kollegen nahm er sogar in Schutz: „Das sind gute Leute, die das Richtige zu tun versuchen. Und ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass sie über dieselben Dinge besorgt waren wie ich. In Acht nehmen müssen wir uns vor den unverantwortlichen höheren Beamten, die diese verfassungswidrigen Programme genehmigen, und vor unzuverlässigen Mechanismen wie dem geheimen FISA-Gericht, das 99,97 Prozent aller Regierungsanfragen durchwinkt.“

Inzwischen räume selbst der US-Präsident ein, dass die Überwachungsprogramme zu weit gehen. Snowden verwies außerdem auf den eben veröffentlichten Bericht der unabhängigen Kommission Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB), die die US-Regierung hinsichtlich Datenschutz und Privatsphäre berät. Das Gremium hatte die Praktiken des US-Auslandsgeheimdienstes NSA als klar illegal bezeichnet, zugleich die Nutzlosigkeit der Massenüberwachung herausgestellt und ihre Beendigung gefordert. „Uns ist kein einziger Fall bekannt, in dem das Programm direkt zur Aufdeckung eines zuvor unbekannten terroristischen Anschlagsplans oder der Verhinderung eines terroristischen Angriffs beitrug“, zitierte der Whistleblower aus dem Bericht.

Eine Rückkehr in die USA kann sich Edward Snowden gegenwärtig nicht vorstellen, da er keine Aussicht auf einen fairen Prozess habe: „In die USA zurückzukehren, das hielte ich für die beste Lösung für die Regierung, die Öffentlichkeit und mich selbst. Aber es ist leider nicht möglich angesichts der derzeitigen Gesetze zum Schutz von Whistleblowern.“ Er sei nach einem hundert Jahre alten Gesetz angeklagt worden, das ihm nicht erlaube, das Interesse der Öffentlichkeit zu seiner Verteidigung anzuführen. Da er zuletzt nicht direkt für den Geheimdienst, sondern für eine von diesem beauftragte Firma tätig war, stehe ihm nicht einmal der ohnehin löchrige Schutz für Whistleblower bei Behörden zu.

Die zunehmende Überwachung hält Snowden für ein globales Problem, das weltweite Bemühungen um bessere Standards und bessere Kryptographie erfordere. Amerika müsse dabei vorangehen, statt „ein Beispiel zu setzen, das die Regierung eines jeden miesen Diktators zur Rechtfertigung anführen kann, um die gleiche Art von wahlloser Schleppnetz-Überwachung ganzer Bevölkerungen durchzuführen, wie es die NSA macht.“ Als bedenklichste Folgen der Überwachung führte er ihre einschüchternde Wirkung und die langfristige Speicherung täglicher Aktivitäten ohne jeden begründeten Verdacht an. Das sei so weit entfernt von jeder Vernunft, dass es niemals rechtmäßig sein könnte.

Die National Security Agency und die übrigen US-Geheimdienste seien im Übrigen außergewöhnlich gut aufgestellt, um den nachrichtendienstlichen Erfordernissen durch gezielte Ausspähung zu entsprechen – wie sie es schon immer taten -, ohne auf die flächendeckende Überwachung ganzer Bevölkerungen zurückzugreifen: „Wenn wir raffiniert genug sind, um in jedes Gerät der Welt einzubrechen (einschließlich Angela Merkels Mobiltelefon, wenn die Berichte stimmen) – dann gibt es keine Entschuldigung dafür, unsere Zeit damit zu verschwenden, die Telefondaten von Großmüttern in Missouri zu sammeln.“

[mit Material von Edward Moyer, News.com]

ZDNet.de Redaktion

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