Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seine Urteilsbegründung im Verfahren zwischen Oracle und Usedsoft um den Handel mit Gebrauchtsoftware veröffentlicht. Er schließt sich darin der Ansicht des von ihm dazu befragten Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in vollem Umfang an, der im Juli 2012 den Vertrieb von Lizenzen aus zweiter Hand legalisierte. Das Urteil des obersten deutschen Gerichts (Az I ZR 129/08) in dem Fall war schon am 17. Juli 2013 zugunsten von Usedsoft ausgefallen. Es erklärte den Handel mit gebrauchter Software grundsätzlich für rechtens und anderslautende Lizenzbedingungen für nichtig.
„Hat der Inhaber des Urheberrechts dem Herunterladen der Kopie eines Computerprogramms aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt, sind der zweite oder jeder weitere Erwerber einer Lizenz zur Nutzung dieses Computerprogramms nach § 69d Abs.1 UrhG zur Vervielfältigung des Programms berechtigt, wenn das Recht zur Verbreitung der Programmkopie erschöpft ist und der Weiterverkauf der Lizenz an den Erwerber mit dem Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden ist“, heißt es in der jetzt vorgelegten Urteilsbegründung des BGH.
Hinsichtlich des Knackpunkts des ganzen Streits um Gebrauchtsoftware, der „Erschöpfung des Urheberrechts“, definiert der Bundesgerichtshof allerdings einige Bedingungen. Demnach ist das Urheberrecht erschöpft, hat also der Urheber hinsichtlich der Verwertung des von ihm erstellten Werkes nichts mehr zu sagen, wenn er vom Erstkäufer eine „dem wirtschaftlichen Wert der Kopie seines Werkes entsprechende Vergütung“ bekommen hat (was angesichts der Preise bei Oracle-Lizenzen wohl unzweifelhaft der Fall ist). Außerdem muss der Käufer mit dem Kauf das Recht erworben haben, die Software zeitlich unbegrenzt zu nutzen, und müssen nach dem Kauf zur Verfügung gestellte Verbesserungen sowie Aktualisierungen von einem Wartungsvertrag abgedeckt sein.
Natürlich gehört zu den Bedingungen auch, dass der Ersterwerber seine Kopie unbrauchbar gemacht hat. Letzteres war aber nie in Frage gestellt worden – schließlich sollte es nicht um die Vervielfältigung, sondern den Weiterverkauf von Software gehen. Wichtig ist zudem, dass der BGH festhält, dass das Recht zum Weiterverkauf auch nicht durch die Lizenzbedingungen ausgehebelt werden kann: Das einmal eingeräumte Recht zur „bestimmungsgemäßen Benutzung“ kann nicht durch vertragliche Bestimmungen ausgeschlossen werden, die dieses Recht dem Ersterwerber vorbehalten sei, so die Richter.
„In der Vergangenheit haben die Software-Hersteller immer wieder behauptet, das EuGH-Urteil könne noch vom BGH außer Kraft gesetzt werden“, kommentierte Usedsoft-Geschäftsführer Peter Schneider. „Das war zwar von Anfang an Unsinn, doch dürften diesen Monopolisten jetzt die Argumente ausgehen, auch wenn diese noch so haarsträubend waren. Die konstant steigenden Absatzzahlen während der vergangenen anderthalb Jahre zeigen, dass sich die Kunden davon ohnehin kaum mehr beeindrucken lassen.“
Wichtig für das Geschäftsmodell vom Usedsoft und anderer Händler ist auch, dass der EuGH bereits die Frage der Aufspaltung von Lizenzen geklärt hat: Verboten ist nur – was auch logisch ist –, eine Lizenz auf mehrere Nutzer zu verteilen. Erlaubt ist dagegen zum Beispiel, Lizenzen aus einem Volumenlizenzvertrag für 1000 Nutzer in zehn Paketen zu je 100 Nutzerlizenzen weiter zu veräußern. Dagegen hatte sich besonders Microsoft gesträubt.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte nach dieser Vorgabe bereits im Dezember 2012 im Streit um Adobe-Lizenzen entscheiden. In dem Urteil heißt es, der Weiterverkauf von einzelnen Lizenzen, die ursprünglich im Rahmen eines Volumenlizenzvertrags erworben wurden, führe „nicht zu der Annahme, dass hier eine unzulässige Aufspaltung erfolgte“. Das sogenannte Aufspaltungsverbot des EuGH beziehe sich nur auf die „abweichende Sachverhaltskonstellation“ von Client-Server-Lizenzen.
Interessant wird nun zu beobachten sein, wie und ob die Hersteller auf die Entscheidung reagieren. Denkbar wäre etwa, dass sie Klauseln zur zeitlich befristeten Nutzung in ihre Standardlizenzen einfügen. Denen müssten dann Unternehmen, die erwägen, die Lizenzen einmal zu veräußern, bereits vor der Unterschrift unter den Kaufvertrag widersprechen.
Gleichzeitig zieht schon das nächste große Streitthema am Horizont herauf: Die Frage, in welchem Umfang Dritte berechtigt sind, Wartung und Support für Software anzubieten, wird derzeit besonders bei großen Konzernen noch im Hinterzimmer diskutiert. Es mehren sich aber die Hinweise, dass Softwareanbieter bereits in einigen Fällen äußerst interessante Sonderkonditionen eingeräumt haben, um Drittanbieter aus dem Geschäft zu drängen. Bis dieses Thema die deutschen Gerichte beschäftigt, ist es nur eine Frage der Zeit.
[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]
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