EuGH erklärt Sperren urheberrechtsverletzender Websites für rechtens

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Verfahren zwischen dem österreichischen Internetprovider UPC Telekabel und dem Filmverleih Constantin sowie der Filmproduktionsgesellschaft Wega ein Grundsatzurteil (AZ. C-314/12) zu Sperren von urheberrechtsverletzenden Websites gefällt. Ihm zufolge ist es grundsätzlich zulässig, Zugangsanbieter per gerichtlicher Anordnung dazu zu verpflichten, konkrete Sites zu sperren. Auf diese Weise ließen sich Urheberrechtsverletzungen verhindern.

Im vorliegenden Fall wollten die Rechteinhaber Constantin Film Verleih und Wega eine Sperre des Streaming-Portals kino.to durch den Provider UPS Telekabel durchsetzen. Über die 2011 geschlossene Website waren tausende Filme und Serienfolgen ohne Zustimmung der Rechteinhaber auf Abruf verfügbar. Ein Klon der Site findet sich heute noch unter kinox.to.

Der Oberste Gerichtshof Österreichs hatte sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen an die EU gewandt. Gerichte der Mitgliedstaaten können auf diesem Weg in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts vorlegen. Der EuGH entscheidet allerdings nicht über den nationalen Rechtsstreit.

Die EU-Richter sollten im vorliegenden Fall klären, ob ein Provider in solchen Fällen als „Vermittler“ anzusehen ist, „dessen Dienste von einem Dritten zur Verletzung des Urheberrechts genutzt werden“. Dem heutigen Urteil zufolge ist das der Fall. Allerdings müsse im Einzelfall zwischen den urheberrechtlichen Schutzinteressen der Rechteinhaber, der unternehmerischen Freiheit des Providers sowie der Informationsfreiheit der Bürger abgewogen werden, betonten die Richter. Dies sei Aufgabe der nationalen Gerichte.

Stellt ein nationales Gericht fest, dass eine Internetseite urheberrechtsverletzende Inhalte anbietet, kann es den Provider, der seinen Kunden Zugang zu diesen Inhalten ermöglicht, also künftig anweisen, den Zugriff auf die betreffende Website zu erschweren. Dafür kommen technische Maßnahmen wie die Blockade bestimmter IP-Adressen oder Einträge in DNS-Servern in Betracht. In beiden Fällen ist die eigentliche Seite noch vorhanden, aber nur über Umwege erreichbar.

Der Verein Digitale Gesellschaft sieht das EuGH-Urteil daher kritisch. „Was dem Schutz des Urheberrechts dienen soll, fördert tatsächlich allenfalls die veralteten Geschäftsmodelle der Content-Industrie und die Attraktivität illegaler Angebote“, sagt Geschäftsführer Alexander Sander. Ihm zufolge kann die rechtswidrige Verbreitung von Filmen oder anderen urheberrechtlich geschützter Inhalte nur durch eine komplette Abschaltung der entsprechenden Websites wirksam unterbunden werden. Netzsperren, die lediglich den Zugang zu ihnen erschweren, gefährdeten hingegen die Meinungs- und Informationsfreiheit, während sie zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen weitestgehend untauglich seien.

„Das Urteil weckt unrühmliche Erinnerungen an das zum politischen Fiasko geratene Zugangserschwerungsgesetz„, so Sander weiter. „Bedauerlicherweise legt es zugleich den Grundstein für eine Zensurinfrastruktur im Netz. Was der EuGH heute für urheberrechtsverletzende Inhalte entschieden hat, könnte morgen auch für politisch oder anderweitig unliebsame Internetseiten gelten.“

Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke (Bild: Solmecke / WBS Law)

Ähnlich sieht es auch der auf Internetrecht spezialisierte Anwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke: „Ich bin gegen Netzsperren: Wenn sich so eine Rechtsprechung durchsetzt, dann haben wir bald einen diffusen Provider-Flickenteppich in Deutschland. Es wird dann Internet-Zugangsknoten geben, die nicht von der Medienindustrie abgemahnt worden und auch weiterhin noch alles durchleiten dürfen, andere Provider wiederum bieten dann nur noch ein eingeschränktes Internet an.“

Zudem bestehe die Gefahr des Missbrauchs, wenn solche Sperren im Eilverfahren durch einstweilige Verfügungen durchgesetzt würden. „Mitunter stellt sich erst Jahre später heraus, dass solche Entscheidungen fehlerhaft waren – so lange bliebe dann eine Internetseite zu Unrecht gesperrt“, sagt Solmecke. „Letztlich könnte man mit diesem Argument auch Provider verbieten, bestimmten Tauschbörsen-Traffic durch ihre Netze zu leiten oder Tauschbörsen ganz zu filtern. Das kann und darf aber nicht der Sinn eines freien Internets sein.“

Darüber hinaus weist der Kölner Anwalt darauf hin, dass es Netzsperren schon heute in Deutschland gebe – etwa für jugendgefährdende Inhalte. Ein Gesetz, das mit Sperrverfügungen Zugang zu kinderpornografischen Schriften erschwere wollte, sei 2011 jedoch wieder aufgehoben worden, nachdem sich herausgestellt habe, dass Provider nicht zielgenau und in zu großem Umfang sperrten. „Da sämtliche Provider Deutschlands angegangen werden müssen und außerdem eine Umgehung relativ simpel möglich ist, haben sich Sperrverfügungen in der Vergangenheit nicht flächig durchsetzen können.“

ZDNet.de Redaktion

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