Recht auf Vergessen: Wikipedia-Gründer Jimmy Wales kritisiert Urteil des EU-Gerichtshofs

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) scharf kritisiert, wonach Google auf Antrag personenbezogene Suchergebnisse löschen muss. In einem Interview mit der BBC beschreibt er die Entscheidung als „eines der weitreichendsten Internet-Zensur-Urteile, das ich je gesehen habe.“

Das Urteil festigt das „Recht auf Vergessen“. Nutzer können nun von Google und auch anderen Internetfirmen verlangen, dass Links zu irrelevanten und falschen Informationen über sie entfernt werden. Statt denjenigen, der beispielsweise einen beleidigenden Artikel oder ein Foto veröffentlicht hat, zur Löschung zu bewegen, kann ein Nutzer nun Google auffordern, die fraglichen Inhalte aus seinen Suchergebnissen zu streichen.

Wales zweifelt vor allem die Umsetzbarkeit des Urteils an. „Wenn man sich das genau anschaut, dann erscheint es nicht sehr sinnvoll“, sagte Wales. Internetnutzer könnten sich „über etwas beschweren und einfach behaupten, es sei irrelevant, und Google muss dann eine Entscheidung treffen. Das ist sehr schwer für Google, vor allem da das Risiko besteht, dass es rechtlich haftbar gemacht wird, wenn es in irgendeiner Form falsch entscheidet.“

„Wenn es jedem gerecht werden muss, der über ein Foto jammert, das er eine Woche zuvor veröffentlicht hat, dann wird das sehr kompliziert für Google“, ergänzte Wales.

Das Urteil soll die Privatsphäre von Nutzern schützen. Es geht auf die Forderung eines Spaniers zurück, der bei einer Google-Suche nach seinem Namen die Bekanntmachung über eine Zwangsversteigerung seines Hauses fand, die vor Jahren aufgrund unbezahlter Sozialversicherungsbeiträge gerichtlich angeordnet wurde. Die amtliche Bekanntmachung aufgrund gesetzlicher Vorschriften in Spanien ist noch immer auf der Website einer Tageszeitung zu finden. Der Betroffene forderte aber von Google, Suchverweise zu dieser Information zu entfernen.

Das Recht auf Vergessen ist beispielsweise auch für den Fall gedacht, dass jemand zu unrecht eines Verbrechens beschuldigt wurde. Im Internet veröffentlichte Berichte über die Anschuldigungen sind auch dann noch abrufbar, wenn die Person schon längst freigesprochen wurde.

Allerdings ist auch ein Missbrauch nicht ausgeschlossen. Das gilt vor allem für Personen, die Vergehen oder peinliche Vorfälle verbergen wollen und in der Lage sind, sich dafür einen Anwalt zu leisten.

Google selbst hatte das Urteil des EuGH als „Enttäuschung“ bezeichnet und angekündigt, es werde sich nun mit den Folgen beschäftigen. Jimmy Wales hingegen vermutet, dass die Entscheidung „nicht lange Bestand haben wird“.

[mit Material von Rich Trenholm, News.com]

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Stefan Beiersmann

Stefan unterstützt seit 2006 als Freier Mitarbeiter die ZDNet-Redaktion. Wenn andere noch schlafen, sichtet er bereits die Nachrichtenlage, sodass die ersten News des Tages meistens von ihm stammen.

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