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Wikimedia Deutschland streitet über Abberufung des Vorstands

Das Präsidium des hinter Wikipedia.de stehenden Vereins Wikimedia Deutschland e.V. hat Vorstand Pavel Richter seines Amtes enthoben. Es begründet den Schritt mit auseinandergehenden Ansichten über die strategische Ausrichtung des Vereins. Über die Trennung gibt es aber offenbar geteilte Meinungen – auch in der Führungsspitze.

So schreibt etwa der Vorsitzende Nikolas Becker in einer öffentlichen Mailingliste: „Ich persönlich teile diesen Entschluss nicht und halte ihn für einen falschen Schritt für unseren Verein. Neben der inhaltlichen Dimension bin ich insbesondere auch über die Art und Weise, wie es zu diesem Beschluss kam, zutiefst besorgt.“ Becker erklärt weiter, er sei sich sicher, „dass die bestehenden Differenzen auch auf weniger invasive Art hätten gelöst werden können“.

Wikimedia Deutschland (Bild: Wikimedia Foundation)

Die Amtsenthebung Richters war trotz der schon länger bestehenden Meinungsverschiedenheiten offenbar eine Hau-Ruck-Aktion. Ein Mitglied beschwert sich zum Beispiel, dass er durch die Nachricht des Vorsitzenden Becker erstmals erfahren habe, „dass eine komplett neue strategische Ausrichtung erfolgen soll und deshalb der bisherige Vorstand abgelöst werden soll“.

Der Michail genannte Wikipedianer fragt sich, warum beschlossen wird, den Vorstand abzulösen, obwohl die Mitgliederversammlung der neuen Strategie noch nicht zugestimmt hat, und warum die Mitglieder nicht früher über die Vorgänge informiert wurden. In dieselbe Kerbe schlägt auch das Wikipedia-Mitglied Cornelius: Er findet es „in Anbetracht dessen, dass wir in fünf Tagen eine Mitgliederversammlung haben, erschreckend“. Die Kommunikation des Präsidiums sei weniger als dürftig, sie existiere nicht.

Der ehemalige Erste Vorsitzende, Kurt Jansson, greift diesen Punkt in einem von mehreren ehemaligen Wikimedia-Amtsträgern unterzeichneten offenen Brief ebenfalls auf: Wenn es gravierende Differenzen geben sollte, dann „würden wir als Mitglieder gerne mehr darüber erfahren. Eine Mitgliederversammlung, wie sie in der kommenden Woche ohnehin ansteht, wäre ein geeigneter Ort, um grundlegende Fragen zu diskutieren. Wir meinen uns daran zu erinnern, dass mehrere Mitglieder des aktuellen Präsidiums noch vor kurzem besonderen Wert auf intensivere inhaltliche Diskussionen mit den Mitgliedern gelegt hätten.“

Janssons Beitrag vom 19. Mai, in dem die stabile Situation des Vereins gelobt und seine Rolle in der Gesellschaft ausgesprochen positiv dargestellt wird, blieb aber nicht unwidersprochen. Statt den von Jansson hervorgehobenen Aspekten halten Mitglieder wie Tobias es für bezeichnend, worauf anscheinend Wert gelegt wird: Attraktivität des Vereins als Arbeitgeber, Reputation bei anderen Chaptern, Zulauf von Mitgliedern und Reputation in der Öffentlichkeit. „Wirklich viel wesentlicher ist für mich und für viele aber, ob der Verein die nötige Verankerung in der Gemeinschaft hat. Schon seit längerer Zeit gibt es meiner Ansicht nach ein Disconnect, ein gegenseitiges Ignorieren aufgrund verlorengegangenen Vertrauens und zahlreicher Konflikte, die es in der Vergangenheit gab.“

Wikimedia-Mitglied Tobias nennt mit dem Fundraising, dem ZDF-Projekt und dem Schulprojekt auch einige Beispiele. Seiner Ansicht nach wurde das „Präsidium dazu degradiert, abstrakte Vorstellungen für die Zukunft zu formulieren, statt aktiv mitzuwirken“.

Einzelheiten sind nun auf der Mitgliederversammlung des Wikimedia Deutschland e.V. am Samstag zu erwarten. Dort soll auch ein gestern vom Vorsitzenden Nikolas Becker vorgelegter Strategieplan (PDF) besprochen werden. Ein erster Entwurf dieses Plans ist Becker zufolge im November 2013 auf der Community-Veranstaltung WikiCon vorgestellt worden. Eine im Januar überarbeitete Fassung habe das Präsidium Anfang Februar auf seiner Klausur verabschiedet.

[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]

ZDNet.de Redaktion

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