Der inzwischen zu Facebook gehörende Messaging-Dienst WhatsApp steht erneut in der Kritik. Grund sind diesmal keine Sicherheitsprobleme, sondern die AGB, in denen sich das Unternehmen weitreichenden Rechte an von Nutzern hochgeladenen Inhalten wie Bildern sichert. Ähnlicher Kritik sah sich vor einigen Jahren auch schon Facebook selbst ausgesetzt.
„Wer WhatsApp nutzt, überträgt alle Rechte seiner Kommunikation an das Unternehmen aus dem Silicon Valley“, schreibt das Handelsblatt unter Berufung auf eine in seinem Auftrag durch den Anwalt Rolf Becker von der Kölner Kanzlei Wienke & Becker vorgenommenen Analyse. „Die Kunden stimmen jedenfalls in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu, dass WhatsApp alle Inhalte, Bilder und ähnliches ohne Einschränkung und in allen Medienformaten und über alle Kanäle weiterverbreiten kann.“
Anwalt Becker führt weiter aus: „WhatsApp lässt sich ein gebührenfreies Recht einräumen, fast alles mit den Inhalten der Nutzer anzustellen“. Dieses Recht könne das Unternehmen auch weiterverkaufen. Allerdings stellt Becker zugleich in Frage, ob derartige AGB in Deutschland überhaupt zulässig sind: „Ob sie [die AGB] das wirksam tun, ist allerdings noch eine andere Frage.“
Diese Frage wurde vor einigen Jahren schon im Zusammenhang mit dem neuen WhatsApp-Besitzer Facebook gestellt. Damals hatten – in der zweiten Runde auch mit großem Getöse aus der Politik – Verbraucherschützer anlässlich der Einführung neuer Regelungen zum Datenschutz vor Facebook gewarnt und sich vor allem die damalige Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) als Vorkämpferin gegen die Sicherung weitreichender Rechte an den Nutzerdaten in den Vordergrund gespielt. Die Ministerin riet Anwendern – offensichtlich überwiegend erfolglos – zum Umstieg auf ein anderes Social Network.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) warf dem Online-Netzwerk damals vor, wiederholt und wissentlich datenschutzrechtliche Bestimmungen missachtet zu haben. Nach einer Abmahnung durch die Dachorganisation der Verbraucherzentralen hatten 2009 alle Anbieter zugesagt, die beanstandeten Klauseln nicht mehr zu verwenden. Eine Überprüfung des VZBV ergab jedoch, dass sich Facebook einfach nicht an diese Erklärung hielt. Stattdessen kündigte es neue Datenschutzbestimmungen an, die Experten wie Falk Lüke, Referent im Projekt „Verbraucherrechte in der digitalen Welt“ als Verschlimmerung empfanden. Mit der damals von Facebook erbetenen Zustimmung würden „Nutzer dem Unternehmen einen Freibrief für eine weitgehende Verwendung und Weitergabe von Daten ausstellen“ – also genau dem, was nun auch bei den WhatsApp-AGB kritisiert wird.
Damals forderte der VZBV, dass Nutzer bei jeder Weitergabe und Nutzung persönlicher Daten aktiv einwilligen müssen (Opt-in) – im Gegensatz zu der von Betreibern in den Geschäftsbedingungen vorgesehenen pauschalen Zustimmung zur Nutzung und Weitergabe persönlicher Daten. Wer damit nicht einverstanden ist, muss für ein Opt-out durch Widerspruch im Einzelfall viel Zeit und Mühe aufwenden.
„Die Verantwortung für die Einhaltung des Datenschutzes liegt beim Betreiber, nicht beim Nutzer“, machte VZBV-Vorstand Gerd Billen damals den Standpunkt seiner Organisation deutlich. Das von den Verbraucherschützern gegen Facebook angestrengte und zunächst auch gewonnene Verfahren ist noch nicht rechtskräftig, wie das Handelsblatt meldet, da der Konzern eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingereicht hat und dessen Entscheidung noch aussteht.
Aktuell stört sich der VZBV auch daran, dass bei WhatsApp die AGB nicht in Deutsch verfasst sind. Das Handelsblatt zitiert Carola Elbrecht, Koordinatorin des Projekts „Verbraucherrechte in der digitalen Welt“ bei dem Verband mit den Worten: „Unserer Auffassung nach werden englischsprachige AGB von Diensten, die sich augenscheinlich an deutsche Verbraucher richten, nicht Vertragsbestandteil.“ Mit dieser Begründung habe man bereits gegen WhatsApp geklagt, weil es die Rechtslage missachte und auf Grundlage unzulässiger AGB handle.
Laut der AGB-Analyse von Anwalt Becker baut WhatsApp zudem allen möglichen Ansprüchen gegen sich selbst dadurch vor, dass es die Nutzer dafür verantwortlich macht, wenn sie urheberrechtlich geschütztes Material oder Geschäftsgeheimnisse veröffentlichen sowie Persönlichkeitsrechte oder Datenschutzvorgaben verletzen. Das Handelsblatt weist darauf hin, dass „Unwahrheiten oder Falschdarstellungen“ ebenso verboten seien wie „beleidigendes“ und „obszönes“ Material, „Werbung“ und „Computerviren“.
Außerdem zitiert die Zeitung einen Absatz, in dem es heißt es: „Wenn Sie unter 16 Jahre alt sind, dann benutzen Sie bitte nicht den WhatsApp-Service oder greifen auf die WhatsApp-Website zu, nicht zu irgendeiner Zeit oder in irgendeiner Art und Weise“. Den dürfte ein großer Teil der Nutzer entweder nicht gelesen oder einfach ignoriert haben.
[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]
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