Google+ hat die seit seiner Einführung vor drei Jahren geltende Klarnamenpflicht überraschend aufgegeben. Der Schritt erfolgt einige Monate nach dem Ausscheiden von Vic Gundotra. Er war bei Google von Anfang an für das Social Network verantwortlich, und sein Weggang löste Spekulationen über die Zukunft von Google+ aus.
Die gelockerten Namensregeln kündigte Google+ in einem namentlich nicht gekennzeichneten Blogeintrag an. „Als wir Google+ vor über drei Jahren einführten, war es mit vielen Einschränkungen verbunden hinsichtlich des Namens, den Sie für Ihr Profil verwenden konnten“, heißt es darin. „Das hat geholfen, eine Gemeinschaft zu schaffen, die aus echten Menschen besteht – aber es hat auch viele ausgeschlossen, die ohne Verwendung ihres wirklichen Namens dabei sein wollten.“ Zwischenzeitlich hatte Google+ zwar auch „alternative Namen“ zugelassen – sie aber nur genehmigt, wenn die Nutzer ihre Identität mit amtlichen Papieren nachwiesen.
Google+ entschuldigt sich jetzt sogar dafür, nicht früher auf die Nutzer gehört zu haben, die eine solche Änderung schon lange gefordert hatten. „Wir wissen, dass unsere Namensrichtlinien unklar waren, und das hat zu einigen unnötig schwierigen Erfahrungen für einige unserer Nutzer geführt.“ Die Öffnung für Pseudonyme solle das Netzwerk zu einem Ort machen, der willkommen heißt und nicht ausschließt.
Die Ankündigung kam deshalb überraschend, weil Google die Klarnamenpflicht von Anfang an hart durchsetzte und über Jahre daran festhielt. Gundotra rechtfertigte die in den Nutzungsbedingungen festgeschriebene Pflicht zu Klarnamen als Versuch, einen positiven Grundton zu setzen – „wie ein Restaurant, das nur Gästen im Hemd Zutritt gewährt“.
Zur Durchsetzung wurden schon 2011 zahlreiche Google+-Konten gesperrt. Betroffen waren selbst frühere Google-Mitarbeiter, außerdem Autoren, Musiker, Blogger und Programmierer. Besonders problematisch und potenziell riskant war das Pseudonymverbot für Transgender-Personen, politische Dissidenten und Aktivisten.
Auch das Google+-Konto der ZDNet.com-Autorin Violet Blue wurde damals vorübergehend gesperrt, weil sie unter Pseudonymverdacht geriet – obwohl es ihr bürgerlicher Name ist und er in ihren Ausweispapieren steht. Heute begrüßt sie die Zulassung von Pseudonymen als ernsthaften Kurswechsel für das Unternehmen und sein Social Network. Google habe damit gezeigt, dass es begonnen hat, auf seine Nutzer zu hören. „Aber kann Google das Nutzervertrauen zurückgewinnen mit einer Änderung, die manchen als zu wenig und auch zu spät erscheinen wird?“ fragt sie zugleich skeptisch.
Datenschützer argumentieren schon länger gegen vorgeschriebene Klarnamen in Social Networks, an der Facebook nach wie vor festhält. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) sieht in der möglichen Verwendung von Pseudonymen einen Schutz der Privatsphäre. Schleswig-Holsteins Datenschützer verklagte sogar vergeblich Facebook, weil seine Klarnamenpflicht gegen deutsches Recht verstoße. Die Richter wandten aber das irische Recht an, da die dortige Facebook-Tochter für das Europageschäft verantwortlich ist.
[mit Material von Seth Rosenblatt, News.com]
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