Britisches Oberhaus kritisiert EU-Urteil zum Recht auf Vergessen als „nicht umsetzbar“

Das House of Lords, die erste Kammer des britischen Parlaments, hat das im Mai ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Recht auf Vergessen, wonach Suchmaschinen unter bestimmten Umständen personenbezogene Suchergebnisse löschen müssen, scharf kritisiert. In einem Bericht eines Ausschusses wird die Entscheidung als „unzumutbar“, „nicht umsetzbar“ und „falsch“ bezeichnet.

Den Abgeordneten zufolge ist das Urteil fehlerhaft, weil es auf einer 1995 verabschiedeten EU-Direktive basiert, die veraltet sei. Außerdem sei es nicht richtig, dass ein Betreiber einer kommerziellen Suchmaschine über Löschanträge entscheide und er damit zu seinem eigenen „Datenkontrolleur“ gemacht werde.

„Uns ist klar, dass weder die Direktive von 1995 noch deren Interpretation durch das Gericht dem gegenwärtigen Status von Kommunikationsdiensten entspricht“, so die Abgeordneten. Der globale Zugang zu detaillierten persönlichen Informationen sei zu einem Teil des täglichen Lebens geworden.

„Es ist nicht länger vernünftig oder möglich, dass das Recht auf Privatsphäre Personen das Recht gibt, Links zu Daten, die korrekt und legal zugänglich sind, löschen zu lassen“, heißt es weiter in dem Bericht. „Wir stimmen der Regierung zu, dass das ‚Recht auf Vergessen‘, wie es die Kommission vorschlägt, verschwinden muss. Es ist prinzipiell fehlgeleitet und in der Praxis nicht umsetzbar.“

Google kritisiert das Urteil des EuGH ebenfalls, versucht aber auch, die Anweisungen des Gerichts umzusetzen. Bis zum 18. Juli hat es nach eigenen Angaben 91.000 Löschanfragen erhalten, die mehr als 328.000 Websites betreffen. Bisher entfernt Google nur Links in seinen europäischen Suchmaschinen – über google.com lassen sich die Inhalte weiterhin finden.

Zu Details der Entscheidung sieht der Internetkonzern offenbar noch erheblichen Diskussionsbedarf. Ende Juli forderte Google seine Nutzer auf, bis zum 11. August Stellungnahmen und Fachbeiträge zu Fragen rund um das Urteil einzureichen. Sie sollen von Googles Experten-Beirat geprüft werden. Unter anderem geht es Google um eine Definition der Verantwortungsbereiche von Suchmaschinen, Datenschutzbehörden, Websitebetreibern und Einzelpersonen. Es will auch klären, ob die Öffentlichkeit ein Recht hat, Details zu den Löschanträgen zu erhalten.

[mit Material von Tom Jowitt, TechWeekEurope]

Tipp: Wie gut kennen Sie Google? Testen Sie Ihr Wissen – mit dem Quiz auf silicon.de.

Stefan Beiersmann

Stefan unterstützt seit 2006 als Freier Mitarbeiter die ZDNet-Redaktion. Wenn andere noch schlafen, sichtet er bereits die Nachrichtenlage, sodass die ersten News des Tages meistens von ihm stammen.

Recent Posts

Studie: Ein Drittel aller E-Mails an Unternehmen sind unerwünscht

Der Cybersecurity Report von Hornetsecurity stuft 2,3 Prozent der Inhalte gar als bösartig ein. Die…

2 Tagen ago

HubPhish: Phishing-Kampagne zielt auf europäische Unternehmen

Die Hintermänner haben es auf Zugangsdaten zu Microsoft Azure abgesehen. Die Kampagne ist bis mindestens…

3 Tagen ago

1. Januar 2025: Umstieg auf E-Rechnung im B2B-Geschäftsverkehr

Cloud-Plattform für elektronische Beschaffungsprozesse mit automatisierter Abwicklung elektronischer Rechnungen.

3 Tagen ago

Google schließt schwerwiegende Sicherheitslücken in Chrome 131

Mindestens eine Schwachstelle erlaubt eine Remotecodeausführung. Dem Entdecker zahlt Google eine besonders hohe Belohnung von…

3 Tagen ago

Erreichbarkeit im Weihnachtsurlaub weiterhin hoch

Nur rund die Hälfte schaltet während der Feiertage komplett vom Job ab. Die anderen sind…

4 Tagen ago

Hacker missbrauchen Google Calendar zum Angriff auf Postfächer

Security-Experten von Check Point sind einer neuen Angriffsart auf die Spur gekommen, die E-Mail-Schutzmaßnahmen umgehen…

5 Tagen ago