Facebook ändert seine Algorithmen, um Posts im News Feed zurückzudrängen, die mit vielversprechenden Überschriften zu Geschichten locken, die nur wenig halten. Aussortiert werden sollen dadurch „Stories, von denen die Leute uns oft berichten, dass sie spammig sind – und dass sie diese gar nicht sehen wollen“. Im englischen Sprachraum hat sich dafür die Bezeichnung Click-Baiting, zu deutsch etwa Klick-Köder, etabliert.
Als unerwünschtes „Click-Baiting“ definiert das Social Network von Publishern veröffentlichte Links mit einer Überschrift, die reißerisch zum Anklicken zu verleiten versucht, ohne konkrete Informationen über die erwarteten Inhalte zu liefern. Typisch dafür sind Formulierungen wie „Sie werden nicht glauben, was …“ oder „Sie werden zu Tränen gerührt sein, wenn …“. Sie erzielen tatsächlich mehr Klicks, was wiederum dazu führt, dass diese Posts mehr Nutzern gezeigt werden und in ihrem News Feed weiter nach oben rücken.
Eine Facebook-Umfrage ergab jedoch, dass 80 Prozent der Mitglieder Überschriften bevorzugen, die ihnen bei der Entscheidung helfen, ob sie wirklich zum eigentlichen Artikel durchklicken wollen. Als problematisch werde außerdem empfunden, dass die marktschreierischen Überschriften erwünschte Inhalte von Freunden und Facebook-Seiten verdrängen, die den Lesern tatsächlich etwas bedeuten.
Um Click-Baiting zu erfassen, werten die Algorithmen künftig aus, wie lange die Nutzer für die Lektüre eines Artikels Facebook fern bleiben. Beschäftigen sie sich über längere Zeit damit, scheint es eine interessante Lesekost zu sein. Kommen sie aber nach einem fahrlässigen Klick postwendend zurück, spricht es für eine unerwünschte Erfahrung – und Facebook berücksichtigt das bei der Klassifizierung von Beiträgen, die Links enthalten.
Vor drei Jahren war Max Schrems einfach Jurastudent in Wien, heute kennt ihn die halbe Welt: Er ist der, der Facebook wegen Datensammelei verklagt hat. Jetzt hat er mit "Kämpf um deine Daten" sein erstes Buch vorgelegt.
Als weiteren Faktor will sich das Unternehmen ansehen, in welcher Relation die Nutzer sich mit ihren Freunden über angeklickte Inhalte unterhalten und sie mit ihnen teilen. Erzielt ein Link viele Klicks, aber nur wenige Nutzer kommentieren später die Geschichte auf Facebook, dann spricht auch das für weniger wertige Inhalte.
Vor sich verringernden Leserzahlen in den nächsten Monaten warnt Facebook „eine kleine Gruppe von Publishern, die häufig Links mit Click-Bait-Überschriften posten, bei denen viele Leute nach dem Durchklicken keine Zeit mit dem Lesen verbringen“, Laut Guardian trifft das aber wahrscheinlich nicht bekannte Publikationen wie BuzzFeed und Upworthy, die oft für Click-Bait-Taktiken kritisiert werden, weil sich tatsächlich viele Nutzer längere Zeit mit ihren Geschichten beschäftigen und sie auch noch kommentieren. Facebook gehe vielmehr gegen einen sich rasch ausbreitenden Morast von Publikationen unterhalb von ihnen vor, die mit verlockenden Überschriften so viel Traffic wie möglich von Facebook abzuziehen versuchen und dabei rein gar nichts bieten.
In die Kritik kam Facebook erst kürzlich, weil es den News Feed zahlreicher Nutzer für ein psychologisches Experiment manipulierte. Bei dem heimlich durchgeführten Versuch wurde der News Feed der betroffenen Mitglieder so manipuliert, dass sie entweder mehr positive oder mehr negative Nachrichten erhielten. Ziel war es, herauszufinden, ob die nächsten Posts der Nutzer eine Stimmungsänderung erkennen lassen. Dem Experiment ahnungslos ausgeliefert waren fast 700.000 Facebook-Nutzer, die in zwei Gruppen unterteilt wurden.
In einem eigenen Facebook-Experiment mit verblüffenden Folgen erprobte Wired-Autor Mat Honan, wie die News-Feed-Algorithmen reagieren, wenn alle von Facebook gezeigten Inhalte mit „Gefällt mir“ bedacht werden. Es wirkte sich schon in kurzer Zeit extrem auf seinen eigenen und auch die News Feeds seiner Freunde aus. Schon innerhalb einer Stunde erschienen in seinem News Feed praktisch keine Menschen mehr, sondern alles drehte sich „um Marken und ihre Botschaften“. Kaum überraschend auch, dass sich für Click-Baiting bekannte Publikationen wie Upworthy in den Vordergrund schoben.
Eine besonders starke Veränderung erfuhr Facebook durch die vielen Like-Klicks bei der Nutzung auf einem Mobilgerät: „Weil auf diesem kleinen Bildschirm die Fläche so wertvoll ist, entschieden die Facebook-Roboter, meine Aufmerksamkeit zu halten, indem sie die Menschen vor mir verstecken und nur die Sachen zeigen, die andere Maschinen ausgestoßen haben.“ Auch Freunde Honans reagierten auf die Veränderungen in ihrem News Feed und fragten bei ihm an, ob vielleicht sein Konto gehackt worden sei.
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