BGH-Urteil: Arzt scheitert mit Antrag auf Löschung aus Bewertungsportal

Der Bundesgerichtshof hat im Streit um Bewertungsportale für Ärzte ein weiteres wichtiges Urteil gefällt, dass so auch für alle Selbständigen und Gewerbetreibende von Bedeutung ist. Bei seiner Entscheidung hat der BGH das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit über das Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung gestellt. Das führt dazu, dass der Portalbetreiber die über den Arzt gespeicherten und seinen Nutzern zugänglich gemachten Basisdaten und Bewertungen nicht wie vom Arzt verlangt löschen muss (Aktenzeichen VI ZR 358/13).

Auf dem Portal zur Arztsuche und Arztbewertung sind unter anderem Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, Kontaktdaten und Sprechzeiten sowie Bewertungen des Arztes durch Nutzer einsehbar. Bewertungen sind nur nach vorheriger Registrierung möglich, allerdings reicht dafür schon eine gültige E-Mail-Adresse aus. Sie erfolgen also weitgehend anonym. Dass Bewertungsportale Daten von Nutzern, die Bewertungen vorgenommen haben, nicht herausgeben müssen, hatte der Bundesgerichtshof bereits in einem früheren Urteil vom Juli entschieden (Aktenzeichen VI ZR 345/13).

„Der Betreiber eines Internetportals ist in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 Telemediengesetz grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln“, begründeten die Richter im Juli ihre Entscheidung.

Im aktuellen Verfahren verlangte der Arzt jedoch unter Berufung auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht die Löschung der ihn betreffenden Daten, also sowohl der „Basisdaten“ als auch der Bewertungen. Bereits das Amtsgericht und auch das Landgericht hatten die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision des Arztes wurde nun vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ebenfalls zurückgewiesen: Den Richtern zufolge ist das Portal nach Paragraf 29 Absatz 1 des Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach Absatz 2 desselben Paragrafen auch zur Übermittlung der Daten an seine Nutzer berechtigt.

Der BGH räumt allerdings ein, dass der Arzt durch die Aufnahme in ein Bewertungsportal belastet wird. Auch sieht er, dass abgegebene Bewertungen die Arztwahl beeinflussen und so möglicherweise zu wirtschaftlichen Nachteilen für eine schlecht bewertete Arztpraxis führen können. Außerdem gaben die Richter zu, dass aufgrund der Funktionsweise des Portals eine gewisse Missbrauchsgefahr bestehe.

All diese möglichen Nachteile werden nach Ansicht des BGH aber durch das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen überwogen. Außerdem berührten die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt nur in seiner sogenannten „Sozialsphäre“. Damit bezeichnen die Richter den Bereich, „in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollzieht“.

Das Gericht weiter: „Hier muss sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen. Missbrauchsgefahren ist der betroffene Arzt nicht schutzlos ausgeliefert, da er von der Beklagten die Löschung unwahrer Tatsachenbehauptungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen kann.“ Dass Bewertungen auch anonym abgegeben werden können, ändert ihrer Auffassung nach nichts: Die Möglichkeit zur anonymen Nutzung sei beim Internet eben gerade Teil der Funktionsweise – wie schon aus dem Telemediengesetz hervorgehe, in dem die Nutzung von Diensten anonym oder zumindest unter Pseudonym wann immer irgend möglich, gefordert wird.

Mit dem Urteil hat der Bundesgerichtshof zwar die freie Meinungsäußerung wieder einmal gestärkt, problematisch ist das ganze Thema aber nach wie vor. Denn wie zum Beispiel der Rechtsanwalt Matthias Hechler schon früher angemerkt hat, dürfen zwar bei Textbewertungen die Verfasser weder unwahre Tatsachen behaupten, noch die Grenze zur Schmähkritik überschreiten, da dann eine Persönlichkeitsverletzung gegeben ist und das Portal die Bewertung löschen muss. Allerdings kann der Betroffene gegen die meist übliche Bewertung in Form von Schulnoten nichts unternehmen.

Dabei handle es sich Gerichtsurteilen zufolge um ein Werturteil, das von der Meinungsfreiheit geschützt ist. Ob dieses Werturteil dann rein subjektiv ist oder sich objektiv nachvollziehen lässt, spielt dabei keine Rolle. „Selbst wenn sich vor der Praxis 50 kostenlose Parkplätze befinden, kann jemand der Meinung sein, dass sei mangelhaft, so die Gerichte“, erklärt Hechler. Damit ist und bleibt Missbrauch von Bewertungsportalen nicht nur für Ärzte, sondern auch für Gewerbetreibende und Selbständige nach wie vor ein ernsthaftes Risiko.

ZDNet.de Redaktion

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