Produktankündigungen hörte das Publikum bei dem erstmalig in Mainz stattfindenden EMC-Forum eher weniger. Dafür aber eindringliche Aufforderungen des EMC-Managements, sich der disruptiven Qualität der „dritten Plattform“ (Mobile, Social, Cloud, Big Data) zu stellen und entsprechend zu handeln.
EMC-Deutschland-Geschäftsführerin Sabine Bendiek sekundierte: „Laut einer aktuellen KPMG-Untersuchung fürchten 40 Prozent der Unternehmen ohne digitale Transformation um Wettbewerbsfähigkeit.“ EMEA-Präsident Adrian McDonald brachte Beispiele für die Folgen digitaler Ignoranz.
So habe Marks & Spencer, eine Einzelhandelskette, durch zu langsamen Einstieg ins Digitalgeschäft und einen undurchdachten Einstieg in Public-Cloud-Infrastruktur binnen kurzem die Hälfte seines Börsenwertes verloren. Bei Target musste zum ersten Mal ein CEO gehen, weil Kundendaten entwendet wurden. Andererseits bastle GE an dem neuen Geschäftsmodell, Flugzeugmotoren stundenweise zu verleihen statt zu verkaufen und habe sich deshalb an der EMC-Softwaretochter Pivotal beteiligt.
Geschäftsprozesse, Unternehmenskultur und Sicherheitsparadigma, so EMC, müssen im Zeitalter der „dritten Plattform“ grundlegend überdacht werden. Perimeter-Sicherheit habe ausgedient, statt dessen müsse nach RSA-Manier permanent alles überwacht, korreliert und berichtet werden, um Attacken rechtzeitig zu erkennen, unschädlich zu machen oder zu verhindern.
Insgesamt seien, so McDonald, viele Unternehmen seien vor allem eine Marke und eine (digitale) Fabrik, etwa in der Finanzbranche. Das kann durchaus Basis für neue Geschäftsmodelle sein. Ein Beispiel ist der Cloud-Kapazitätsmarkt Deutsche Börse Cloud Exchange. Dr. Johannes Watzl, dort für das Produktmanagement zuständig: „Wir haben für die Betaversion inzwischen Provider aus drei Ländern und Kunden aus den Bereichen Foto-Rendering und professionelle Wetterprognosen für Energieunternehmen oder Versicherungen.“ Freilich geht auch mit Technologien der „dritten Plattform“ technisch noch längst nicht alles.
Pharmaunternehmen beispielsweise würden gern die umfangreiche Analyse von Versuchsdaten aus dem Labor in Rechenzentren auslagern. „Produziert ein System in kurzer Zeit Tausende von Messdaten, die in Echtzeit analysiert und im Labor bewertet werden müssen, findet die Analyse direkt neben dem Labortisch statt, weil alles andere zu lange dauert“, kritisiert der Mitarbeiter einer renommierten Pharmafirma am Rande der Veranstaltung.
Anderswo zeigt Big Data, gekoppelt mit Mobiltechnologie, schon seine Potentiale: BMW präsentierte in Mainz ein stets umlagertes, mit Mess- und Kommunikationstechnik gespicktes Fahrzeug. Rund tausend davon nutzt der Autobauer bei der Entwicklung neuer Assistenzfunktionen für Connected Cars. Im Monat produziert diese Flotte rund 20 TByte Daten, die in den Entwicklungsprozess einfließen – Tendenz steigend, „in den Petabyte-Bereich“, weiß Entwickler Florian Scharf. Darüber, dass Big-Data-Analysen auch ungeklärte ethisch-rechtliche Fragen aufwerfen, ist man sich bei EMC im Klaren. „Wir wollen aber unsere Kunden nicht bevormunden“, betont Sabine Bendiek. Ans geltende Recht halte man sich ohnehin, und wo Rechtsordnungen konfligieren, gelte es, einen Kompromiss zu finden.
Bei Cloud-Services hat EMC durch den Hybrid-Cloud-Service vCloud Air, demnächst auch in Deutschland erhältlich, endlich einen Fuß in der Tür. Laut der jährlichen EMC-Umfrage unter den Besuchern des Forums arbeiten derzeit erst etwa 28 Prozent der Anwender mit Hybrid Clouds, ein Wert, den Bendiek eher noch für optimistisch hält. Über 60 Prozent der Befragten meinen aber, die IT-Abteilung müsse zum On-Demand-Anbieter werden, und immerhin 52 Prozent bekennen sich dazu, dass in ihrem Unternehmen IT an der IT-Abteilung vorbei direkt von den Fachabteilungen beschafft wird – in der Regel wohl deshalb, weil die IT-Abteilung es nicht schafft, schnell genug eine Lösung zu bauen, die so komfortabel ist wie das, was die Anwender aus dem Web gewohnt sind.
Hier gibt es also viel zu tun. Durch die Zusammenarbeit mit Lenovo kann EMC indirekt vom Geschäft mit Cloud-Services profitieren. Der Hersteller will in etwa einem Jahr selbst unter dem Label „The Lenovo Experience“ Cloud-Services anbieten. Für Näheres sei es noch zu früh, sagte Robert Pasquier, bei Lenovo für das Channelgeschäft zuständig.
Außerdem bauen EMC und Lenovo das OEM-Geschäft ausgebaut bisherige Vereinbarungen gelten nun auch für EMEA. EMC-Storage und Lenovo-Server werden in Vspex-Architekturen, unter anderem Basis für Unternehmens-Clouds, engstens verzahnt. Hinsichtlich der eigenen bestimmenden Rolle bei der Infrastrukturentwicklung ist EMC im Übrigen optimistisch: Auch angesichts Googles Initiativen (Open Compute Project) werde es „immer einen Platz für die Enterprise Private Cloud geben“, meint Bendiek.
Auch EMC-Platinum-Partner Vodafone outete sich in Mainz als neuer Cloud-Provider für IaaS (Infrastructure as a Service). Das Geschäft baut Volker Schlecke, Senior Program Manager Vodafone Cloud & Hosting Services, auf. Das Unternehmen hatte im vergangenen Jahr Cable & Wireless und Anfang des Jahrtausends Arcor übernommen, die beide Erfahrungen in diesem Bereich haben. Die deutschen Kunden bedienen zwei redundante Rechenzentren in Rüsselsheim und Frankfurt mit IaaS (Infrastructure as a Service).
Bei Speichersystemen hat sich EMC jüngst durch das von Andreas v. Bechtolsheim, dem Gründer von Sun Microsystems, aufgebaute Startup DSSD ergänzt. DSSD hält Patente für die Integration von Flash direkt in den I/O-Stack des Servers. Das passt gut zum boomenden Flash-Geschäft EMCs, das 2014 schon 300 Millionen Dollar einspielte – vorwiegend in den Märkten VDI, Servervirtualisierung und Datenanalyse. Systeme, die DSSD-Technik nutzen, sollen schon im nächsten Jahr auf den Markt kommen. Sie könnten neue HANA-Architekturen ermöglichen, in welchen die teuren DRAMs für die prozessornahe Unterbringng der Daten durch wesentlich höhere Flash-Kapazitäten ersetzt sind.
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