Das Landgericht München I hat in einem Rechtsstreit zwischen einem selbständigen IT-Unternehmer und einem Internetprovider entschieden, dass letzterer den mobilen Internetzugang nicht einfach sperren darf. Es verpflichtete den Zugangsanbieter dazu, den von ihm gesperrten Anschluss unverzüglich wieder freizugeben. Außerdem trägt er die gesamten Kosten des Verfahrens.
Mit seiner Entscheidung kam das Landgericht einem Antrag des Kunden nach. Dieser hatte sich im September mit einer einstweiligen Verfügung gegen die unangekündigte Sperre zu wehren versucht. Allerdings wies das Amtsgericht München seinen entsprechenden Antrag mit Beschluss vom 8. September ab. Auch eine am 22. September eingelegte Beschwerde wies es eine Woche später zurück. Daraufhin rief der Kunde das Landgericht München an, das ihm nun Recht gab. Eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss hat es nicht zugelassen.
Ausgangspunkt des Streits war die Sperrung des mobilen Internetzugangs durch den Provider am 29. August 2014. Der Anbieter begründete seinen Schritt damit, dass der Kunde ihm mehr als 75 Euro schuldig sei. Allerdings kündigte er die Sperre nicht erst an, sondern teilte lediglich deren Vollzug mit. Genau das hätte er nicht tun dürfen, so das Landgericht München. Erforderlich wäre gewesen, die Sperre mindestens zwei Wochen vorher anzukündigen und auf die Möglichkeit hinzuweisen, Rechtsschutz vor den Gerichten zu suchen.
Der Kunde versicherte dem Gericht, dass er mit seinem Unternehmen auf einen funktionierenden, mobilen Internetanschluss zwingend angewiesen sei, um jederzeit auch unterwegs erreichbar zu sein und per E-Mail kommunizieren zu können. In dem Beschluss, der ZDNet.de vorliegt, bezeichnet das Landgericht dies als ausreichend, um die erforderliche Dringlichkeit für die einstweilige Verfügung gegen die Sperre zu begründen.
Weiter heißt es in dem Beschluss: „Der Umstand, dass sich die Sperre vorliegend auf einen mobilen Internetanschluss bezieht, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Das Beschwerdegericht sieht die Inanspruchnahme der Möglichkeit, per Handy, Smartphone, Tablet oder Laptop zeitlich und örtlich unabhängig das mobile Internet zu nutzen, aufgrund der heutzutage vorhandenen technischen Gegebenheiten als extrem weit verbreitet und damit grade für im Geschäftsleben tätige Personen als unabdingbar an.“ Die Alternativen – also die kabelgebundene Nutzung des Internets oder das Aufsuchen eines WLAN-Zugangspunktes – seien „gerade diesem Personenkreis aufgrund der damit verbundenen räumlichen Einschränkungen der Nutzbarkeit nicht zumutbar.“
Bereits im Januar 2013 hatte sich der Bundesgerichtshof im Streit zwischen einem Privatkunden und einem Telekommunikationsunternehmen auf die Seite des Kunden gestellt. Allerdings lag der Fall damals etwas anders: Es ging um Schadenersatz für den mehrwöchigen Ausfall des kabelgebundenen Internetzugangs aufgrund einer Tarifumstellung (Aktenzeichen III ZR 98/12).
Bemerkenswert war jedoch, dass der Bundesgerichtshof im Zuge des Urteils erklärte: „Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. … Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“
Die Deutsche Welle zitierte damals Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit den Worten: „Das Urteil zeigt, wie fundamental das Netz für ein informiertes Leben geworden ist. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Internetnutzung ein Bürgerrecht ist.“ Deshalb sei im Koalitionsvertrag festgehalten, dass es Sanktionen, die die Sperrung des Internetzugangs beinhalten, nicht geben wird.
[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]
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