Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat zu einer erneuten Streikwelle bei Amazon in Deutschland aufgerufen. Seit Beginn der heutigen Nachtschicht in Bad Hersfeld (Hessen) und Leipzig (Sachsen) sowie seit Beginn der Frühschicht in Graben (Bayern), Werne und Rheinberg (beide Nordrhein-Westfalen) werden vom ersten Tag an fünf deutsche Standorte gleichzeitig bestreikt. Primäres Ziel der Streikenden ist es, den Versandhändler zu Tarifverhandlungen zu bewegen.
„Ein Tarifvertrag kann hohem Arbeitsdruck sowie erheblichen gesundheitlichen Belastungen im Schichtdienst, in der Nacht und an Wochenenden wirksam Grenzen setzen“, sagt Stefanie Nutzenberger, Verdi-Bundesvorstandsmitglied und zuständig für den Handel. Ein Tarifvertrag, der den Beschäftigten existenzsichernde Einkommen und Arbeitsbedingungen mit Schutzregeln zu Arbeitszeiten, Urlaub oder Pausen garantiere, sei auch eine Frage des Respekts, den Amazon seinen Beschäftigten schulde.
In Bad Hersfeld, Leipzig, Rheinberg und Graben sollen die Streiks bis einschließlich Mittwoch zum Ende der Spätschicht andauern, in Werne bis einschließlich Dienstag zum Ende der Spätschicht. Insgesamt unterhält Amazon neun Standorte in Deutschland.
Schon im September hatten sich nach Angaben von Verdi rund 2000 Amazon-Mitarbeiter an mehrtägigen Streiks beteiligt. Das Versandhandelsunternehmen verweigere seinen Beschäftigten bisher einen Tarifvertrag, nicht einmal zu Tarifverhandlungen sei man bereit.
Der Tarifstreit zwischen Amazon und Verdi läuft seit Ostern 2013. Die Arbeitnehmervertreter fordern für die Mitarbeiter des Versandhändlers einen Tariflohn auf Einzelhandelsniveau. Bislang gilt für sie der Tarif der Logistikbranche.
„Amazon wirft Nebelkerzen. Das Unternehmen behauptet, man orientiere sich an der Bezahlung in der Logistik. Damit soll verschleiert werden, dass der Versandhändler Amazon weiterhin einseitig die Arbeitsbedingungen diktieren will“, erklärte Nutzenberger im September.
An seinen neun deutschen Standorten beschäftigt Amazon knapp 9000 Mitarbeiter. Aufgrund der Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren stand der Versandhändler schon häufiger in der Kritik. Die Beschäftigten klagen unter anderem über den hohen Anteil an befristeten Arbeitsverhältnissen, über unzureichende Pausenregelungen und über hohen Leistungsdruck. Aus diesem Druck resultiere auch der hohe Krankenstand zwischen 15 und 19 Prozent, wie es von Seiten Verdis heißt.
Die Gewerkschaft wirft Amazon vor, seinen Mitarbeitern zum Teil mehrere hundert Euro weniger an Lohn zu bezahlen als es in vergleichbaren Beschäftigungsverhältnissen im Einzel- und Versandhandel üblich ist. „Das Unternehmen weigert sich, das in Deutschland gesetzlich verbriefte Recht der Beschäftigten auf Tarifverhandlungen durch eine Gewerkschaft anzuerkennen“, so Verdi. „Immer wieder haben Beschäftigte deswegen die Arbeit niedergelegt.“ So kam es bereits im Weihnachtsgeschäft 2013 bei Amazon zu Streiks. Damals hatte das Unternehmen wenig Verhandlungsbereitschaft signalisiert und den Streikenden vorgeworfen, ihren Arbeitskampf zu Lasten der Kinder zu führen.
Zuletzt hatte Amazon aber in Graben, Bad Hersfeld, Rheinberg und Leipzig Lohnerhöhungen zwischen 2,1 und 3 Prozent angekündigt. Nutzenberger verbuchte das als Erfolg: „Die Gegenwehr der Beschäftigten zeigt ihre Wirkung. Amazon steht unter Druck. Nur ein Tarifvertrag garantiert den Beschäftigten existenzsichernde Einkommen und Arbeitsbedingungen.“
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