Das US-Insolvenzgericht in Springfield, Massachussetts, hat Dokumente entsiegelt, die einen seltenen Einblick in vertrauliche Vereinbarungen zwischen Apple und seinen Lieferanten geben. Sie sind verbunden mit einer Erklärung von Daniel Squiller, Chief Operating Officer von Apples Saphirglas-Lieferanten GT Advanced Technologies (GTAT).
GT musste vor einem Monat Insolvenz nach Chapter 11 des US-Konkursrechts beantragen. Squiller sieht in den von Richter Henry Boroff freigegebenen Dokumenten Belege für eine einseitige Beziehung, die zwangsläufig zur Insolvenz seines Unternehmens führen musste. „Die Geschäftsbeziehung von GTAT mit Apple wurde eine untragbare Belastung, ohne dass Apple Verantwortung für Kostenüberschreitungen und zusätzliche Ausgaben übernahm, die von ihm verursacht wurden“, erklärte der Manager in seiner Stellungnahme zu den Gründen für die Insolvenzanmeldung.
Zu den von Apple durchgesetzten Bedingungen gehörte eine Vertragsstrafe von 50 Millionen Dollar für jede einzelne Verletzung der Geheimhaltungspflicht. Ohne Apples vorherige Zustimmung durfte kein Herstellungsverfahren des Saphirglas-Spezialisten verändert werden, aber GT musste andererseits Apples Vorschläge sofort umsetzen. Jegliche Bestellung Apples musste GT zum gewünschten Termin ausführen – oder auf eigene Kosten Ersatzgüter kaufen und liefern.
Da Apple die Fabrik für die Saphirglasproduktion vorfinanzierte, setzte es angeblich den Verzicht auf unerlässliche Generatoren für die Notstromerzeugung durch, weil sie zu kostspielig seien. Der iPhone-Hersteller entsandte außerdem eigene Manager in das in Arizona errichtete Werk, die sich dort „erhebliche Befugnisse herausnahmen“ und gemahnt werden mussten, nicht die Mitarbeiter von GT herumzukommandieren.
Bevor es sich mit Apple einließ, konzentrierte sich GT auf die Herstellung von Brennöfen, die der Herstellung von synthetischem Saphir dienen – und nicht auf die Saphirproduktion selbst. Saphir ist ein Aluminiumoxid mit der chemischen Formel Al2O3, das sonst als (vorzugsweise blauer) Edelstein bekannt ist. Es weist die 2,5- bis 3-fache Stärke von Glas auf – und kostet drei- bis viermal so viel.
Laut Squiller lockte Apple 2013 zunächst mit dem möglichen Kauf von 2600 Brennöfen von GT, was den bislang größten Auftrag für das relative unbekannte Unternehmen bedeutet hätte. Nach monatelangen Verhandlungen über Preise und Bedingungen sei jedoch klargeworden, dass Apple gar keine Brennöfen kaufen wollte. Der iPhone-Hersteller habe vielmehr GT dazu gedrängt, selbst Saphirglas herzustellen und ihm einen Kredit von 578 Millionen Dollar für den Bau des erforderlichen Werks, seine Ausstattung mit modernsten Brennöfen und das Hochfahren der Saphirproduktion angeboten. GT wiederum verpflichtete sich, die ausgelegten Mittel ab 2015 an Apple zurückzuzahlen.
Squiller zufolge wandte Apple eine „klassische Lockvogelstrategie“ an. Die zwischen den Unternehmen getroffene Vereinbarung nannte er „beschwerlich und äußerst einseitig“. Apple sei es darum gegangen, an Saphirglas zu geringeren als den marktüblichen Preisen zu kommen. GT hätte letztlich nur an Apples Saphir-Bestellungen verdienen können, wenn sie über die vorausfinanzierten Beträge hinausgingen. Gleichzeitig aber setzte Apple eine Exklusivitätsklausel durch, die GT die Lieferung von Saphirglas an andere Hersteller im Umfeld von Unterhaltungselektronik untersagte.
GT-Manager Squiller räumte in weiteren Eingaben ein, dass GT nicht die erwarteten Mengen hochwertigen Saphirs im vereinbarten Zeitraum liefern konnte. Der iPhone-Hersteller habe aber selbst mit zu diesen Verzögerungen beigetragen. Das Werk sei nicht vor Ende 2013 betriebsbereit gewesen – und Apple allein habe das Bauvorhaben organisiert und beaufsichtigt.
Dem Gang zum Konkursrichter ging Apples Entscheidung voraus, Saphirglas nicht wie erwartet für den Schutz der Displays seiner neuen iPhone-Generation einzusetzen, sondern nur für die Linse der rückseitigen Kamera sowie den Fingerabdruckscanner TouchID. Den finanziellen Druck auf GT erhöhte außerdem, dass Apple eine für den Oktober vorgesehene vierte Vorauszahlung in Höhe von 139 Millionen Dollar ausfallen ließ mit der Begründung, bestimmte technische Ziele seien nicht erreicht worden.
Apple versuchte die Veröffentlichung der Dokumente vergeblich zu verhindern und lehnte danach eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab. In gerichtlichen Eingaben wies es sie jedoch als „unwahr, gegenstandslos und verleumderisch“ zurück. „Apple hat sich weit gestreckt, um mit GT zusammenzuarbeiten“, formulierten Apples Anwälte in einem Dokument. „Dazu gehörten Zahlungen an das Unternehmen, obwohl es Leistungseckpunkte versäumte – in der Hoffnung, brauchbares und wirtschaftlich rentables Saphirglas zu erhalten.“
Versiegelt blieb ein Dokument mit dem Titel „Statement of Work #1 to the Master Development and Supply Agreement“. Darin sollen Geschäftsgeheimnisse enthalten sein – darunter die Menge Saphirglas, die Apple kaufen wollte, und den dafür angebotenen Preis. Für Apple und seinen Vertragspartner hat die Veröffentlichung der Dokumente keine weitere rechtliche Bedeutung, da sie bereits im letzten Monat eine Einigung erzielten, die von Apples Anwälten als „freundschaftliches Auseinandergehen“ beschrieben wurde.
GT Advanced Technologies wurde im Rahmen der Einigung von allen “exklusiven Verpflichtungen” mit Apple befreit. Zudem soll Apple Vorauszahlungen in Höhe von 439 Millionen Euro über vier Jahre hinweg und ohne Zinsen zurückerhalten, mit denen es die Saphirglas-Produktion finanziert hatte. GT wird sich künftig wieder auf die Lieferung von Brennöfen für die Saphirglas-Produktion konzentrieren, statt das Material selbst herzustellen.
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