Der auf Europafragen spezialisierte Berater Michiel van Hulten hat Google die gezielte Unterstützung von europakritischen US-Politikern durch Wahlkampfspenden vorgeworfen. „Für Google ist politische Unterstützung nur einen Wahlkampfscheck entfernt“, schrieb der frühere Europa-Abgeordnete der holländischen Sozialdemokraten in einem anklagenden Blogeintrag.
Van Hulten bezieht sich auf einen gemeinsamen offenen Brief an das EU-Parlament, den vier prominente demokratische und republikanische Kongressmitglieder schrieben. Sie beschwerten sich darin über „eine Tendenz in der Europäischen Union, ausländische Firmen im Bereich der digitalen Wirtschaft zu benachteiligen“. Aus den bei OpenSecrets.org einsehbaren Informationen über Wahlkampfspenden führte van Hulten dazu Wahlkampfspenden Googles für 2013 / 2014 an drei der vier Politiker auf, die insgesamt 76.800 Dollar ausmachten.
Allerdings scheint der in Brüssel ansässige Europa-Berater nicht wirklich mit dem vergleichsweise strikten US-Recht für Lobby-Aktivitäten und Wahlkampfspenden vertraut zu sein. Die von ihm addierten Spenden stammten nicht von Google selbst, sondern von Einzelpersonen sowie Political Action Committees (PACs). Unternehmen dürfen die Kandidaten nicht finanziell unterstützen – können aber PACs „sponsern“ und über sie beispielsweise Spenden von Mitarbeitern für Wahlkampfzwecke sammeln.
Da nach US-Bundesrecht für alle Wahlkampfspenden über 200 Dollar Beruf und Arbeitgeber benannt werden müssen, kann OpenSecrets.org aufrechnen, welche Spendenbeträge dem wirtschaftlichen Interesse von einzelnen Großunternehmen oder Branchen zuzuordnen sind. Zwei der drei für den Empfang von Google-Spenden angeprangerten Kongressabgeordneten erhielten beispielsweise im gleichen Zeitraum auch Spenden in fast identischer Höhe, die Microsoft zugeschrieben wurden. Orrin Hatch etwa kamen 31.700 Dollar aus dem Umfeld Googles zugute – und 33.500 Dollar aus dem Microsofts. Dave Camp fielen 7600 beziehungsweise 7500 Dollar zu. Beide Abgeordnete erhielten zudem deutlich mehr und insgesamt weit höhere Spenden aus anderen Branchen wie Energieversorgung, Arzneimittelherstellung und Versicherungen.
Da sich Microsoft wiederum aktiver Lobbyarbeit gegen Google verschrieben und die EU-Ermittlungen gegen den Suchkonzern mit angestoßen hat, müssten zwei von drei der als Google-Parteigänger beschuldigten Kongressabgeordneten nach derselben Logik über die vom EU-Parlament geforderte Entflechtung von Google eigentlich erfreut sein. Der heute „selbständige Berater“ Michiel van Hulten hätte zudem selbst für noch ein wenig mehr Transparenz sorgen und aus seiner umfangreichen Vita offenlegen können, dass er ab 2007 für Burson-Marsteller tätig war. Diese weltweit agierende PR-Agentur zählt nicht nur Microsoft zu ihren Großkunden – sie verwaltete auch den von Microsoft finanzierten Lobby-Verband ICOMP, der bei der Europäischen Union eine formelle Beschwerde gegen Google einreichte.
Mit der Überschrift „Google spendete im großen Stil an Fürsprecher in der Politik“ setzte Spiegel Online noch eins drauf. Das bezog sich auf gleich drei von US-Kongressmitgliedern verfasste Briefe, in denen sie vor dem Plan einer Google-Zerschlagung warnten. Das Magazin adaptierte die Methode des Europa-Beraters van Hulten und gelangte so zur Schlussfolgerung, neun der 17 Unterzeichner hätten „Spenden von dem Konzern bekommen“ – und rechnete daraus die stolze Summe von 261.295 Dollar hoch.
In die Kritik kam aber auch Andreas Schwab, aus Rottweil stammender EU-Abgeordneter und einer der lautstarken Wortführer für eine Zerschlagung Googles. Das Manager Magazin machte darauf aufmerksam, dass in Schwabs Wahlkreis auch Offenburg liegt, Stammsitz von Hubert Burda Media – neben der Axel Springer SE eine treibende Kraft hinter dem gegen Google gerichteten Leistungsschutzrecht. Die New York Times wies zuvor darauf hin, dass Schwab als Rechtsanwalt für die Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle tätig ist, die auch den gegen Google agierenden Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) vertritt. Aus einer Erklärung zu seinen finanziellen Interessen (PDF) geht hervor, dass ihm dafür jährlich zwischen 12.000 und 60.000 Euro zufließen. Die Website der Großkanzlei gibt Wettbewerbspolitik als seine Fachkompetenz an. Die Times merkt dazu an, dass US-Kongressabgeordneten eine solche Tätigkeit mit potenziellen Interessenkonflikten untersagt sei. „Es wäre schon ein großer Zufall, wenn Schwab ganz unbeeinflusst agiert“, kommentiert das Manager Magazin.
Reuters erinnerte daran, dass „hinter der kartellrechtlichen EU-Untersuchung Googles nicht nur Europäer stehen, sondern US-Konkurrenten“. Tatsächlich seien es Firmen wie Microsoft, Expedia und TripAdvisor gewesen, die mit Beschwerden und großzügig finanziertem Lobbyismus die vier Jahre andauernde Untersuchung der EU-Kommission vorantrieben. „Die amerikanischen Firmen benutzen die Europäische Kommission als Schlachtfeld für ihre Kämpfe untereinander“, zitiert die Nachrichtenagentur einen ranghohen EU-Vertreter. „Sie sind diejenigen, die mit Beschwerden zu uns kommen.“
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